Die Zwölfte Isonzoschlacht:
I.
Elf Schlachten waren am Isonzo
geschlagen. Ströme von Blut waren geflossen. Geringer
Geländegewinn war das mit ungeheuern Blutopfern erkaufte
Ergebnis für den Angreifer. Die zwölfte Schlacht sollte den
tapfern Verteidiger zu Boden werfen, sollte die letzte, die
Entscheidungsschlacht werden zum schnellen Siegeszuge nach
Triest.
Da rütteln Germanenfäuste an Italiens Grenzmauer. Gewaltige
Schläge zerschmettern die Tore. In wenigen Stunden und Tagen
stürzt das Werk zweieinhalbjähriger Blutarbeit Italiens in
Trümmer. Reste einer vernichteten Armee fluten in die
oberitalienische Tiefebene. Deutschland und sein Bundesgenosse
hetzen den Feind hinter den Tagliamento. In ehernen Strichen
zeichnet die Weltgeschichte das Weltgericht: die Züchtigung und
den Zusammenbruch des Verräters am Dreibund! Namen sieggewohnter
Führer leuchten auf: General Otto v. Below führt die deutsche
XIV. Armee über die Alpen; Krafft v. Dellmensingen, der
Schrecken Rumäniens am Roten Turm-Paß, ist sein
Generalstabschef; Major Frhr. v. Willisen ist sein tatkräftiger
unermüdlicher Erster Generalstabsoffizier. Angriffsfrohe
Divisionen, Preußen, Bayern, Württemberger, folgen den
bewährten Generalen v. Stein und v. Berrer, brave
österreichische Divisionen ihren Generalen v. Krauß und
über die schneebedeckten Gipfel der Julischen Alpen.
Im Becken von Krainburg und
nördlich der Karawanken waren die Angriffsgruppen der XIV. Armee
versammelt worden. Dort wurde die Ausrüstung für den
Winterkrieg im Hochgebirge der Alpen vollendet. In angestrengter
Arbeit wurden dort die Angriffsvorbereitungen für den gewaltigen
Durchbruch betrieben, der die italienischen Gebirgsstellungen
zwischen Flitsch und Tolmein treffen und brechen sollte. In den
engen Räumen der Becken von Flitsch und Tolmein mußte die
versammelte Armee zum Angriff aufmarschieren. In diese Becken
mußte die Armee vorgeschleust werden. Auf etwa 60 km langen,
schmalen Paßstraßen mit großen Steigungen galt es, teilweise
eine ganze Anzahl Divisionen hintereinander und je etwa die
Hälfte der Angriffsartillerie und Minenwerfergruppen angesichts
der beherrschenden, weiten Überblick gewährenden feindlichen
Stellungen vorzudrücken. Trotz schlechtem, ungünstigem Wetter
vollzog sich der Durchmarsch ohne Stocken und ohne Reibung.
Ungeheuere Arbeit wurde hier geleistet, nach mustergültiger,
planvoller Vorarbeit.
In der elften Isonzoschlacht hatte Cadorna seine Hauptkräfte von
Tolmein bis zur Adria zusammengezogen, während die übrige lange
Gebirgsfront nur mit schwächern Kräften besetzt blieb. Die
österreichisch-ungarische Verteidigungslinie führte von Selo im
Tolmeiner Becken über Log östlich Mesnjak, von dort nach Süden
über den Monte S. Gabriele, die Wippach-Höhen östlich Görz
zum Meere! Nun sollte der Feind aus diesem für eine Defensive
ungünstigen Karst-Gebiet hinausgeworfen und zunächst bis hinter
den Tagliamento zurückgeschlagen werden. Für diese Operationen
wurde im Anschluß an den Südflügel der Heeresgruppe Conrad in
Gegend des Rombon-Gebietes die aus deutschen und
österreichisch-ungarischen Divisionen gebildete XIV. Armee Below
in Linie Flitsch - Tolmein bereitgestellt. Der Nordflügel der
anschließenden Isonzo-Armee (Heeresgruppe Boroevic) hatte sich
dem Angriff mit starkem rechten Flügel südlich Selo
anzuschließen, während Mitte und Südflügel bei und südlich
Görz den Gegner durch Frontalangriff festhalten sollte. So
standen in den Tagen vor dem Angriff bereit: der Nordflügel der
Armee Below (die österreichisch-ungarische, durch deutsche
Verbände verstärkte Gruppe Krauß) im Gelände des Rombon und
südöstlich die Stoßfront der Armee mit Gruppe Stein im Gebiet
des Krn und um Tolmein, mit Gruppe Berrer an Straße
Bischoflack-St. Lucia; mit Gruppe Scotti nördlich Tribusa
schloß sich der rechte Flügel der Isonzo-Armee an.
