Als
Italien den Krieg
erklärte, standen Zwei
Drittel der italienischen
Armee an der
österreichischen Grenze.
Vom Ortler über das
Etschtal, die Sieben
Gemeinden, die
Dolomitenpässe bis hin
zu den Pässen und
Tallinien der Karnischen
und Julischen Alpen
schienen die Italiener
auf kaum besetzte Grenzen
zu stoßen. Der
Durchmarsch bis Wien und
das Diktat eines
mitteleuropäischen
Friedens durch das
siegreiche Italien
schienen in greifbare
Nähe gerückt. Wer
weiß, welche auch aus
heutiger Sicht
schmerzhaften
Gebietsopfer über die
Abtrennung Südtirols
hinaus ein solcher
italienischer Durchbruch
für Österreich gebracht
hätte.
Die
Luftlinie der
österreichischen Grenze
vom Stilfser Joch bis zu
den Julischen Alpen
betrug 600 km. An dieser
Grenze standen im Mai
1915 in Tirol nur einige
Landsturm- und
Marschbataillone sowie
die Festungsbesatzungen
zur Verfügung. Allein an
der 100 Kilometer langen
Dolomitenfront
marschierten aber 160.000
Mann Italiener auf, die
unter Generalleutnant
Nava die 4. Arme
bildeten.
Insgesamt
standen in Tirol 21
improvisierte, kaum
ausgebildete Heeres- und
Landsturmbataillonen die
gesamte 1. Und 4.
Italienische Armee mit
etwa 180 Bataillonen
gegenüber.
In
Kärnten standen die
Dinge nicht viel besser.
Der offenen und
entblößten Grenze
gegenüber marschierten
die 2. und 3.
Italienische Armee sowie
das 12. Korps, noch
verstärkt durch 16
Alpinibaone, zum Angriff
auf. Demgegenüber hatte
General Goiginger nur 12
Bataillone zur
Verfügung. Die Einnahme
Trients und Bozens, der
Durchstoß in das
Pustertal, der Einbruch
über den Plöcken und
Naßfeld nach Kärnten
und der Vormarsch bis
Wien hätten nach
menschlichen Ermessen
ohne Schwierigkeiten
gelingen müssen, wenn
nicht zwei Dinge
geschehen wären:Der
italienische
Oberbefehlshaber Graf
Cardorna überschätzte
Zustand und Stärke der
österreichischen
Festungen maßlos. Statt
an bestimmten Punkten
seine Kräfte zu
massieren und diese in
energischen Stoß in das
österreichische
Hinterland zu führen,
zögerte Cadorna in
unbegreiflicher Weise mit
dem Ansätzen punktueller
Großangriffe und
begnügte sich zunächst
damit, alle seine Kräfte
in die Ausgangsstellungen
entlang der
österreichischen Linien
heranzuführen und durch
nachrückenden Ersatz und
durch Artillerie zu
verstärken. Dann begann
Cadorna, die von ihm so
gefürchteten
österreichischen
Festungen tagelang
sturmreif zu schießen.
(Standschütze
Senn vom Bataillon Meran
I)
Das
zweite Ereignis, das
gerade wegen der
Zaghaftigkeit des
italienischen
militärischen Führers
einen raschen
italienischen Erfolg
verhinderte, war das
Auftreten freiwilliger
Formationen, die dann
Cadorna das Tor
schlossen, durch welches
er bis nach Wien zu
gelangen gedachte.
Buchstäblich wie aus dem
Nichts tauchten in Tirol
40.000 zusätzliche
Landesverteidiger auf.
Innerhalb von nur drei
Tagen stellten Tirol und
Vorarlberg ein gesamtes
zusätzliches Armeekorps
an die Grenze, bestehend
aus blutjungen oder alten
Männern, deren Alter
außerhalb der
Wehrpflicht lag.
Inzwischen
hatten sich die
Standschützen formiert
und setzten sich in ihre
Einsatzräume in Marsch.
Gliederung wie folgt:
I.
Rayon Ortler:
Bataillon Schlanders und
die Kompanie Prad,
Stilfs, Taufers.
II.
Rayon Tonale:
Bataillon Bludenz, Cles,
Innsbruck, Male und
Ulten.
III.
Rayon Südtirol:
Abschnitt A Judikarien,
Bataillon Klausen,
Kompanie Kaltem I und
Welschtiroler Schützen.
Abschnitt B Riva,
Bataillone Bozen, Lana,
Sarntal, Welschtiroler
Standschützen. Abschnitt
C Etschtal, Bataillone
Brixen, Landeck, Meran
III, Welschtiroler
Standschützen. Abschnitt
D Folgaria, Bataillone
Gries, Kitzbühel, Reute
I, Kufstein, Welscht.
Standschützen. Abschnitt
E Lavarone, Sterzing,
Schwaz, Welscht.
Standschützen. Abschnitt
F Valsugana, Bataillone
Meran II, Zillertal,
Reute II.
IV.
Rayon Fleimstal:
Bataillone Auer,
Feldkirch, Rankweil,
Dornbirn, Nauders,
Kastelruth, Welschnofen,
Bregenz, Gröden,
Welschtiroler
Standschützen.
V.
Rayon Pustertal:
Bataillone Enneberg,
Bruneck, Innsbruck I und
II, Passeier, Imst,
Sillian, Silz, Welsberg.
Insgesamt
bestand das
Standschützenaufgebot
aus 180 Offizieren, 779
Unteroffizieren und
15.625 Schützen.
Gesamtstärke der
Standschützen bei
Kriegsausbruch: 16.584
Mann. Enneberg und
Bruneck stellten allein
940 Offiziere und
Mannschaften. Nach den
Einsätzen im Osten
standen im Frühjahr 1915
für die
Landesverteidigung 20
Offiziere, 102
Unteroffiziere und 510
Mann zur Verfügung. Der
Bürgermeister und
Eigentümer des Hotels
Post" (Franz
Kostner) in Corvara
übernahm als gewählter
Schützenmajor das
Kommando der
Standschützen aus
Enneberg und Bruneck.
