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Die Zwölfte Isonzoschlacht:

I.

Elf Schlachten waren am Isonzo geschlagen. Ströme von Blut waren geflossen. Geringer Geländegewinn war das mit ungeheuern Blutopfern erkaufte Ergebnis für den Angreifer. Die zwölfte Schlacht sollte den tapfern Verteidiger zu Boden werfen, sollte die letzte, die Entscheidungsschlacht werden zum schnellen Siegeszuge nach Triest.
Da rütteln Germanenfäuste an Italiens Grenzmauer. Gewaltige Schläge zerschmettern die Tore. In wenigen Stunden und Tagen stürzt das Werk zweieinhalbjähriger Blutarbeit Italiens in Trümmer. Reste einer vernichteten Armee fluten in die oberitalienische Tiefebene. Deutschland und sein Bundesgenosse hetzen den Feind hinter den Tagliamento. In ehernen Strichen zeichnet die Weltgeschichte das Weltgericht: die Züchtigung und den Zusammenbruch des Verräters am Dreibund! Namen sieggewohnter Führer leuchten auf: General Otto v. Below führt die deutsche XIV. Armee über die Alpen; Krafft v. Dellmensingen, der Schrecken Rumäniens am Roten Turm-Paß, ist sein Generalstabschef; Major Frhr. v. Willisen ist sein tatkräftiger unermüdlicher Erster Generalstabsoffizier. Angriffsfrohe Divisionen, Preußen, Bayern, Württemberger, folgen den bewährten Generalen v. Stein und v. Berrer, brave österreichische Divisionen ihren Generalen v. Krauß und  über die schneebedeckten Gipfel der Julischen Alpen.

Im Becken von Krainburg und nördlich der Karawanken waren die Angriffsgruppen der XIV. Armee versammelt worden. Dort wurde die Ausrüstung für den Winterkrieg im Hochgebirge der Alpen vollendet. In angestrengter Arbeit wurden dort die Angriffsvorbereitungen für den gewaltigen Durchbruch betrieben, der die italienischen Gebirgsstellungen zwischen Flitsch und Tolmein treffen und brechen sollte. In den engen Räumen der Becken von Flitsch und Tolmein mußte die versammelte Armee zum Angriff aufmarschieren. In diese Becken mußte die Armee vorgeschleust werden. Auf etwa 60 km langen, schmalen Paßstraßen mit großen Steigungen galt es, teilweise eine ganze Anzahl Divisionen hintereinander und je etwa die Hälfte der Angriffsartillerie und Minenwerfergruppen angesichts der beherrschenden, weiten Überblick gewährenden feindlichen Stellungen vorzudrücken. Trotz schlechtem, ungünstigem Wetter vollzog sich der Durchmarsch ohne Stocken und ohne Reibung. Ungeheuere Arbeit wurde hier geleistet, nach mustergültiger, planvoller Vorarbeit.
In der elften Isonzoschlacht hatte Cadorna seine Hauptkräfte von Tolmein bis zur Adria zusammengezogen, während die übrige lange Gebirgsfront nur mit schwächern Kräften besetzt blieb. Die österreichisch-ungarische Verteidigungslinie führte von Selo im Tolmeiner Becken über Log östlich Mesnjak, von dort nach Süden über den Monte S. Gabriele, die Wippach-Höhen östlich Görz zum Meere! Nun sollte der Feind aus diesem für eine Defensive ungünstigen Karst-Gebiet hinausgeworfen und zunächst bis hinter den Tagliamento zurückgeschlagen werden. Für diese Operationen wurde im Anschluß an den Südflügel der Heeresgruppe Conrad in Gegend des Rombon-Gebietes die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Divisionen gebildete XIV. Armee Below in Linie Flitsch - Tolmein bereitgestellt. Der Nordflügel der anschließenden Isonzo-Armee (Heeresgruppe Boroevic) hatte sich dem Angriff mit starkem rechten Flügel südlich Selo anzuschließen, während Mitte und Südflügel bei und südlich Görz den Gegner durch Frontalangriff festhalten sollte. So standen in den Tagen vor dem Angriff bereit: der Nordflügel der Armee Below (die österreichisch-ungarische, durch deutsche Verbände verstärkte Gruppe Krauß) im Gelände des Rombon und südöstlich die Stoßfront der Armee mit Gruppe Stein im Gebiet des Krn und um Tolmein, mit Gruppe Berrer an Straße Bischoflack-St. Lucia; mit Gruppe Scotti nördlich Tribusa schloß sich der rechte Flügel der Isonzo-Armee an.