Das Kampfgebiet der XIV. Armee lag
in dem von den Flußläufen des Tagliamento und Isonzo bestimmten
Gelände der Julischen Alpen. In kühn emporstrebenden
Gipfelformen fällt das Gebirge vom 2863 m hohen Triglav in
Stufen hinab zu der etwa 100 m hoch gelegenen Ebene von Cividale.
Weithin beherrscht der Blick von den über 1000 m hohen
Randbergen die Ebene. Kein Mittelgebirge mildert den Übergang
von der Alpenwelt zur Tiefebene. Dreimal durchbricht im
östlichen Teile dieses Gebietes der Isonzo die Kampfzone. Nach
seiner Vereinigung mit der Koritnica im Becken von glitsch
strömt er mit raschem Gefälle in engem Tal gegen Karfreit. Nur
vorübergehend verbreitert der Zufluß der Idria das Flußbett,
das sich im Gelände von Tolmein wieder eng zusammenpreßt.
Östlich des Isonzo beherrscht das schroffe Krn-Massiv, dessen
Hänge in nur 2 km Luftlinie von 2245 m Höhe zu einer Talsohle
von 180 m Höhenlage herabstürzen, das Kampfgelände. Im
Nordflügel des Angriffsfeldes erheben sich die wilden, kahlen
Felswände des Canin bis zu 2600 m Höhe und bis zu 2300 m
absoluter Höhe über dem Ort Saga. Ein Angriff vom Flitscher
Becken aus muß zunächst den Talweg bis Saga durchstoßen. Erst
dort öffnet sich der Ausgang nach Westen. Weiter südlich bilden
die Felsblöcke des Stol-Rückens, des Mt. Mia, Mt. Matajur und
Mt. Maggiore den Schauplatz der Angriffe. Weithin beherrscht der
Mt. Matajur das Tal von Karfreit. Ein Angriff auf die
Matajur-Stellung kann nur über die von Tolmein führende
Landbrücke des Kolovrat-Rückens durchgeführt werden. Die
Bereitstellung der Armee Below in den beiden engen Räumen des
Flitscher Beckens und des Brückenkopfes von Tolmein hatte den
Nachteil räumlicher Trennung durch die auf dem östlichen
Isonzo-Ufer vom Südwesthange des Javorcek über die Bate-Kuppe
(2014 m) und den Krn (2245 m) in das Gelände westlich Selo
verlaufende Linienführung der italienischen Front, die Basis
für die Angriffsdurchführung - die anzustrebende, beide Gruppen
verbindende Talstraße Flitsch Saga Karfreit -
Tolmein - mußte deshalb in Angriff genommen werden. Die
strategische Ausnutzung dieser Verbindungstalstraße forderte als
erstes, in ununterbrochenem, Tag und Nacht fortzusetzenden
Vorstoß zu erreichendes Angriffsziel die Linie Canin - Punta di
Mt. Maggiore - Mt. Mia - Mt. Matajur - Mt. San Martino - Mt. Hum
und Tribil-Höhen von Costanjevica. Von dieser Höhenlinie aus
sollte dann der allgemeine Angriff weiterstoßen bis zur Linie
Gemona - Tarcento - Cividale. Die Erfahrungen der Karpathen-,
Vogesen- und Alpenkämpfe wiesen der Angriffstaktik den Weg:
schneller Vorstoß in unaufhaltsamem Angriff über die
verbindenden Landbrücken von Höhe zu Höhe, Ausnutzung der
Talstraßen zum Nachführen der Artilleriereserven und des
Nachschubes, Aufmeißeln beherrschender Höhenstellungen durch
umfassenden Angriff in Flanke und Rücken und durch Umgehung,
gegenseitige Unterstützung der Frontal- und Umfassungsgruppen.