Als
die ersten italienischen
Patrouillen gegen die
österreichischen
Stellungen vorfühlten,
schlug ihnen von Gipfeln
und Graten ein gut
gezieltes
Scharfschützenfeuer
entgegen. Diese
Verteidiger waren die
Standschützen, über die
das Generalstabswerk
"La Conquista del
Col di Lana"
vermerkt:
"Die
Standschützen setzten
sich aus Freiwilligen von
Tirol und Vorarlberg
zusammen. Lang nicht alle
waren militärisch
ausgebildet. Die meisten
waren überhaupt zu jung
oder viel zu alt dazu,
doch sie erwiesen sich
für die Verteidigung
ihres Landes sehr
wertvoll. Diese rauhen
Jäger und unermüdlichen
Gebirgler hingen mit
seltener Liebe an ihren
Bergen, mit denen und
ihrem alten Kaiser sie
von Jugend auf verwachsen
waren. Sie wurden gleich
unsere erbittersten
Feinde".
Die
Standschützen traten
dann auf der Hochfläche
von Folgaria-Lavarone
noch freiwillige
Schützen aus
Oberösterreich zur
Seite, hauptsächlich
Jugendliche im Alter
unter 18 Jahren.
In
Kärnten geschah wie in
Tirol ein Wunder. Ein
Wunder der Heimatliebe
und des Opfermutes.
12.000
freiwillige Schützen
tauchten auf
gespenstische Weise auf
und besetzten die Gipfel,
Grate und Hangstellungen
der Karnischen und
Julischen Alpen. Schüler
und Studenten aus der
Steiermark, Bauernbuben,
Lehrlinge und
Gymnasiasten aus Salzburg
stiegen, unter der Last
ihrer Rüstungen fast
zusammenbrechend, in die
Höhenstellungen und
wehrten dem Feind das
Eindringen in das Land.
Von ihnen waren aber
allein 8.422 Kämpfer aus
Kärnten, die mit ihren
Leibern die engere Heimat
deckten.
Den
Buben und den alten
Männern in Tirol kam als
erste Hilfe das Deutsche
Alpenkorps zur
Unterstützung
herangeeilt, ausgestattet
mit Kampferfahrung,
vortrefflicher Disziplin
und hervorragender
Gebirgsartillerie. Dann
kamen österreichische
Truppen des Feldheeres.
Wochenlang aber lag die
Last der Verteidigung
allein auf den Schultern
von Knaben und Greisen,
die zum Teil von
Mädchen, Kindern und
Bauersfrauen aus dem Tale
in ihre Höhenstellungen
versorgt wurden.
|
Bergführer
im Einsatz am Ortler
|
Soldat
einer Bergführerkompanie
1918
|
Wie
aus dem Nichts kamen
40.000 Freiwillige:
Am
Nachmittag des 18. Mai
drang die Kunde von dem
kaiserlichen Alarmbefehl
hinaus zu allen
Abschnitts- und
Unterabschnittskommandos.
Diese verständigten
durch den Draht die
Führer der
Standschützen-Bataillone,
diese wieder ihre
Kompanien, die Kompanien
ihre Zugskommandanten.
Das schwierigste war nun
die Verständigung der
einzelnen Schützen, der
40.000 Mann, die
zerstreut im ganzen
Lande, in Städten,
Märkten, Dörfern,
Weilern, einzelnen
Gehöften, in
weltabgeschiedenen
Tälern, auf schwer
zugänglichen Berghängen
und auf Jochen hausten.
Leicht war es in den
geschlossenen
Ortschaften, die Leute
zusammenzutrommeln.
Fuhrwerke, Reiter,
Radfahrer jagten nach
einem genau vorgesehenen
Plan von Dorf zu Dorf,
Boten mit Laufzetteln
gingen von Haus zu Haus,
ganz wie zu Hofers Zeit,
durch die Dorfgassen
schmetterten die Hörner
das Alarmsignal.
Schwerer war es schon,
die weitentlegenen,
zerstreuten Gemeinden in
den Hochtälern zu
verständigen. Da gellten
dann die Kirchenglocken,
Sturm läutend von Turm
zu Turm, Böllerschüsse
dröhnten durch stille
Täler, die Schützen der
einsamen Höfe zu den
Waffen rufend. Und die
den Ruf der Glocken, das
Dröhnen der Böller
nicht hörten, die sahen
bei einbrechender
Abenddämmerung des 18.
Mai 1915 das Glühen der
Höhenfeuer, die das
verabredete Signal für
den Tiroler Heerbann
waren.
Die
Tiroler und Vorarlberger
Standschützen:
In
den denkwürdigen
Maitagen in der Woche vor
Pfingsten des Jahres 1915
formierten sich:
39 Deutschtiroler
Standschützen-Bataillone
(einschließlich der
gemischt-deutsch-ladinischen
Bataillone Enneberg und
Gröden), zwei
selbständige
Deutschtiroler
Standschützen-Kompanien
(Stilfs und Taufers) und
sechs Vorarlberger
Standschützen-Bataillone,
insgesamt somit 47
deutschsprachige
Einheiten; außerdem vier
Welschtiroler
Standschützen-Bataillone
(Cavalese, Cles, Cusiano,
Male) und 41 (mehr oder
weniger selbständige)
Welschtiroler
Standschützen-Abteilungen,
-Kompanien bzw.
-Formationen
(einschließlich der
ladinischen Kompanien des
Fassatales Campitello,
Moena und Pozza),
insgesamt also 45
Welschtiroler Einheiten.
Die für Welschtirol
genannte Zahl kann nicht
als völlig gesichert
angesehen werden, da sich
nicht für alle
Formationen belegen
ließ, ob sie beim
Ausbruch des Krieges mit
Italien noch bestanden.
Darüberhinaus
schwanken auch in den
offiziellen Unterlagen -
wie Standesnachweisen,
Befehlsanschriften oder
Dienststempeln - die
Bezeichnungen zwischen
Bataillon",
Kompanie",
Abteilung" und
Formation".
Zudem gehörten einige
Kompanien, wie zum
Beispiel Rabbi und Moena,
zeitweise zu
Standschützen-Bataillonen
(Male, Cavalese),
zeitweise waren sie aber
auch selbständig.
