Am 23. Mai 1915
erklärte Italien an Österreich-Ungarn den
Krieg. Vom österreichisch-schweizerisch-italienischen
Dreiländereck in Nähe des Stilfser Jochs bis
zur Adria westlich von Triest verlief mit einem
Male eine neue 400 km lange Front, die
Österreich vom Süden her direkt bedrohte - und
kaum ein Soldat befand sich an dieser Grenze. Nur
Gendarmen und Zollbeamte hielten Wacht im
künftigen Kriegsgebiet. Die Kaiserjäger und
Landesschützen - der späteren Kaiserschützen -
standen an den Fronten in Galizien und Serbien
und hatten bereits hohe Verluste erlitten. Nur
die Männer über 45 und die Jugendlichen unter
18 Jahren waren in Tirol zurückgeblieben.
Die Halbtauglichen,
jungen Knaben und älteren Männer wurden zu
Landsturmbataillonen formiert und mit Gewehren
bewaffnet. 22 dieser Bataillone sicherten nun die
500 Kilometer lange Alpengrenze Tirols, während
auf der anderen Seite die italienische Armee 43
Divisionen kampfbereit machte. Gleichzeitig
besann sich Österreich auf seine Standschützen.
Das waren Mitglieder der örtlichen
Schützengesellschaften, die seit 1632 eine
Tiroler Landwehr bildeten. Es erschienen 40.000
Mann -Bauern, Handwerker, Bergführer. Es kamen
Halbwüchsige von 16 Jahren und Greise mit
weißen Bärten. Als erste Einheit kam die
Standschützenkompanie Stilfs zum Einsatz. Sie
stieg bereits am 21. Mai 1915 - 120 Mann stark
zum Kleinboden auf. Am 04. Juni 1915 nahmen sie
im Handstreich den vom Feind besetzten Großen
Scorluzzo. Die Versorgung der Truppen erfolgte
Anfangs ausschliesslich durch die Frauen der
Gebirgsdörfer.
Deutschland
entsandte als erste Notmaßnahme das Deutsche
Alpenkorps. Kommandeur war General der Artillerie
Krafft von Dellmensingen.
Von der Schweizer Grenze bis nahe an den Gardasee
heran verlief die Front auf einer Länge von 100
Kilometern fast ausschließlich durch das ewige
Eis und auf Höhen über 3.000 Meter. Der
Tonale-Pass mit 1.900 Metern war einer der
niedrigsten Punkte. Zum Frontgebiet gehörte der
höchste Berg des damaligen Österreichs, der
3.905 Meter hohe Ortler. Man bohrte Tunnels durch
das Eis, aus denen heraus Feindstellungen
angegriffen wurden. Aus Eistunneln von mehreren
Kilometern Länge brachen österreichische
Stoßtrupps hervor und eroberten die
italienischen Stellungen auf dem Gipfel der Hohen
Schneid (3.431 m) und auf der Trafojer Eiswand
(3.568 m). Der furchtbarste Feind der
Bergsoldaten war die Lawine. So lautete eine
Tagesmeldung des Standschützenbataillones
Schlanders: Schneedecke 8 Meter, Temperatur -40
Grad. Riesenlawine verschüttete sämtliche
Zugänge. 13 Tote, darunter 4 Standschützen.
Da man die höheren
Lagen des Hochgebirges oft mit wenigen Mann
halten konnte - wer oben war konnte meistens
nicht mehr vertrieben werden, begann man mit der
Unterminierung der Berggipfel.
Minierstollen wurden unter die Feinstellungen
vorgetrieben, mit Sprengstoff gefüllt und
gezündet. Der Gipfel zerbarst mitsamt der
Besatzung. Am frühen Morgen des 23. Septembers
1916 flog der Gipfel des Monte Cimone in die
Luft. Um 06.00 Uhr besetzten die Österreicher
die Trümmerstätte im italienischen Granathagel,
während unter den Trümmern noch verschüttete
italienische Soldaten lagen. Ein
österreichischer Hauptmann begab sich als
Parlamentär durch die Linien und bat um
Waffenruhe zum Bergen der Verschütteten. Der
italienische Kommandant lehnte
unbegreiflicherweise ab. Die Soldaten des
Salzburger 59. Infanterieregimentes- die Rainer -
setzten daraufhin ihr eigenes Leben ein, um die
Italiener mitten im Feuer zu retten. Bis zum 02.
Oktober holten sie 90 Verwundete und völlig
erschöpfte Gegner aus den Trümmern hervor. Für
die geborgenen italienischen Verwundeten, waren
die österreichischen Soldaten Helden.
Mit der siegreichen Österreichisch-Ungarischen
Piave-Offensive löste sich im Spätherbst 1917
die Gebirgsfront auf.