Unter diesen Gesichtspunkten wurden
zum Angriff und zum gleichzeitigen Durchbruch an mehreren Stellen
angesetzt: Gruppe Krauß als rechter Flügel der XIV. Armee über
Saga gegen den Stol-Rücken, - eine starke linke Kolonne sollte
nach Wegnahme des Vrsik mit Stoßrichtung Ravna - Karfreit das
Becken von Karfreit öffnen und den Stol-Rücken von Osten
aufrollen - Gruppe Stein wurde gegen den Mt. Matajur angesetzt.
Die Einnahme dieses Blockes öffnete das Becken von Karfreit von
Südosten und unterstützte so die gleichzeitige, demselben Zweck
dienende Operation der Gruppe Krauß. Die Gruppe Berrer wurde
gegen den Mt. Hum und zum gleichzeitigen Vorstoß über Drenchia
gegen den San Martino im Anschluß an Gruppe Stein angesetzt. Die
Gruppe Scotti erhielt den Auftrag, der Isonzo-Armee das
Überschreiten des Isonzo zu erleichtern mit dem Angriffsziel
Globocak-Costanjevica. Mitte Oktober waren die
Angriffsvorbereitungen soweit vorgeschritten, daß der allgemeine
Angriff für den Beginn der dritten Oktoberwoche befohlen werden
konnte. Bis in kleinste Einzelheiten war der Plan festgelegt.
Nach einem Gasschießen von 2 bis 6 Uhr vormittags sollte bei
Tagesanbruch die allgemeine Feuereröffnung erfolgen. Nach kurzer
höchster Feuersteigerung sollte der Einbruch in die Stellungen
auf der ganzen Frontlinie Flitsch-Selo stattfinden. Ungünstiges
Wetter verzögerte den Angriff um wenige Tage. Am Abend des 23.
Oktober erteilte General v. Below sollenden Befehl:
"Der Angriff findet am 24. Oktober statt. Allgemeine
Feuereröffnung 6 Uhr 30 Minuten vormittags. Der Oberbefehlshaber
von Below."
Diese knappen Worte sind klassisch
und bleiben ein Musterbeispiel deutscher Generalstabsarbeit.
Diese zwei Sätze bezeichnen den Abschluß einer Riesenarbeit an
Gedanken, Plänen, strategischen und technischen Vorbereitungen.
Sie bezeichnen den Beginn des Stoßes, der Italiens II. Armee zu
Boden schmetterte. Weltgeschichte von ungeheurer Tragweite liegt
in diesen kurzen Worten, Weltgeschichte, erzwungen von deutschen
und österreichisch-ungarischen Waffen. Am 24. Oktober beginnt
der Angriff. Wenige Stunden später wankt die ins Herz getroffene
II. italienische Armee und fällt in Trümmer.
II.
In starken, uneinnehmbar, ja
unangreifbar scheinenden Bergstellungen der Julischen Alpen
erwartete die italienische II. Armee des Generalleutnants Capello
den Vorstoß der Deutschen und Österreich-Ungarn. Die
Vorbereitungen zum Angriff, das Durchschleusen der Divisionen auf
engen, weithin einzusehenden Talstraßen, die
Angriffsgruppierungen konnten nicht verborgen bleiben.
Unerklärlich bleibt aber die geringe Gegenwirkung des Feindes
während der letzten Tage vor dem Angriff. Im Gebiete vom Rombon
bis zum Krn sperrte das italienische IV. Korps (Divisionen 50,
43, 46) die Talstraße auf Saga und das Becken von Karfreit.
Kräfte des XXVII. Korps konnten aus Linie Kolovrat-Rücken -
Gegend Auzza - Canale das Becken von Tolmein unter Feuer halten.
Den schmalen Frontabschnitt der Hochfläche von
Bainsizza-Heiligengeist verteidigten die Divisionen 25, 60 und 30
des XXIV. Korps in starken Stellungen.
Nördlich des Monte San Gabriele schloß sich mit den Divisionen
23, 53 und 8 das II. Korps an. Bei und nördlich von Görz stand
als Südflügel der II. Armee im Anschluß an die III. Armee des
Herzogs von Aosta das VI. Korps mit den Divisionen 68, 24 und 48.