Bereits am
Pfingstsamstag, dem 22.
Mai 1915, dem Tage vor
der Kriegserklärung des
Königreiches Italien an
die
Österreich-Ungarische
Monarchie, rollten nach
der mit der Präzision
eines Uhrwerkes
abgelaufenen
Mobilisierung die ersten
Eisenbahnzüge mit
Standschützen aus
Nordtirol über den
Brenner zur bedrohten
Tiroler Südgrenze, die
zugleich die Reichsgrenze
gegen Italien bildete;
sie wurde dann von den
einzelnen Bataillonen im
Fußmarsch erreicht: in
Anbetracht der Tatsache,
daß es sich bei den
Standschützen nicht um
eine aktive Truppe,
sondern um eine Miliz
handelte, eine
bewundernswerte Leistung.
Weitere Eisenbahnzüge
mit Nordtirolern und
Vorarlbergern trafen in
den darauffolgenden Tagen
ein.
Zurück blieb zunächst
nur das
Standschützen-Bataillon
Zillertal, das vorerst
zur Sicherung des
Alpenhauptkammes
vorgesehen war. Ebenso
wurde das
Standschützen-Bataillon
Lienz zum Schütze der
Osttiroler Grenze in
Reservestellungen
südlich des Drautales
beordert und von dort
erst im September 1915
abgezogen.
Auch
das beiderseits des
Reschen-Passes
beheimatete Bataillon
Nauders-Ried folgte erst
Ende Juni 1915 an die
Front. Die Südtiroler
Formationen hatten zum
Teil schon am Tage nach
der Mobilisierung, am 19.
Mai 1915, die ihnen
zugewiesenen
Bereitstellungsräume
oder Stellungen besetzt,
von wo aus sie bereits
vor Kriegsbeginn kühne
Patrouillengänge
unternahmen.
So lagen die
Standschützen zusammen
mit den zuvor genannten
anderen österreichischen
Truppenteilen auf der
Wacht, um den weit
überlegenen Gegner
abzuwehren, der jedoch
zur Überraschung der
österreichischen
Führung nicht sogleich
zum Angriff ansetzte. Da
die Schützen nur an
wenigen Plätzen
vorbereitete Stellungen
und Unterkünfte
vorfanden, mußten sie
sich diese neben dem
Feldwachendienst,
glücklicherweise jedoch
vom Feinde unbelästigt,
in mühe-Standschützen
auf dem Marsch in die
Stellungen voller Arbeit
schaffen.
Das
letzte Aufgebot
Oberösterreichs!
Als
zu Beginn des Jahres 1915
kaum mehr ein Zweifel
bestand, dass Italien an
der Seite unserer Gegner
in den Krieg eintreten
werde, wurde der
oberösterreichische
Landesschützenverband in
aller Stille von der 0.
Ö. k. k. Statthalterei
aufgefordert, eine
Freiwilligentruppe zu
organisieren.
In Linz rückten unter
dem Jubel der
Bevölkerung gegen 1700
Mann ein. Zugelassen
waren nur
Mindertaugliche, die bei
den vorangegangenen
Musterungen als nicht
geeignet befunden worden
waren, ferner die zu
jungen und die zu alten.
Von den Mittelschulen
strömten die oberen
Klassen vielfach mit
ihren Lehrern herbei;
Lehrlinge, Gehilfen und
Meister verließen ihre
Werkstätten, Knechte und
Bauernsöhne Haus und Hof
und Pflug. Der Älteste
war 68 Jahre, der
Jüngste kaum vierzehn
Jahre alt. Sieben Väter
meldeten sich mit ihren
Söhnen. 31 Brüderpaare,
in einem Falle sogar drei
Brüder."
So steht denn Punkt
halb sechs Uhr früh das
Bataillon marschbereit
zum letzten Male im Hof
der Kaserne. Die Vöglein
zwitschern von alten
Bäumen lustig in den
jungen Tag hinein und
machen uns eine feine
Abschiedsmusik... Schon
schallen helle
Kommandoworte über den
Platz, ein letzter Blick
noch hinauf zu den
Fenstern des stattlichen
Schulhauses, das uns so
lange als Heimstätte
gedient und dann gehts
hinaus durchs Tor im
gleichen Schritt und
Tritt zum Platz hin, wo
das Regiment versammelt
steht... Eine markige
Ansprache des Generals,
einige herzliche
Abschiedsworte seitens
der Stadtvertretung, die
Regimentsmusik spielt
das, Gebet vor der
Schlacht' und dann zieht
die blumen- und
fahnengeschmückte junge
Schar der
oberösterreichischen
Schützen beim Klang des
jedem Österreicher
altheiligen
Radetzkymarsches hinaus
aus der Stadt zum
Bahnhof.
Die Städter schlafen
meist noch und die
Häuser gucken recht
verträumt mit ihren in
der Morgensonne wie
verschlafene Äuglein
blinkenden Fenstern auf
die ausziehenden
Krieger.Nicht einer von
denen, die uns begegnen,
der nicht stehen bliebe,
wenn er uns sieht. Da
hebt sich grüßend eine
Hand, dort schaund Sieg!'
und ein herzliches
Auf Wiedersehen !'. Hier
wird uns mit Fahnen und
Tüchern zugewunken, ein
kleiner Bub am Fenster,
noch im Nachthemdchen,
schwenkt seinen Strumpf.
Dort aber, ganz hinten im
Hauseingang, da steht
eine Frau. Sie winkt
nicht, sie ruft nicht,
sie drückt nur
verstohlen ein Tuch an
die Augen. Aus diesen
Augen aber leuchtet aller
Segen und Segenswunsch
für den Einen und
Einzigen, der dort im
Zuge schreitet.
Die
Schützen aber ziehen
frohgemut daher und
singen begeistert ihren
Schützenmarsch: ,Es lebt
der Schütze froh und
frei!' Vor dem Bahnhof,
da gibt es noch einen
letzten Halt, einen
letzten Abschied. Dann
wird einwaggoniert und
unter brausendem Rufen
und Singen rollt endlich
der lange Zug langsam
hinaus, der ungewissen
Zukunft entgegen. Aus dem
Räderrallen heraus
klingt es noch wie: ,Lieb
Heimatland, ade!'