Das Kampfgebiet der XIV. Armee lag in dem von den Flußläufen des Tagliamento und Isonzo bestimmten Gelände der Julischen Alpen. In kühn emporstrebenden Gipfelformen fällt das Gebirge vom 2863 m hohen Triglav in Stufen hinab zu der etwa 100 m hoch gelegenen Ebene von Cividale. Weithin beherrscht der Blick von den über 1000 m hohen Randbergen die Ebene. Kein Mittelgebirge mildert den Übergang von der Alpenwelt zur Tiefebene. Dreimal durchbricht im östlichen Teile dieses Gebietes der Isonzo die Kampfzone. Nach seiner Vereinigung mit der Koritnica im Becken von glitsch strömt er mit raschem Gefälle in engem Tal gegen Karfreit. Nur vorübergehend verbreitert der Zufluß der Idria das Flußbett, das sich im Gelände von Tolmein wieder eng zusammenpreßt. Östlich des Isonzo beherrscht das schroffe Krn-Massiv, dessen Hänge in nur 2 km Luftlinie von 2245 m Höhe zu einer Talsohle von 180 m Höhenlage herabstürzen, das Kampfgelände. Im Nordflügel des Angriffsfeldes erheben sich die wilden, kahlen Felswände des Canin bis zu 2600 m Höhe und bis zu 2300 m absoluter Höhe über dem Ort Saga. Ein Angriff vom Flitscher Becken aus muß zunächst den Talweg bis Saga durchstoßen. Erst dort öffnet sich der Ausgang nach Westen. Weiter südlich bilden die Felsblöcke des Stol-Rückens, des Mt. Mia, Mt. Matajur und Mt. Maggiore den Schauplatz der Angriffe. Weithin beherrscht der Mt. Matajur das Tal von Karfreit. Ein Angriff auf die Matajur-Stellung kann nur über die von Tolmein führende Landbrücke des Kolovrat-Rückens durchgeführt werden. Die Bereitstellung der Armee Below in den beiden engen Räumen des Flitscher Beckens und des Brückenkopfes von Tolmein hatte den Nachteil räumlicher Trennung durch die auf dem östlichen Isonzo-Ufer vom Südwesthange des Javorcek über die Bate-Kuppe (2014 m) und den Krn (2245 m) in das Gelände westlich Selo verlaufende Linienführung der italienischen Front, die Basis für die Angriffsdurchführung - die anzustrebende, beide Gruppen verbindende Talstraße Flitsch – Saga – Karfreit - Tolmein - mußte deshalb in Angriff genommen werden. Die strategische Ausnutzung dieser Verbindungstalstraße forderte als erstes, in ununterbrochenem, Tag und Nacht fortzusetzenden Vorstoß zu erreichendes Angriffsziel die Linie Canin - Punta di Mt. Maggiore - Mt. Mia - Mt. Matajur - Mt. San Martino - Mt. Hum und Tribil-Höhen von Costanjevica. Von dieser Höhenlinie aus sollte dann der allgemeine Angriff weiterstoßen bis zur Linie Gemona - Tarcento - Cividale. Die Erfahrungen der Karpathen-, Vogesen- und Alpenkämpfe wiesen der Angriffstaktik den Weg: schneller Vorstoß in unaufhaltsamem Angriff über die verbindenden Landbrücken von Höhe zu Höhe, Ausnutzung der Talstraßen zum Nachführen der Artilleriereserven und des Nachschubes, Aufmeißeln beherrschender Höhenstellungen durch umfassenden Angriff in Flanke und Rücken und durch Umgehung, gegenseitige Unterstützung der Frontal- und Umfassungsgruppen.