Nicht weniger als 56 Brigaden und 4 Alpinigruppen, insgesamt wohl
350 Bataillone der II. Armee sollten den Anprall aufhalten und
abschlagen.
Cadorna war zuversichtlich und meldete: "Der Gegner hat
unter starker Mitwirkung von deutschen Truppen und Kriegsmitteln
ansehnliche Kräfte an unserer Front für eine Offensive
versammelt. Der feindliche Stoß findet uns fest und gut
vorbereitet." Am 24. Oktober entfesselte General v. Belows
Armeebefehl eiserne Hammerschläge. Deutsche und
österreichisch-ungarische Stoßdivisionen dringen
unwiderstehlich gegen die italienische Front. Ein gewaltiger
Druck erschüttert den Gebirgswall. Ganze Stellungssysteme
wanken. Weite Abschnitte geben nach und werden durchstoßen. Der
Durchbruch ist nicht aufzuhalten. In tiefe, klaffende Lücken
dringen Stoßtruppen frontal, flankierend, umfassend und
aufrollend durch die gigantische Alpenstellung. In zweieinhalb
Tagen wird zweieinhalbjährige Arbeit in Stücke zertrümmert.
Ohne Beispiel in der Kriegsgeschichte ist der Gedanke, der diesen
Durchbruchsplan ersann, ohne Beispiel die Entschlossenheit der
Führung und der sieghafte Angriffsgeist der Truppe. Infanterie
stürmt Alpengipfel.
Vergessen sind endlose Märsche auf
nassen Straßen, vergessen kalte Nächte bei strömendem Regen
unter freiem Himmel. Truppen, die das Hochgebirge nicht kennen,
wetteifern mit gebirgserfahrenen Divisionen: General v.Below
fordert die Höchstleistung der XIV. Armee: den Durchbruch des
ganzen Stellungsnetzes im ersten Anlauf über die Berge der
Alpen. Um 2 Uhr nachts am 24. Oktober beginnt ein vernichtendes
Gasschießen gegen die feindlichen Batterieräume. Mit
Tageslicht, gegen 6 Uhr 30 Minuten vormittags, setzt ein
verheerendes Wirkungsschießen der Artillerie und
Minenwerfergruppen ein. Muster-gültige Vorarbeiten für den
Artillerieaufmarsch, für das Einschießen und das Wirkungsfeuer
kommen zur Geltung und bahnen der Infanterie die Straßen zum
Angriff. Über alles Lob erhaben sind diese Vorbereitungen des
Generals v. Berendt. Niemals wird die Infanterie der
Schwesterwaffe diese Tat vergessen. Mit der Artillerie wetteifern
die Minenwerfer. Nach rastloser Erkundungs- und
Vorbereitungsarbeit (unter Leitung des Majors v. Roessing)
schlagen deutsche Minen breite Straßen in die Hindernisse und
zerschmettern ganze Stellungen. Zwei je 200 m breite Gassen durch
das Hindernis verlangt allein bei Flitsch eine Angriffsdivision.
Trotz starken Nebels werden diese Bahnen in kürzester Zeit
geschaffen. Entsetzen herrscht drüben in den Gräben, und
grauenhaft ballen sich die Klumpen zusammen unter stürzenden
Trümmern. Um 8 Uhr vormittags tritt zwischen Tolmein und Flitsch
die Infanterie zum Angriff an. Bereits 2 Uhr nachmittags hat die
Gruppe Krauß auf dem rechten Armeeflügel die Stellungen am
Rombon gestürmt. In tapferm Anlauf stürmt
österreichisch-ungarische Infanterie vom rechten Flügel der
Gruppe Stein Stellungen in Linie Krn-Westhang des Mrzli.