Ewig wechselnde Bilder,
eines schöner als das
andere, ziehen an uns
vorüber und zeigen uns
die Schönheit des so
schwer bedrohten
Vaterlandes in vollstem
Glänze. Wir fahren dahin
wie in einem Triumphzuge.
Da ist keine Wegkreuzung,
wo nicht kleine Hände
winken, kein Feld, wo
nicht die Schnitter von
ihrer eiligen Arbeit
aufsehen zu uns, kein
Hirt, der nicht seinen
Hut schwenkte oder einen
Jodler herübersendete,
der natürlich bei
unseren Gebirglern sein
vielfältiges Echo
findet. Auch der Himmel
ist uns gnädig. Zwei
schöne Tage und eine
milde, hochromantische
Sommernacht sind uns zur
Fahrt beschieden. Ich
sitze auf einem offenen
Wagen und genieße in
vollen Zügen die
Mondscheinfahrt durch das
enge, wasserdurchtoste
und burgengekrönte Tal,
das wie ein zur
Wirklichkeit gewordenes
Gedicht Eichendorffs
anmutet. Vom Mittag des
zweiten Tages ab nähern
wir uns dem Kampfgebiete.
Die Bewachung der Strecke
wird immer schärfer und
dichter, die ersten
Feldgendarmen tauchen
auf. Schützengräben und
Drahtverhaue sieht man im
Baue, Lastautomobile
aller Art wirbeln den
Staub der Straße auf
oder stehen in endlosen
Reihen wohlgeordnet auf
ihren Sammelplätzen.
Alle Züge, die uns
begegnen, sind leer.
Dafür schafft eine Kette
ohne Ende von mit uns in
gleicher Richtung
laufenden Zügen
Kriegsbedarf aller Art.
Immer herzlicher und
inniger wird der Empfang,
immer heißer auch der
Boden. Am rührendsten
war wohl die schlichte
Art eines Bürgermeisters
hart an der Sprachgrenze,
der unserem Kommandanten
immer und immer wieder
die Hand drückte und
dabei sagte: ,lch bitt
Euch, schützt unser
Landl!'
Kurze
Zeit darauf ist mit einem
Schlage alles still. Die
Häuser sind dem
Anscheine nach leer, kein
freundliches Licht blinkt
uns mehr entgegen. Die
wenigen Leute in
bürgerlicher Kleidung,
die sich noch blicken
lassen, sind stumm und
verschlossen. Keine Hand
regt sich mehr zum Gruß,
nur die Soldaten rufen
uns ein herzliches
,Soldatenglück!' zu. Wir
haben eben die
Sprachgrenze
überschritten. Doch wenn
Menschen schweigen,
müssen Steine reden. Und
sie reden auch eine
deutliche Sprache, diese
himmelansteigenden Berge,
von deren Höhen der
weiße Geisterarm des
Scheinwerfers hingleitet
über Busch und Tal und
uns den stillen
Willkommgruß bietet. Ein
Flieger surrt durch die
Luft und jetzt, halt,
jetzt rollt auch der
erste Geschützdonner in
vielfachem Widerhall
durch die Bergwände. So
fahren wir durch die
schweigende, südlich
sternenhelle Nacht dahin
und langen gegen
Mitternacht endlich im
Bahnhofe Trient ein. Bald
stehen wir in Reih und
Glied auf dem
nachtdunklen
Bahnhofplatz. Wieder
begrüßt uns der
kommandierende General
mit herzlichen Worten.
Weithin schallt seine
Stimme durch die
schwarze, feindliche
Nacht. Dann fällt die
Musik mit dem Kaiserlied
ein und wie ein Schwur
klingt es hinauf zum
nächtlichen Himmel:
.Österreich wird ewig
stehn!'"
Die
oberösterreichischen
Freiwilligen kommen!
Als wir gegen die Straße
kamen, die von Monte
Rover her ins Assatal
führt und jetzt bei
unserer Widerstandslinie
endet, hören wir helle
Stimmen singen. Ein
ergreifendes Bild: der
Himmel zuckt immer wieder
von den Mündungsflammen
italienischer Geschütze,
dumpf rollen die
Abschüsse, aus der
Richtung Rocca alta
dröhnen Einschläge,
bellen Schrappnells, und
hier marschieren junge
Leute durch die Nacht und
singen mit ihren hellen
hohen Stimmen: ,dass sich
unsere alte Kraft
erprobt, wenn der
Schlachtruf uns entgegen
tobt, haltet aus im
Sturmgebraus'!
Wer
ist das? Viele unter
ihnen höchstens sechzehn
oder siebzehn Jahre alt.
Die Rüstung hängt
schwer und übergroß an
ihren schmalen Gestalten,
manchem reicht das Gewehr
bis unter die Knie. Aber
sie marschieren rasch,
taktfest, und von vorne
kommt ein neues Lied,
wird übernommen, braust
mächtig zum sternklaren,
feuerdurchzuckten Himmel
auf:,Stimmt an mit
hellem, hohem Sang,
stimmt an das Lied der
Lieder, des Vaterlandes
Hochgesang das Waldtal
hallt es wider...'
Wer
seid ihr? rufen wir einen
an. ,Oberösterreichische
Jungschützen!' antwortet
eine ganze Doppelreihe,
und es liegt soviel
Stolz, Wagemut und
Entschlossenheit in
diesen Worten, dass es
mich kalt überläuft.
Mein Gott, ahnen denn die
Burschen da, was ihnen
bevorsteht ? Werden ihre
Seelen nicht an der
grausamen Wirklichkeit da
vorne zerbrechen? Das
sind Soldaten, die man
zum Angriff führen
müsste und nicht in den
trostlosen Hexenkessel,
den diese Front
wahrscheinlich in wenigen
Stunden darstellen
wird."
Kärnten:
Ein Land eilt zu den
Waffen!
Der Einsatz der
Kärnter
Selbstverteidigung hat
überhaupt erst den
Ausbau sowie das Halten
der Karnischen und
Julischen Front
ermöglicht. Dadurch
konnten, trotz des
unglücklichen
Kriegsausganges, das
Gail- und Lesachtal sowie
der Karnische Hauptkamm
Teil Kärntens
verbleiben.