Unter diesen Gesichtspunkten wurden zum Angriff und zum gleichzeitigen Durchbruch an mehreren Stellen angesetzt: Gruppe Krauß als rechter Flügel der XIV. Armee über Saga gegen den Stol-Rücken, - eine starke linke Kolonne sollte nach Wegnahme des Vrsik mit Stoßrichtung Ravna - Karfreit das Becken von Karfreit öffnen und den Stol-Rücken von Osten aufrollen - Gruppe Stein wurde gegen den Mt. Matajur angesetzt. Die Einnahme dieses Blockes öffnete das Becken von Karfreit von Südosten und unterstützte so die gleichzeitige, demselben Zweck dienende Operation der Gruppe Krauß. Die Gruppe Berrer wurde gegen den Mt. Hum und zum gleichzeitigen Vorstoß über Drenchia gegen den San Martino im Anschluß an Gruppe Stein angesetzt. Die Gruppe Scotti erhielt den Auftrag, der Isonzo-Armee das Überschreiten des Isonzo zu erleichtern mit dem Angriffsziel Globocak-Costanjevica. Mitte Oktober waren die Angriffsvorbereitungen soweit vorgeschritten, daß der allgemeine Angriff für den Beginn der dritten Oktoberwoche befohlen werden konnte. Bis in kleinste Einzelheiten war der Plan festgelegt. Nach einem Gasschießen von 2 bis 6 Uhr vormittags sollte bei Tagesanbruch die allgemeine Feuereröffnung erfolgen. Nach kurzer höchster Feuersteigerung sollte der Einbruch in die Stellungen auf der ganzen Frontlinie Flitsch-Selo stattfinden. Ungünstiges Wetter verzögerte den Angriff um wenige Tage. Am Abend des 23. Oktober erteilte General v. Below sollenden Befehl:
"Der Angriff findet am 24. Oktober statt. Allgemeine Feuereröffnung 6 Uhr 30 Minuten vormittags. Der Oberbefehlshaber von Below."

Diese knappen Worte sind klassisch und bleiben ein Musterbeispiel deutscher Generalstabsarbeit. Diese zwei Sätze bezeichnen den Abschluß einer Riesenarbeit an Gedanken, Plänen, strategischen und technischen Vorbereitungen. Sie bezeichnen den Beginn des Stoßes, der Italiens II. Armee zu Boden schmetterte. Weltgeschichte von ungeheurer Tragweite liegt in diesen kurzen Worten, Weltgeschichte, erzwungen von deutschen und österreichisch-ungarischen Waffen. Am 24. Oktober beginnt der Angriff. Wenige Stunden später wankt die ins Herz getroffene II. italienische Armee und fällt in Trümmer.



II.

In starken, uneinnehmbar, ja unangreifbar scheinenden Bergstellungen der Julischen Alpen erwartete die italienische II. Armee des Generalleutnants Capello den Vorstoß der Deutschen und Österreich-Ungarn. Die Vorbereitungen zum Angriff, das Durchschleusen der Divisionen auf engen, weithin einzusehenden Talstraßen, die Angriffsgruppierungen konnten nicht verborgen bleiben. Unerklärlich bleibt aber die geringe Gegenwirkung des Feindes während der letzten Tage vor dem Angriff. Im Gebiete vom Rombon bis zum Krn sperrte das italienische IV. Korps (Divisionen 50, 43, 46) die Talstraße auf Saga und das Becken von Karfreit. Kräfte des XXVII. Korps konnten aus Linie Kolovrat-Rücken - Gegend Auzza - Canale das Becken von Tolmein unter Feuer halten. Den schmalen Frontabschnitt der Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist verteidigten die Divisionen 25, 60 und 30 des XXIV. Korps in starken Stellungen.
Nördlich des Monte San Gabriele schloß sich mit den Divisionen 23, 53 und 8 das II. Korps an. Bei und nördlich von Görz stand als Südflügel der II. Armee im Anschluß an die III. Armee des Herzogs von Aosta das VI. Korps mit den Divisionen 68, 24 und 48. Nicht weniger als 56 Brigaden und 4 Alpinigruppen, insgesamt wohl 350 Bataillone der II. Armee sollten den Anprall aufhalten und abschlagen.
Cadorna war zuversichtlich und meldete: "Der Gegner hat unter starker Mitwirkung von deutschen Truppen und Kriegsmitteln ansehnliche Kräfte an unserer Front für eine Offensive versammelt. Der feindliche Stoß findet uns fest und gut vorbereitet." Am 24. Oktober entfesselte General v. Belows Armeebefehl eiserne Hammerschläge. Deutsche und österreichisch-ungarische Stoßdivisionen dringen unwiderstehlich gegen die italienische Front. Ein gewaltiger Druck erschüttert den Gebirgswall. Ganze Stellungssysteme wanken. Weite Abschnitte geben nach und werden durchstoßen. Der Durchbruch ist nicht aufzuhalten. In tiefe, klaffende Lücken dringen Stoßtruppen frontal, flankierend, umfassend und aufrollend durch die gigantische Alpenstellung. In zweieinhalb Tagen wird zweieinhalbjährige Arbeit in Stücke zertrümmert. Ohne Beispiel in der Kriegsgeschichte ist der Gedanke, der diesen Durchbruchsplan ersann, ohne Beispiel die Entschlossenheit der Führung und der sieghafte Angriffsgeist der Truppe. Infanterie stürmt Alpengipfel.