Der
Kriegsschauplatz:
Die Front befand
sich zum größten Teil in gebirgigem Gelände
und stellte somit besondere Anforderungen an die
Kriegsführung (vgl. Gebirgskrieg). So musste
buchstäblich jede Wasserflasche und jedes Stück
Feuerholz von Maultieren oder Trägern in die
Stellungen transportiert werden. Da ab dem Winter
1916/17 die Pferde und Maultiere mangels Futter
kaum noch leistungsfähig waren, wurden sie mehr
und mehr durch elektrisch betriebene Seilbahnen
bzw. Zugverbindungen ersetzt.
Am Isonzo und in
Richtung Triest war das Gelände eher hügelig
und verkarstet und somit offen für
Großangriffe. Demzufolge konzentrierten sich die
italienischen Angriffe immer wieder auf diesen
Abschnitt. Vor allem die einzigen zwei
österreichischen Brückenköpfe westlich des
Isonzo, bei Tolmein und bei Görz, wurden
mehrfach angegriffen. Hier zeigte sich jedoch das
militärische Ungeschick Cadornas.
Die Österreicher
hatten mit Generaloberst Svetozar Boroevic von
Bojna einen ihrer fähigsten Kommandeure an die
italienische Front entsandt. Vor allem die
Defensive war eine seiner Spezialitäten; er
schaffte es immer wieder, trotz deutlicher
Unterlegenheit gegen einen bis zu dreimal
stärkeren Gegner einen italienischen Durchbruch
zu verhindern. Sein Geschick trug ihm bald den
Beinamen der Löwe vom Isonzo ein. Am
1. Februar 1918 wurde er von Kaiser Karl I. zum
Feldmarschall befördert.
Besondere Gefahren
drohten den Soldaten beider Seiten durch
Naturgewalten. An manchen Frontabschnitten kamen
mehr Soldaten durch Lawinen, Felsstürze und
Unfälle ums Leben als durch feindlichen
Beschuss. Es wurde auch wieder
Minenkrieg teils in schwierigem
Gelände geführt: feindliche
Stellungen (zum Teil sogar ganze Berggipfel)
wurden untergraben, unterminiert und gesprengt.
Bekanntestes Beispiel ist der Col di Lana. Auch
wurden durch Beschuss absichtlich Schnee- oder
Steinlawinen oberhalb von feindlichen Stellungen
ausgelöst.
Die
Gebirgsartillerie:
Schon vor dem Ersten
Weltkrieg haben die militärischen Großmächte
in ihre Bewaffnung eine besondere Art der
Artillerie eingeführt - die Gebirgsartillerie.
Die Kanonen der Gebirgsartillerie sollten dabei
so leicht wie möglich sein. Geachtet wurde auch
auf eine geringe Spurweite der Lafetten und auf
die Zerlegbarkeit der Geräte, damit sie durch
Trag- oder Zugtiere transportiert werden konnten.
Die österreichisch-ungarische Armee richtete
allein schon weger der Konfiguration des
Territoriums der Monarchie ein besonderes
Augenmerk auf die Gebirgsartillerie und stellte
daher schon 1863 ihr erstes
Gebirgsartillerieregiment auf. Den Ersten
Weltkrieg beendete sie dann mit sieben solchen
Regimentern. Zu Beginn des Krieges waren diese
Regimenter mit mehreren Modellen der
größtenteils veralteten 7 cm Gebirgskanonen
ausgerüstet. Bis Ende 1916 wurde dann die 7,5 cm
Gebirgskanone M 1915 von Skoda zur Standartwaffe
der österreichischen-ungarischen
Gebirgsbatterien.
Schon vor dem Weltkrieg hatte die
österreichisch-ungarische Gebirgsartillerie
zusätzlich zu den Kanonen zwei einander sehr
ähnliche Modelle der 10 cm Gebirgshaubitze M
1908 und M 1910 als Bewaffnung erhalten und
später wurden auch noch die Feldhaubitzen M 99
und die modernsten 10 und 15 cm Feldhaubitzen M
14 für den Bergtransport adaptiert. Die für den
Gebirgskrieg bestimmten Divisionen verfügten
über jeweils zwei Haubitzenbatterien (jede mit
vier Haubitzen). Jede Gebirgsbrigade hatte zudem
ein bis zwei Batterien Gebirgskanonen.
Der Ortler:
Zu Beginn des
Gebirgskriegs 1915 schien das hochalpine Gelände
der Ortlergruppe für militärische Operationen
überhaupt nicht von Interesse, die
österreichisch-ungarische Armee plante sich am
Stilfser Joch, hauptsächlich jedoch tiefer, an
der Straßensperre Gomagoi, gegen Italien zu
verteidigen. Die k.k. Standschützen begannen
jedoch bereits damals mit der Besetzung mancher
Gipfel bis in eine Höhe von 3700 m. Als die
Alpini 1916 das Hochjoch, den Ortlerpass, die
Trafoier Eiswand und die Thurwieserspitze
okkupierten und erste italienische Patrouillen am
Ortlergipfel gesichtet wurden, befürchtete man
eine Besetzung dieses strategisch wichtigen
Punktes durch Italien und verlagerte den Kampf
zusehends ins Gebirge. Von Sulden aus wurde eine
Seilbahn errichtet, mit der man in
20 Minuten die Payerhütte erreichen konnte.
Eine weitere kleine Materialseilbahn führte bis
knapp unter den Gipfel, am Tschierfeck wurde ein
erster Unterstand erbaut. Ab Sommer 1916 befand
sich am Gipfelplateau des Ortlers die höchste
Stellung des gesamten Krieges. Hier lebten bis zu
30 Soldaten in einem Stollen, der in das
Gletschereis gesprengt und geschlagen worden war.