Hätte man diese Regionen
bereits 1915 aufgegeben,
so wäre es mehr als
fraglich, ob sie heute
noch zu Kärnten gehören
würden. An diesem
Beispiel zeigt sich, wie
groß und bis heute
unermeßlich wertvoll der
unter schrecklichen
Opfern erbrachte Einsatz
der Kärntner
Freiwilligen Schützen
war; dies sollte niemals
vergessen werden.
Knapp vor Ausbruch des
Krieges hatte die oberste
Herresleitung es nicht
für möglich gehalten,
den Karnischen Kamm zu
verteidigen. Man wollte
das Lesachtal und das
Gailtal aufgeben und erst
die Linie nördlich der
beiden Täler
verteidigen. So hatte man
am Gailbergsattel bereits
Stellungen ausgehoben,
deren Spuren man noch
heute sieht. So trostlos
sah man die Lage.
Carl Gressel und andere
entschlossene Kommandeure
führten die Freiwilligen
Schützen aber entgegen
der pessimistischen
Einschätzung der
vorgesetzten Stellen an
die Landesgrenze - und
dort hielten sie dem
Feinde stand.
Im Februar und März 1915
wurden vier Regimenter
Kärntner Freiwillige
Schützen aufgestellt.
Die
Freiwilligen
Steirerschützen:
Zu Pfingsten 1915 wurde
in der Steiermark die
Formation der
Freiwilligen
Steirerschützen ins
Leben gerufen.
25 Juli 1915. An
diesem Tage kam unser
Abmarschbefehl. Die
Marschkompanie trat auf
dem Murkai in Graz in
Kolonne an. Wir waren
über und über mit
Blumen geschmückt. Eine
unübersehbare
Menschenmenge war
anwesend, um die
Freiwilligen
abmarschieren zu sehen.
In den sonnigen
Sonntagmorgen hinein
ertönt das ,Gebet vor
der Schlacht'. Der
Hornist bläst zum Gebet.
Das war ein ergreifender
und feierlicher
Augenblick. Es kam uns
jetzt die Schwere unseres
Entschlusses so recht in
den Sinn. Unsere
Angehörigen sehen mit
tränenfeuchten Augen auf
uns begeisterte Jungen
und wir werden wohl alle
dasselbe gedacht haben...
wer wird bleiben...?
Ein
scharfes Kommando erweckt
uns aus allen
Betrachtungen. Alle
Weichheit fällt jäh ab.
,Doppelreihen abfallen
rechts um! Marschieren,
Kompanie marsch!' Ein
einziger Schlag die ganze
Kompanie. Stolz leuchten
die Augen unserer
Kommandanten. Seine
Jungen können was.
,Ruht! Abgeblasen!'
Die Regimentsmusik fällt
mit der Marschmusik ein.
Jäh sind die vordem so
festgeschlossenen Reihen
von den Angehörigen
durchbrochen. Noch mehr
Blumen und Liebesgaben
werden an allen
möglichen und
unmöglichen Stellen
verstaut.
Diesmal drückt unser
Kommandant beide Augen
zu. So geht es jubelnd
und jauchzend durch die
Annenstraße gegen den
Bahnhof. Mütter und
Väter und Geschwister
begleiten ihren
Freiwilligen. Aus den
Fenstern und von den
Gehsteigen jubeln die
Grazer ihren
Jungschützen zu. Es ist
ein wahrer Triumphmarsch.
Der
Transportzug steht
bereit. In musterhafter
Ordnung wird
einwaggoniert. Rascher
Abschied. Unsere
Angehörigen und der
sonstige liebevolle
Anhang brechen in Tränen
aus. Da wollen wir denn
doch zeigen, dass wir
Soldaten sind, und jäh
brandet das Schützenlied
hoch:
,Es lebt der Schütze
froh und frei...' Mitten
im vollen Klange setzt
sich der Zug in Bewegung
... Heilrufe ...
Tücherschwenken ...und
nach einer Biegung sind
wir allein. Sind nur mehr
ganz Soldaten..."
Die
Steirer auf den Sieben
Gemeinden und auf dem
Ortler:
Ab 30. November 1917
standen die Freiwilligen
Steirischen Schützen im
Gebiet der Sieben
Gemeinden in der
Gibraltar-Stellung, an
der Astico-Talsperre und
auf dem sogenannten
Tiger-Rücken. Mehr als
20 Unternehmungen gegen
den Feind führte das
Baon hier aus und wies
drei Großangriffe und
mehrere kleinere Angriffe
mit alter
Entschlossenheit ab.
Dann ging es in die
Stellungen am Monte
Cimone, wo die Steirer
das 3. Baon der
Freiwilligen Kärntner
Schützen ablösten. Die
Stellung war denkbar
ungünstig: von drei
Seiten war die
österreichische Stellung
von den Italienern
eingeschlossen, die sich
bis auf 60 Meter Distanz
herangearbeitet hatten.
Vom Cimonegipfel her war
die österreichische
Stellung überdies
eingesehen, was
entsprechendes
Artilleriefeuer auf die
Steirerschützen
bedeutete. Hier verlor
das Baon in vier Monaten
mehr Tote und Verwundete
als vorher in zwei Jahren
seines Einsatzes.
Am
3. September wurde das
Baon im Räume
Ortler-Königsspitze
eingesetzt. Diese Spitzen
und Grate konnten nur
durch ausgesuchte Truppen
verteidigt werden.
Was das Bataillon in der
Ortlerstellung erlitt,
schildert Oberjäger Hans
Lukas:
Arbeit.
Ununterbrochene Arbeit:
Das ist das Los der
Ortlerleute, ist das Los
aller in diesen
Gletscherregionen. Den
Feind fürchten sie
nicht... Aber die
Stürme, die Spalten, die
Wände aus Eis, den
Frost...