Vergessen sind endlose Märsche auf nassen Straßen, vergessen kalte Nächte bei strömendem Regen unter freiem Himmel. Truppen, die das Hochgebirge nicht kennen, wetteifern mit gebirgserfahrenen Divisionen: General v.Below fordert die Höchstleistung der XIV. Armee: den Durchbruch des ganzen Stellungsnetzes im ersten Anlauf über die Berge der Alpen. Um 2 Uhr nachts am 24. Oktober beginnt ein vernichtendes Gasschießen gegen die feindlichen Batterieräume. Mit Tageslicht, gegen 6 Uhr 30 Minuten vormittags, setzt ein verheerendes Wirkungsschießen der Artillerie und Minenwerfergruppen ein. Muster-gültige Vorarbeiten für den Artillerieaufmarsch, für das Einschießen und das Wirkungsfeuer kommen zur Geltung und bahnen der Infanterie die Straßen zum Angriff. Über alles Lob erhaben sind diese Vorbereitungen des Generals v. Berendt. Niemals wird die Infanterie der Schwesterwaffe diese Tat vergessen. Mit der Artillerie wetteifern die Minenwerfer. Nach rastloser Erkundungs- und Vorbereitungsarbeit (unter Leitung des Majors v. Roessing) schlagen deutsche Minen breite Straßen in die Hindernisse und zerschmettern ganze Stellungen. Zwei je 200 m breite Gassen durch das Hindernis verlangt allein bei Flitsch eine Angriffsdivision. Trotz starken Nebels werden diese Bahnen in kürzester Zeit geschaffen. Entsetzen herrscht drüben in den Gräben, und grauenhaft ballen sich die Klumpen zusammen unter stürzenden Trümmern. Um 8 Uhr vormittags tritt zwischen Tolmein und Flitsch die Infanterie zum Angriff an. Bereits 2 Uhr nachmittags hat die Gruppe Krauß auf dem rechten Armeeflügel die Stellungen am Rombon gestürmt. In tapferm Anlauf stürmt österreichisch-ungarische Infanterie vom rechten Flügel der Gruppe Stein Stellungen in Linie Krn-Westhang des Mrzli. Inzwischen dringt die deutsche Division Lequis aus der Talstraße von Tolmein ungestüm vorwärts. Rechts und links hält zwar der Feind beherrschende Höhenstellungen. Aber Nebelschwaden hindern die Fernsicht und den Blick in das Tal. Der Italiener ahnt nicht, daß tief unten deutsche Infanterie durchstößt auf Karfreit, daß bereits 1 Uhr nachmittags Kamno, bald nach 2 Uhr Idersko am Isonzo erreicht ist. Die Grundlinie des ganzen Bergsystems vom Krn zum Kolovrat wird eingerissen durch den kühnen Talmarsch der Division Lequis. Der linke Flügel der Gruppe Stein greift nach Überrennung der vordersten Talstellung südwestlich Tolmein zusammen mit der Gruppe Berrer die feindliche Hauptstellung auf dem Kolovrat-Rücken an. Stürmende Infanterie klettert von der 160 m hohen Talsohle im feindlichen Feuer die steilen Hänge bis über 1000 m empor. Die Gipfel des Kolovrat bilden in dem stark befestigten Stellungsknoten bei Höhe 1114 den Schlüsselpunkt dieses ganzen Systems. Bereits am Nachmittag kann der Sturm gegen Punkt 1114 und das benachbarte Massiv des Haefnik angesetzt werden. Weiter südlich bricht die Stellung des Jeza-Blockes im Angriff der Gruppe Berrer zusammen. Unablässig drückt der Südflügel der Armee (Gruppe Scotti) über den Hrad Vrh gegen die Kette des Globocak vor. Eiserne Meißel hat General v. Below angesetzt gegen die Felsblöcke der Julischen Alpen. Teutonenkräfte bohren und schlagen, Löcher werden zu klaffenden Lücken. Wie eine eherne Maschine arbeitet die Armee an den Granitwällen der Berge, frißt sich tief hinein durch Hindernis und Beton. Sie arbeitet genau nach Überlegung und Plan.