Inzwischen dringt die deutsche Division Lequis aus der Talstraße
von Tolmein ungestüm vorwärts. Rechts und links hält zwar der
Feind beherrschende Höhenstellungen. Aber Nebelschwaden hindern
die Fernsicht und den Blick in das Tal. Der Italiener ahnt nicht,
daß tief unten deutsche Infanterie durchstößt auf Karfreit,
daß bereits 1 Uhr nachmittags Kamno, bald nach 2 Uhr Idersko am
Isonzo erreicht ist. Die Grundlinie des ganzen Bergsystems vom
Krn zum Kolovrat wird eingerissen durch den kühnen Talmarsch der
Division Lequis. Der linke Flügel der Gruppe Stein greift nach
Überrennung der vordersten Talstellung südwestlich Tolmein
zusammen mit der Gruppe Berrer die feindliche Hauptstellung auf
dem Kolovrat-Rücken an. Stürmende Infanterie klettert von der
160 m hohen Talsohle im feindlichen Feuer die steilen Hänge bis
über 1000 m empor. Die Gipfel des Kolovrat bilden in dem stark
befestigten Stellungsknoten bei Höhe 1114 den Schlüsselpunkt
dieses ganzen Systems. Bereits am Nachmittag kann der Sturm gegen
Punkt 1114 und das benachbarte Massiv des Haefnik angesetzt
werden. Weiter südlich bricht die Stellung des Jeza-Blockes im
Angriff der Gruppe Berrer zusammen. Unablässig drückt der
Südflügel der Armee (Gruppe Scotti) über den Hrad Vrh gegen
die Kette des Globocak vor. Eiserne Meißel hat General v. Below
angesetzt gegen die Felsblöcke der Julischen Alpen.
Teutonenkräfte bohren und schlagen, Löcher werden zu klaffenden
Lücken. Wie eine eherne Maschine arbeitet die Armee an den
Granitwällen der Berge, frißt sich tief hinein durch Hindernis
und Beton. Sie arbeitet genau nach Überlegung und Plan.
"Der Angriff findet am 24.
Oktober statt." So lautet der Armeebefehl vom Tage zuvor.
Der Abend des 24. Oktobers ist angebrochen. Das Flitscher Becken
bis dicht östlich Saga ist geöffnet. Die Südhänge des Krn
sind gestürmt. Karfreit im Isonzo-Tal, die Höhenstellungen
westlich und südwestlich Tolmein sind genommen. Kein Zusatz,
keine Änderung zum Armeebefehl wird gegeben. Der Angriff geht
weiter! Tag und Nacht!
III.
Der Angriff der Armee Below ging
weiter - Tag und Nacht. Warum ermattete der italienische
Widerstand in gigantischen Alpenfestungen? Warum ergaben sich
ganze Brigaden? Warum fluteten Divisionen in wilder Auslösung
durch das Gebirge? "Hindenburg ist drüben bei euch!"
so sagten kleinlaut die Gefangenen. Die Erinnerung an die Cimbern
und Teutonen lähmte in Schreckensstarre den Italiener.
Germanische Urkraft zerschmetterte römische Legionen.
Der 25. Oktober erweiterte die Ziele der XIV. Armee. Westlich und
südwestlich Saga kämpften die k. u. k. Truppen und deutschen
Jäger um die Höhen des Skutnik und Stol. Der schroffe Gipfel
des Stol wurde in tapferem Anlauf von einer k. u. k.
Schützendivision erstürmt. Aus dieser Linie sollte sich die
Gruppe Krauß mit Teilen gegen Resiutta entfalten, mit den
Hauptkräften über die Rücken des Monte Maggiore und Monte le
Zuffine vorstoßen. Das Vorgehen auf Resiutta sicherte die Flanke
der XIV. Armee und sollte den Verstoß des Südflügels der im
Rombon-Gebiet sich anschließenden österreichischen X. Armee
vorbereiten. So wurde die schnelle Erstürmung des Stol-Rückens
und der sichere Besitz des Geländes bis zur Pta di Monte
Maggiore von strategischer Bedeutung. Dort lag der feste Punkt
für die Durchführung des Angriffs gegen das weitere Ziel des
Fella-Abschnittes Pontebba-Gemona. Auf der Talstraße über
Karfreit vorstoßende Divisionen sperrten seit Tagesanbruch das
Natisone-Tal bei Robic und entwickelten sich mit Teilen gegen den
Matajur-Rücken, den beherrschenden Stützpunkt aller
rückwärtigen italienischen Stellungen. Schlesier erkletterten
die steilen Hänge. Vor 23 Stunden hatten sie noch 16 km
rückwärts tief unten im Tal um die vordersten feindlichen
Gräben gekämpft. Jetzt stürmte 7 Uhr 30 Minuten vormittags die
4. Kompanie des Regiments 63 unter Leutnant Schnieber die
Felsgipfel des 1641 m hohen Matajur. Der kühne Sturmangriff
brachte dieses ganze Stellungssystem zu Fall. Kaiserlichen Dank
spendete der Oberste Kriegsherr für diese prächtige Tat: den
jungen Offizier schmückt der Orden Pour le mérite. Die ganze 4.