Was
der Ortler an Mühe und
Schweiß, an Entsagung
und Aufopferung kostet,
welche Flüche stündlich
über ihn flattern, das
weiß nur der, der die
Leute dort immer sieht,
mit ihnen lebt. Ja, viel
Hartes schlägt über
dieser letzten
Ortlerbesatzung - wie
über allen Kameraden an
dieser Front - zusammen.
Und doch besitzen sie
noch ihren alten
Frohsinn, ihre Tatenlust,
ihre Kampfesfreude ist
nicht erstarrt. Noch lebt
der Geist in ihnen, der
sie als Soldaten beseelt.
Das beweisen noch in den
letzten Tagen die
Kärntner Kameraden
drüben auf dem
Scorluzzo, den sie in
einer von Kampflärm
erfüllten Nacht
heldenmütig gegen die
mit Todesverachtung
angreifenden
Alpiniverteidigen. An der
ganzen Ortlerfront hört
man das Gefecht. Und
überall wird es lebendig
im Eis, Stutzen und
Handgranaten, Dolchmesser
und Maschinengewehre
warten...
Warten auf die Erlösung.
Denn Kampf bedeutet hier
nichts anderes! Hier in
der Welt von ewigem Eis
und Schnee."
Die
letzten Schüsse der
Ortlerbrigade:
Der Steirische
Freiwillige Schütze,
Oberjäger Hans Lukas
erzählt, wie die
Schützen das Kriegsende
auf dem Ortler erlebten:
Da wird die
Räumung der eigenen
Front angeordnet. Wir auf
der Payerhütte arbeiten
fieberhaft, um zu bergen,
was überhaupt noch zu
bergen ist. Der
Ortlergipfel wird
befehlsgemäß verlassen.
Da und dort dröhnt aus
der Ferne ein matter
Sprengschuss. Um so mehr
donnert es aus den
Geschützen der
Italiener. Noch können
wir nicht glauben, dass
der Ortler verloren ist,
dass es keine Front mehr
geben soll. Wir sind so
gläubig, dass wir noch
an eine neue
Widerstandslinie,
irgendwo draußen im
Tale, denken. Und vor
allem krampfen wir uns an
die Hoffnung, dass - wenn
es schon ein Ende nehmen
sollte - ein
versöhnlicher Ausgleich
zustande kommt.
Mit
dieser fast kindlichen
Hoffnung treten die
fünfzig Mann der
Payerhütte den Abstieg
an. Die Marschunfähigen
werden mit der Seilbahn
vorausgeschickt. Die
anderen schauen in die
Tiefe, sehen auf den Weg,
der ihnen bevorsteht. Es
graut manchem vor diesem
Abstieg. Hände krallen
sich in Eis und Schnee.
Nur nicht nach rechts
sehen, wo die Wand jäh
über dem Abgrund
wuchtet! Wie stark der
Lebenswille die letzte
Kraft entfachen kann, das
zeigt am deutlichsten
dieser Weg... Es gelingt.
Wir verlieren keinen
einzigen Mann.
Da
hört gegen 3 Uhr - die
Payerhütten-Besatzung
müht sich noch in der
Tabarettawand - das
feindliche Feuer auf.
Also doch
Waffenstillstand? Aber
wir haben uns getäuscht!
Um 5 Uhr nachmittags
bricht der
Geschützdonner wie mit
einem Schlage neuerlich
los, ja, er verdoppelt
sich und wächst zu einem
fast ununterbrochenen
Dröhnen.
Gefaßt
auf einen Kampf um die
Enge bei Gomagoi,
marschieren wir durch die
aufgewühlte Nacht. Jeden
einzelnen beseelte der
Wille zum Durchbruch.
Aber der Feind war noch
nicht so weit und wir
marschierten unbehelligt
durch, zogen durch Nacht
und Nebel gegen Mals,
sahen von der Maiser
Heide zum letztenmal die
weißglänzenden
Gletscherriesen. Sie
standen still und
feierlich, wie schon seit
urdenklichen
Zeiten...Noch einmal
flackerte hinter uns
Gewehrfeuer auf. Es war
am Vormittag des 4.
November. Die Gruppe vom
Madatschgletscher machte
bei Lichtenberg gegen den
Befehl von der Waffe
Gebrauch und schlug sich
durch. Es waren die
letzten Schüsse der
Ortlerbrigade-
Dann kam der Rückmarsch,
die Heimfahrt in das aus
tausend Wunden blutende
Vaterland..."
Die
Freiwilligen Schützen
Salzburgs:
Auch im Salzburger Land
eilten blutjunge
Burschen, Knaben zumeist
noch und alte Männer zu
den Waffen, um der
bedrohten Grenze im
Süden Hilfe zu leisten.
Das Schützenwesen blickt
im Lande Salzburg auf
eine jahrhundertelange
Entwicklung zurück. Am
5. Januar 1915 traffen
Landesoberschützenmeister
Oberst Eduard Tratz und
Landesschützenmeister
Hans Pirchl in Innsbruck
mit dem Innsbrucker
Militärkommandanten
Feldmarschall-Leutnant
von Können-Horak
zusammen, der angesichts
der drohenden Rüstungen
Italiens die beiden
Schützenmeister bat,
Freiwillige aufzubieten.
Diese nahmen die
Organisation umgehend in
die Hand. Es meldeten
sich auf Anhieb 5163 Mann
in dem kleinen Land
Salzburg, obwohl die
gediente Mannschaft schon
vollständig zum Heere
einberufen war. Die
Salzburger Schützen
waren mit der Zusage des
Armeekommandos gemustert
worden, dass sie nur zum
Schutze der
Tauernübergänge von
Krimml bis hin zur
steirischen Grenze
bestimmt seien. Nun
riefen aber Tirol und
Kärnten um Hilfe. Für
viele Bauern und
Bauernsöhne, die Felder
und Höfe zu bestellen
hatten - ihre Väter und
Brüder standen im Felde
oder waren bereits
gefallen - stellte dies
eine ernste Situation
dar.