"Der Angriff findet am 24. Oktober statt." So lautet der Armeebefehl vom Tage zuvor. Der Abend des 24. Oktobers ist angebrochen. Das Flitscher Becken bis dicht östlich Saga ist geöffnet. Die Südhänge des Krn sind gestürmt. Karfreit im Isonzo-Tal, die Höhenstellungen westlich und südwestlich Tolmein sind genommen. Kein Zusatz, keine Änderung zum Armeebefehl wird gegeben. Der Angriff geht weiter! Tag und Nacht!




III.

Der Angriff der Armee Below ging weiter - Tag und Nacht. Warum ermattete der italienische Widerstand in gigantischen Alpenfestungen? Warum ergaben sich ganze Brigaden? Warum fluteten Divisionen in wilder Auslösung durch das Gebirge? "Hindenburg ist drüben bei euch!" so sagten kleinlaut die Gefangenen. Die Erinnerung an die Cimbern und Teutonen lähmte in Schreckensstarre den Italiener. Germanische Urkraft zerschmetterte römische Legionen.
Der 25. Oktober erweiterte die Ziele der XIV. Armee. Westlich und südwestlich Saga kämpften die k. u. k. Truppen und deutschen Jäger um die Höhen des Skutnik und Stol. Der schroffe Gipfel des Stol wurde in tapferem Anlauf von einer k. u. k. Schützendivision erstürmt. Aus dieser Linie sollte sich die Gruppe Krauß mit Teilen gegen Resiutta entfalten, mit den Hauptkräften über die Rücken des Monte Maggiore und Monte le Zuffine vorstoßen. Das Vorgehen auf Resiutta sicherte die Flanke der XIV. Armee und sollte den Verstoß des Südflügels der im Rombon-Gebiet sich anschließenden österreichischen X. Armee vorbereiten. So wurde die schnelle Erstürmung des Stol-Rückens und der sichere Besitz des Geländes bis zur Pta di Monte Maggiore von strategischer Bedeutung. Dort lag der feste Punkt für die Durchführung des Angriffs gegen das weitere Ziel des Fella-Abschnittes Pontebba-Gemona. Auf der Talstraße über Karfreit vorstoßende Divisionen sperrten seit Tagesanbruch das Natisone-Tal bei Robic und entwickelten sich mit Teilen gegen den Matajur-Rücken, den beherrschenden Stützpunkt aller rückwärtigen italienischen Stellungen. Schlesier erkletterten die steilen Hänge. Vor 23 Stunden hatten sie noch 16 km rückwärts tief unten im Tal um die vordersten feindlichen Gräben gekämpft. Jetzt stürmte 7 Uhr 30 Minuten vormittags die 4. Kompanie des Regiments 63 unter Leutnant Schnieber die Felsgipfel des 1641 m hohen Matajur. Der kühne Sturmangriff brachte dieses ganze Stellungssystem zu Fall. Kaiserlichen Dank spendete der Oberste Kriegsherr für diese prächtige Tat: den jungen Offizier schmückt der Orden Pour le mérite. Die ganze 4. Kompanie trägt das Band des Eisernen Kreuzes.
Inzwischen stürmte ein deutsches Korps nach heftigen Kämpfen den stark befestigten Punkt 1114. Ein herrlicher Angriff dieser ausgezeichneten Truppe über den breiten Rücken des Kolovrat rollte die ganze Stellung bis zum Gipfel des Kuk auf. Im kühnen Anlauf nahmen andere Divisionen die mächtigen Stellungen des Jeza-Blockes.