Kompanie trägt das Band des Eisernen Kreuzes.
Inzwischen stürmte ein deutsches Korps nach heftigen Kämpfen
den stark befestigten Punkt 1114. Ein herrlicher Angriff dieser
ausgezeichneten Truppe über den breiten Rücken des Kolovrat
rollte die ganze Stellung bis zum Gipfel des Kuk auf. Im kühnen
Anlauf nahmen andere Divisionen die mächtigen Stellungen des
Jeza-Blockes.
Schnelle Gewinnung der
Gebirgsausgänge in Richtung Cividale - das war ihr Angriffsziel.
Auf dem Wege dorthin mußte das Gebiet des Monte San Martino und
Monte Hum genommen werden. Die schnelle Ausräumung der
feindlichen ersten, zweiten und dritten Stellung, sowie die
Säuberung des ganzen Kolovrat-Rückens waren nur Vorbedingungen
und Teilaufgaben dieses Angriffs mit weitem Ziel. Die Wegnahme
des Jeza-Blockes öffnete nun die erste und zweite Stellung,
während der Sturmangriff auf den wichtigen Stellungsknoten der
Höhe 1114 die dritte Stellung und die ganze Kvlovrat-Stellung
aufräumte. Auf dem linken Armeeflügel wurden die starken
Höhenstellungen des Globocak genommen.
Der Erfolg im Gebirgskriege gründete sich auf das
Zusammenarbeiten der einzelnen Stoßgruppen, auf die
Wechselwirkung ihrer Teilaufgaben, auf die Ausstrahlung der
Teilerfolge auf die Nachbargruppen. Die Angriffsdurchführung des
25. Oktober ist vorbildlich für den taktischen Angriff im
Hochgebirge. In glänzender Waffentreue drängten Deutsche,
Österreicher und Ungarn weiter in zäher Verfolgung ihrer
Angriffsziele. Unaufhaltsam blieb die Wucht des Stoßes,
unaufhaltsam eilte das Schicksal der Niederlage dahin über die
ganze Front der II. italienischen Armee. Von Stunde zu Stunde
wuchsen die Zahlen der Gefangenen und an Beute. Bereits 23000
Mann mit 700 Offizieren und 200 Geschützen waren in unsere
Hände gefallen. Aber nicht diese Zahlen deuten den Erfolg der
beiden ersten Angriffstage. Die überstürzte Aufgabe fast
unangreifbarer Gebirgsstellungen, der schnelle Einsturz ganzer
Verteidigungssysteme, die beginnende Auslösung der italienischen
Front: das war der Erfolg des 25. Oktober. Der fechtenden Truppe
gebührt der unvergängliche Ruhm der Tat, ohne Beispiel aber ist
der Plan und das Wagnis zur Tat!
Der folgende Tag erweiterte den
Geländegewinn auf der ganzen Angriffslinie. An der Straße Uccea
- Resiutta wurde von der Gruppe Krauß der Mrzli Vrh genommen.
Weiter südlich wurde in unaufhaltsamem Vorstoß die ungefähre
Linie Südwesthang des Stol-Nordwesthang des Monte Mia und der
Monte Hum erreicht. Im Natisone-Tal, südlich Stupizza,
entfalteten sich Teile zum Angriff gegen den Monte Juanez,
während andere die Gegend von Savogna erreichten. Die inneren
Flügel der nebeneinander kämpfenden Gruppen hatten von nun ab
die gemeinsame Aufgabe der Wegnahme des Höhenmassivs am Monte
Juanez; nach Öffnung dieser Hochfläche war dann der Vorstoß
des rechten Flügels der Gruppen Krauß auf Gemona, des linken
Flügels der Nachbargruppe von Savogna über den Monte Madlessena
durchzuführen. Stündlich wuchsen die Angriffserfolge. Die
Gesamtbeute hatte sich bereits auf das Doppelte erhöht und
betrug etwa 1000 Offiziere, 42000 Mann und 375 Geschütze.