Josef Strohmayr, der
Kommandant der Halleiner
Schützenkompanie, ließ
seine Buben und Männer
antreten, erklärte ihnen
die neue Situation und
verwies darauf, dass die
Linie der Verteidiger an
Österreichs Südgrenze
nur dünn sei. Man müsse
die Heimat aber bereits
dort verteidigen und
nicht erst dann, wenn der
Feind schon im Lande
stehe. Strohmayr
überließes der
Mannschaft zu
entscheiden, ob sie sich
freiwillig dem neuen
Befehle unterwerfen wolle
oder nicht. Die Kompanie
erklärte sich einhellig
bereit, dem Ruf zu
folgen.
So wie in Hallein war es
im ganzen Land, die
Schützen zogen an die
Front.
Die Pinzgauer hatten eine
komplette Ortsmusik
mitgebracht, die nun am
20. September 1915 der
Truppe mit einer Stärke
von 1200 Mann voran mit
klingendem Spiel in
Hermagor einzog. Über
ihnen flatterte die
Schützenfahne aus
Saalfelden, die schon bei
den Kämpfen von 1809
dabei gewesen war.
In
Hermagor erwartete der
Abschnittskommandant,
General von Henneberg,
die Salzburger schon
sehnsüchtig. Bis zum 3.
Oktober 1915 fanden
erbitterte Kämpfe um die
Stellungen am Prihat,
Malurch und
Bombaschgraben statt.
Darüber berichtete das
Salzburger
Volksblatt" voll
Stolz: So stoßen
sich also auch hier die
Wälschen an unseren
Grenzstellungen die
Zähne ein; und sie
treffen hier besonders
harten Widerstand, denn
es sind Salzburger
Schützen, die ihnen den
Weg versperren. Das
Verdienst, das sich die
braven Salzburger
Schützen hier erwerben,
kann gar nicht hoch genug
veranschlagt werden. Hier
hindern sie die Italiener
daran, durchs Kanaltal
ins Villacher Becken
einzubrechen; sie
schützen damit auch den
nächsten Weg, der die
Feinde dem Salzburger
Lande näher bringen
könnte. Die Wälschen
werden diesen Weg nie
gehen. Salzburger Kraft
und Salzburger Treue
bürgt uns dafür. Aber
wir müssen die Taten
dieser Braven noch höher
einschätzen, als die
anderer Truppen, denn sie
sind freiwillig an die
Grenze gezogen und haben
nach kurzer Ausbildung -
sie haben sich nicht so
wie die Tiroler
Standschützen in langer
Friedensarbeit auf den
Ernstfall vorbereitet -
doch so wacker gefochten.
Heil unseren braven
Salzburger
Schützen!"
Im Juli 1916 gingen die
Salzburger dann ihren
Stellungen in die
Hochgebirgsstellungen am
Hochweißstein im
Karnischen Kamm ab. Über
den weiteren
Schicksalsweg der
Freiwilligen Salzburger
Schützen berichtet das
Generalstabswerk
Österreich-Ungarns
letzter Krieg":
Vierzehn Monate
waren die Schützen
ununterbrochen in den
Höhenstellungen gewesen,
als ganz unvorbereitet
bei Nacht und Schneesturm
der Vormarsch im Oktober
1917 angetreten wurde, an
dem die Salzburger
Freiwilligen Schützen
keineswegs bloß als
Mitläufer teilnahmen.
Ohne Erholung gings dann
auf die Hochfläche der
Sieben Gemeinden.
Das
Infanterieregiment 27
lösten sie ab, die 17er
kamen nach ihnen. Das war
nun keine ruhige Front
mehr, sondern der
Drehungspunkt der alten
Linie (vor der Offensive
1917) zu den neuen
Stellungen. Es gab
unablässig Scharmützel
und Vorstöße von hüben
und drüben, schweres
Artillerie- und
Minenfeuer lag oft
stundenlang über den
Gräben, Angriffe,
besonders bei Nacht
folgten, in der Sartori-
und Ghelpachschlucht
gings recht heiß zu. Im
März 1918 gab es nach
zwanzigmonatlicher
Frontdienstleistung
endlich eine karge Ruhe-
und Rastpause, jedoch
auch noch im Bereich des
feindlichen Feuers. Dann
ging es auf den jedem
Salzburger heiligen
Opferberg, den Monte
Cimone. Die Schützen
sollten mit Kaiserjägern
und Landesschützen in
den ersten Wellen zum
Sturm über den
Caviojorücken gegen die
Priafora vorgehen. Die
ganze Aufklärungsund
Vorbereitungsarbeit wurde
in die Hände des
Bataillons gelegt. Der
Gegner wußte, was
bevorstand und
beantwortete auch
unbedeutende Aktionen mit
schwerstem Feuer.
Aufklärungs- und
Sturmabteilungen des
Bataillons waren in
steter Aktion im Vorfeld,
in der Nacht hieß es
Munition stapeln.
Im September treffen wir
das Bataillon auf den
Hochgipfeln des
Ortlermassivs.
Umspannende
Fronterfahrung,
Mannschaftsauslese und
die unbedingte
Verläßlichkeit der
Gesinnung reihten das
Bataillon unter die
wertvollste Kampftruppe.
Es blieb bis zum Schluß
auf verantwortungsvoller
Stelle. Dem Bataillon
blieb durch ein gütiges
Schicksal die
Gefangennahme durch den
Gegner erspart.
Salzburger Schützen
waren die letzten
Truppen, die das
Reschen-Scheideck
passierten.
Die Gedenktafel der
Salzburger Freiwilligen
Schützen trägt die
schlichten
eindrucksvollen Worte:
,Zur dankbaren Erinnerung
an die k. k. Freiwilligen
Schützen Salzburgs, die
im Weltkrieg bei
Pontebba, auf dem Monte
Peralba und den Ciadenis
in den Sieben Gemeinden,
auf dem Monte Cimone und
dem Ortler den Heldentod
für das Vaterland
erlitten haben. Jeder
zehnte Mann
gefallen'."
Sackfetzen
an den Füßen: Die
Salzburger Schützen auf
dem Ortler:
Ab dem 19. August 1918
stand das Salzburger
Bataillon der
Freiwilligen Schützen in
den höchsten Stellungen
der Welt auf dem Ortler.
Das Ende der alten Armee
zeichnete sich ab: Die
Verpflegungs- und
Nachschublage zeigte das
drohende nahe Ende an.