Schnelle Gewinnung der Gebirgsausgänge in Richtung Cividale - das war ihr Angriffsziel. Auf dem Wege dorthin mußte das Gebiet des Monte San Martino und Monte Hum genommen werden. Die schnelle Ausräumung der feindlichen ersten, zweiten und dritten Stellung, sowie die Säuberung des ganzen Kolovrat-Rückens waren nur Vorbedingungen und Teilaufgaben dieses Angriffs mit weitem Ziel. Die Wegnahme des Jeza-Blockes öffnete nun die erste und zweite Stellung, während der Sturmangriff auf den wichtigen Stellungsknoten der Höhe 1114 die dritte Stellung und die ganze Kvlovrat-Stellung aufräumte. Auf dem linken Armeeflügel wurden die starken Höhenstellungen des Globocak genommen.
Der Erfolg im Gebirgskriege gründete sich auf das Zusammenarbeiten der einzelnen Stoßgruppen, auf die Wechselwirkung ihrer Teilaufgaben, auf die Ausstrahlung der Teilerfolge auf die Nachbargruppen. Die Angriffsdurchführung des 25. Oktober ist vorbildlich für den taktischen Angriff im Hochgebirge. In glänzender Waffentreue drängten Deutsche, Österreicher und Ungarn weiter in zäher Verfolgung ihrer Angriffsziele. Unaufhaltsam blieb die Wucht des Stoßes, unaufhaltsam eilte das Schicksal der Niederlage dahin über die ganze Front der II. italienischen Armee. Von Stunde zu Stunde wuchsen die Zahlen der Gefangenen und an Beute. Bereits 23000 Mann mit 700 Offizieren und 200 Geschützen waren in unsere Hände gefallen. Aber nicht diese Zahlen deuten den Erfolg der beiden ersten Angriffstage. Die überstürzte Aufgabe fast unangreifbarer Gebirgsstellungen, der schnelle Einsturz ganzer Verteidigungssysteme, die beginnende Auslösung der italienischen Front: das war der Erfolg des 25. Oktober. Der fechtenden Truppe gebührt der unvergängliche Ruhm der Tat, ohne Beispiel aber ist der Plan und das Wagnis zur Tat!

Der folgende Tag erweiterte den Geländegewinn auf der ganzen Angriffslinie. An der Straße Uccea - Resiutta wurde von der Gruppe Krauß der Mrzli Vrh genommen. Weiter südlich wurde in unaufhaltsamem Vorstoß die ungefähre Linie Südwesthang des Stol-Nordwesthang des Monte Mia und der Monte Hum erreicht. Im Natisone-Tal, südlich Stupizza, entfalteten sich Teile zum Angriff gegen den Monte Juanez, während andere die Gegend von Savogna erreichten. Die inneren Flügel der nebeneinander kämpfenden Gruppen hatten von nun ab die gemeinsame Aufgabe der Wegnahme des Höhenmassivs am Monte Juanez; nach Öffnung dieser Hochfläche war dann der Vorstoß des rechten Flügels der Gruppen Krauß auf Gemona, des linken Flügels der Nachbargruppe von Savogna über den Monte Madlessena durchzuführen. Stündlich wuchsen die Angriffserfolge. Die Gesamtbeute hatte sich bereits auf das Doppelte erhöht und betrug etwa 1000 Offiziere, 42000 Mann und 375 Geschütze. Überall brach der Widerstand zusammen. Die Kraft der II. italienischen Armee war vernichtet, nur Trümmer versuchten hier und dort verzweifelte Gegenwehr.
Vergeblich bemühte sich Cadorna, durch eiligst herangezogene, aber unzulängliche Verstärkungen das Schicksal der Niederlage zu wenden. Ganze Truppenteile vertilgte der Angriff der XIV. Armee. Die Brigaden Foggia, Pescara, Roma, Friuli, Genova, Etna, Caltanissetta, Alessandria, Taro, Spezia, Napoli, Elba, Puglie, Ravenna, Verona, Selo und Belluno sowie zehn Alpinigruppen verschwanden aus der Kriegsgliederung der II. Armee und wanderten - ganz oder größtenteils - gefangen über die Julischen Alpen nach Osten.