Überall brach der Widerstand zusammen. Die Kraft der II.
italienischen Armee war vernichtet, nur Trümmer versuchten hier
und dort verzweifelte Gegenwehr.
Vergeblich bemühte sich Cadorna, durch eiligst herangezogene,
aber unzulängliche Verstärkungen das Schicksal der Niederlage
zu wenden. Ganze Truppenteile vertilgte der Angriff der XIV.
Armee. Die Brigaden Foggia, Pescara, Roma, Friuli, Genova, Etna,
Caltanissetta, Alessandria, Taro, Spezia, Napoli, Elba, Puglie,
Ravenna, Verona, Selo und Belluno sowie zehn Alpinigruppen
verschwanden aus der Kriegsgliederung der II. Armee und wanderten
- ganz oder größtenteils - gefangen über die Julischen Alpen
nach Osten.
Tiefer und tiefer bohrte sich der
von der Grundlinie Flitsch - Tolmein arbeitende eiserne Keil
durch das Gebirge. Die Linie Canin - Pta di Monte Maggiore -
Monte Juanez - Gegend Azzida - Monte San Giovanni - Costanjevica
wurde durchbrochen. Alle Sturmgruppen wetteiferten im Lauf nach
den Ausgängen des Gebirges. Die Ebene bei Cividale war das
nächste Ziel. Die über die Rücken des Monte Hum und Monte San
Maria vorstoßende Gruppe öffnete sich bei Azzida den Austritt
in das Talbecken östlich Cividale. Der Angriff wurde
unterstützt durch den Vorstoß der nördlichen Nachbargruppe
gegen die Höhen des Monte Craguenza und im Süden durch den
Angriff deutscher Truppen gegen das Castell de Monte. Wieder
erzwang das Zusammenarbeiten der einzelnen Gruppen den Erfolg. Am
Abend des 27. Oktober dringt eine Division in Cividale ein. Am
folgenden Tage fällt der tapfere General v. Berrer, der im
Tatendrang im Kraftwagen seiner Infanterie voraus in den Feind
hineinfuhr.
Das Gebirge ist durchstoßen, die Tiefebene ist erreicht,
Trümmer der II. Armee eilen in kopfloser Flucht gegen den
Tagliamento. Unhaltbar wird nun auch die Lage der III. Armee. Sie
räumt die Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist, den mit
ungeheuren Blutopfern erkauften Monte Santo und die Stadt Görz.
Der weichenden Armee folgt die Heeresgruppe Boroevic auf dem
Fuße; aus den Julischen Alpen ergießt sich die Armee Below in
die Ebene gegen die Linie Gemona - Tarcento - Udine. Mochten
100000 oder 150000 Gefangene, mochten 1000 Geschütze oder mehr
in unsere Hände fallen: nicht Riesenzahlen kennzeichnen die
Bedeutung dieses Siegel Ein strategischer Durchbruch von
unerhörter Kühnheit durch stärkste Alpenstellungen, ein
strategischer Zusammenbruch des Feindes von unbeschreiblichem
Umfang, die Zerstörung der ganzen Grundlage eines
zweieinhalbjährigen italienischen Offensivkrieges - das ist der
Sieg der Armee Below.
"Das Fehlen des Widerstandes
eines Teiles der II. Armee, die sich in verbrecherischer Weise
oder schimpflich dem Feinde übergab, hat den
österreichisch-deutschen Kräften erlaubt, den linken Flügel
der italienischen Front zu durchbrechen. Die verdienstvollen
Anstrengungen der anderen Truppen vermochten nicht zu verhindern,
daß der Feind auf unsern heiligen Boden eingedrungen
ist...." Diesen schmachvollen Vorwurf der Feigheit und des
Verrats schleuderte Cadorna am 28. Oktober gegen dieselbe Armee,
die ihre Vorbereitungen zur zwölften Isonzoschlacht, zum
Siegeszug nach Triest traf, als der tödliche Stoß der Armee
Below sie zerschmetterte. In Schimpf, Schande und Schmach endete
die II. italienische Armee - endete der Siegestraum des
Verräters am Dreibund.
(Mit
freundlicher Genehmigung von Ilija Hallmann -
http://www.stahlgewitter.com)
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