Dörrgemüse
bildete die Hauptnahrung
der Mannschaft, welche
den schweren Dienst im
Hochgebirge zu versehen
hatte. Schuhe und
Monturen blieben aus,
zerrissen und dürftig
bekleidet waren die Leute
bei ihren Arbeiten,
schweren Schneestürmen
und einer Kälte von 25
Grad und mehr ausgesetzt.
,Wir können euch nichts
geben, wir haben selber
nichts', das war die
stete Antwort, welche die
höheren Kommanden den
Klagen über die
mangelhafte Verpflegung
und Ausrüstung
entgegensetzten. Die
Leute mussten sich um
Sackfetzen raufen, um das
Gletschereis nicht mit
bloßen Füßen betreten
zu müssen.
Der
Tiroler
Landlibell" des
Jahres 1511:
Der
Tiroler
Landlibell ist ein
konstitutionelles
Dokument zur
Reglementierung der
territorialen
Verteidigung Tirols.
Libell"
da das Dokument
als Heft oder Büchlein
präsentiert wurde, das
aus verschiedenen Seiten
bestand, Libell eben. Die
von vier Tiroler Ständen
vereinbarten
Bestimmungen, und zwar
von den Prälaten, den
Adeligen, von der Stadt
und von den
Gerichtskreisen, wurden
auch von den mit der
Tiroler Grafschaft
verbündeten
Bischofssitzen von Brixen
und Trient, angenommen.
Alle Untertanen
männlichen Geschlechtes
des Landes Tirols sind
dazu aufgefordert dem Ruf
zu den Waffen zur
Verteidigung des Gebietes
zu folgen. Den
Gerichtsautoritäten der
verschiedenen Bezirke war
die Aufgabedes
Rufes zu den
Waffen" in Funktion
des
Gefährlichkeitsgrades
anvertraut und wurde die
Wehrerfassung in fünf
Stufen untergeteilt.
Die
erste sollte fünftausend
Männer umfassen, die
zweite zehntausend, die
dritte fünfzehntausend
und die vierte
zwanzigtausend (die
Bestimmungen wurden im
Jahr 1605 wieder
überarbeitet und auf
drei Stufen, d.h. zehn-,
fünfzehn- und
zwanzigtausend Männer an
denWaffen, reduziert).
Die territoriale Miliz
umfasste zwanzigtausend
Männer und wurde nicht
nur durch Aufruf
einberufen, sondern auch
wenn die Umstände es
verlangten durch
Sturmläuten der Glocken
von allen Glockentürmen.
Den
Wehrdienstverweigerern
wurden persönliche und
ihren Besitz betreffende
Strafen auferlegt. Ab dem
Jahr 1647 trat auch ein
Signalisierungssystem
durch auf Anhöhen und in
der Nähe von
Bergbauernhöfen
entzündetem Feuer in
Kraft.
Der
Gebietsfürst sorgte für
die Beschaffung der
Feuerwaffen, von
Schießpulver,
Geschossen,
Waffenmeistern,
Hakenbüchsenmeistern,
Rüstungen mit
notwendigem Zubehör und
garantierte das
Vorhandensein von
Getreidelieferungen,
Lebensmittelvorräten und
Mehl in den dafür
bestimmten Speichern.
Darüberhinaus sorgte er
für die Instandhaltung
der Befestigungen an den
Landesgrenzen und an den
Talengen wie
Finstermünz, Ehrenburg,
Scharnitz, Kufstein,
Mühlbach, Rio Pusteria
und der Klause von Lienz,
neben den Arsenalen, wie
z.B. in Innsbruck. Neben
den beiden Hauptarsenalen
wurden lokale Arsenale
und Zeughäuser in Orten
mit befestigten
Gerichtssitzen
eingerichtet, wie in:
Kastelbell,
Schiandersberg,
Lichtenberg, Naudersberg,
Sigmundsried, Landeck,
St. Petersberg,
Hörtenberg, Welsberg und
in noch anderen Orten.
Der neunte Libell des
Jahres 1511 sanktionierte
eine Einschränkung der
Macht des
Gebietsfürsten, der ein
absolutes Verbot zum
Beginn eines Krieges
vorsah in den Tirol
verwickelt werde, ohne
vorhergehender
Information der Tiroler
Provinzstände und ohne
deren Genehmigung. Es
wurde überdies auch
unterstrichen, dass die
Provinzstände selbst
weder verpflichtet noch
gezwungen waren bei einem
Ruf zu den Waffen das
Land zu verlassen, ihre
Beteiligung konnte aber
für die Verteidigung,
für den Widerstand und
zur Bewahrung des
Zustandes im Land selbst,
angefordert werden.
Bemerkenswert
war die Tatsache, dass
die Untertanen der
Bischofssitze Brixen und
Trient bei der Teilnahme
an einer Einberufung
nicht mit der Tiroler
Fahne in den Kampf
gingen, sondern mit einer
eigenen Fahne die
Vendl" genannt
wurde. Die ältesten
Dokumentationen,
betreffend die
Genehmigung der
Verwendung von
Standarten, geht auf die
Jahre 1410 bis 1496
zurück. Kaiser
Maximilian erteilte sie
im Jahr 1496 und
bestätigte das Recht die
eigenen Fahnen zu tragen.
1908 wurden 25 Fahnen als
die ältesten der
Schützen angesehen, und
zwar diejenigen von:
Kufstein, Lienz, Sand in
Taufers, Innsbruck,
Hötting, Hall, Thaut,
Stubai, Kitzbühel,
Achental, Schwaz, Stumm,
Telfs, Imst, Reutte,
Wenns, Ried, Innichen,
Dölsach, Kastelruth,
Bozen, Meran, Kaltern,
Eppan und Inzing (bei
letzterer handelt es sich
um eine französische
Fahne, einer
Kriegsbeute).
An
die Feinde! Seht
ihr von den Bergen das
Feuer blitzen?
Das sind die Stutzen der
freiwill`gen Schützen!
Sie zielen gut und sie
schießen weit,
sie befördern euch
schnell in die Ewigkeit!
(freiw. Oö. Schütze
Konrad Rauch)
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