Tiefer und tiefer bohrte sich der von der Grundlinie Flitsch - Tolmein arbeitende eiserne Keil durch das Gebirge. Die Linie Canin - Pta di Monte Maggiore - Monte Juanez - Gegend Azzida - Monte San Giovanni - Costanjevica wurde durchbrochen. Alle Sturmgruppen wetteiferten im Lauf nach den Ausgängen des Gebirges. Die Ebene bei Cividale war das nächste Ziel. Die über die Rücken des Monte Hum und Monte San Maria vorstoßende Gruppe öffnete sich bei Azzida den Austritt in das Talbecken östlich Cividale. Der Angriff wurde unterstützt durch den Vorstoß der nördlichen Nachbargruppe gegen die Höhen des Monte Craguenza und im Süden durch den Angriff deutscher Truppen gegen das Castell de Monte. Wieder erzwang das Zusammenarbeiten der einzelnen Gruppen den Erfolg. Am Abend des 27. Oktober dringt eine Division in Cividale ein. Am folgenden Tage fällt der tapfere General v. Berrer, der im Tatendrang im Kraftwagen seiner Infanterie voraus in den Feind hineinfuhr.
Das Gebirge ist durchstoßen, die Tiefebene ist erreicht, Trümmer der II. Armee eilen in kopfloser Flucht gegen den Tagliamento. Unhaltbar wird nun auch die Lage der III. Armee. Sie räumt die Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist, den mit ungeheuren Blutopfern erkauften Monte Santo und die Stadt Görz. Der weichenden Armee folgt die Heeresgruppe Boroevic auf dem Fuße; aus den Julischen Alpen ergießt sich die Armee Below in die Ebene gegen die Linie Gemona - Tarcento - Udine. Mochten 100000 oder 150000 Gefangene, mochten 1000 Geschütze oder mehr in unsere Hände fallen: nicht Riesenzahlen kennzeichnen die Bedeutung dieses Siegel Ein strategischer Durchbruch von unerhörter Kühnheit durch stärkste Alpenstellungen, ein strategischer Zusammenbruch des Feindes von unbeschreiblichem Umfang, die Zerstörung der ganzen Grundlage eines zweieinhalbjährigen italienischen Offensivkrieges - das ist der Sieg der Armee Below.

"Das Fehlen des Widerstandes eines Teiles der II. Armee, die sich in verbrecherischer Weise oder schimpflich dem Feinde übergab, hat den österreichisch-deutschen Kräften erlaubt, den linken Flügel der italienischen Front zu durchbrechen. Die verdienstvollen Anstrengungen der anderen Truppen vermochten nicht zu verhindern, daß der Feind auf unsern heiligen Boden eingedrungen ist...." Diesen schmachvollen Vorwurf der Feigheit und des Verrats schleuderte Cadorna am 28. Oktober gegen dieselbe Armee, die ihre Vorbereitungen zur zwölften Isonzoschlacht, zum Siegeszug nach Triest traf, als der tödliche Stoß der Armee Below sie zerschmetterte. In Schimpf, Schande und Schmach endete die II. italienische Armee - endete der Siegestraum des Verräters am Dreibund.

(Mit freundlicher Genehmigung von Ilija Hallmann - http://www.stahlgewitter.com)


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