Es wurde eine Reserve an Proviant und Brennstoff
für bis zu drei Wochen gelagert, es gab eine
hochwertige Feldtelefonleitung, eine
Wetterstation und sogar ein kleines Fotolabor.
Ein weiterer Stollen von
150 Metern Länge erstreckte sich vom Vorgipfel
zum Hochjochgrat. Hier wurde mit
Stacheldrahtverhauen und einer dauernd besetzten
Maschinengewehrstellung versucht, einen etwaigen
italienischen Angriff über den Hochjochgrat
abwehren zu können.
Während der
Hauptgipfel selbst nur von einer kleinen
Feldwache besetzt war, befanden sich am Vorgipfel
ein Schützengraben und bereits ab 1916 eine
erste Kanone. Es handelte sich um eine
Gebirgskanone M99 mit einem Kaliber von
7 cm, die sich heute im
Heeresgeschichtlichen Museum in Wien befindet.
Dieses veraltete Geschütz mit Baujahr 1899
verfügte über keinen Rohrrücklauf und wenig
Treffsicherheit, war aber aufgrund der höheren
Position den wesentlich moderneren italienischen
Kanonen auf Thurwieserspitze und Trafoier Eiswand
überlegen, die das Gipfelplateau des Ortlers
fast nie trafen. Später wurde die Kanone durch
eine zweite verstärkt, auch am Pleißhorn wurden
noch Geschütze aufgestellt. 1917 zogen russische
Kriegsgefangene zwei größere 10,5-cm-Geschütze
zum Gipfel. Bei diesen M75-Feldgeschützen des
Baujahres 1875 handelte es sich um bereits sehr
alte, aber qualitativ hochwertigere Geräte, die
neben einer höheren Treffsicherheit auch eine
größere Reichweite aufwiesen. Eine wichtige
Rolle spielten die Stellungen am Ortler-Vorgipfel
und am Pleißhorn bei der Zerstörung der
italienischen MG-Stellung auf der
Thurwieserspitze im August 1916 und bei der
zwischenzeitlichen Eroberung der Trafoier Eiswand
durch die österreichische Armee am 3. September
1917, auch die Hohe Schneide (3434 m) konnte
von hier beschossen werden. Die größten
Gefahren auf der Ortlerstellung kamen nicht vom
Beschuss durch die italienische Armee, sondern
von den klimatischen Verhältnissen in der
großen Höhe. Am 4. März 1914 kamen beim
Aufstieg zur Payerhütte 15 Angehörige einer
militärischen Schiabteilung durch eine Lawine
ums Leben. Besonders im ausnehmend strengen
Winter 1916/1917 kam es an der Ortlerfront zu
vielen Lawinenunglücken, die Gipfelstellung war
mit mehreren Metern Schnee bedeckt und bis zu
einer Woche von der Außenwelt abgeschnitten. Das
Telefonnetz brach des Öfteren zusammen, sodass
ein Netz aus optischen Signalstationen, die
zumindest bei guter Sicht Nachrichten von Gipfel
zu Gipfel übermitteln konnten, als Notbehelf
dienen musste. Als 1918 abermals die
Telefonleitung zerstört wurde, griff man auf
Brieftauben zurück. Etwas tiefer hingegen, auf
der per Seilbahn leicht erreichbaren Payerhütte,
gab es kaum solche Probleme. Sie wurde als
sicherer Ort häufig von Prominenten besucht, die
die Front besichtigen wollten. Darunter war etwa
der Entdecker Sven Hedin, Erzherzog Joseph
bestieg sogar den Gipfel. Die Ortlerfront wurde
aufgrund solcher Besuche häufig als
Salonfront bezeichnet. Dieser auch
militärintern verbreitete Ruf spielte eine
große Rolle bei der trotz ihrer wichtigen
strategischen Rolle lange Zeit mangelnden
Bewaffnung der Stellungen am Ortler.
1918 erfolgte ein weiterer Ausbau der Stellung,
allerdings wurde nun die Versorgungssituation
schlechter. Militärische Zwischenfälle waren im
letzten Kriegsjahr kaum zu verzeichnen. Nachdem
es bereits in den Tagen davor zu einigen
Irritationen um einen vermeintlichen
Waffenstillstand gekommen war, wurde schließlich
am 4. November der Ortlergipfel geräumt.]
Viel Ausrüstung blieb dabei zurück. Der
Verbleib einiger der Kanonen ist bis heute
ungeklärt, sie befinden sich vermutlich im
Gletschereis. Neben Resten der Unterstände ist
bis heute ein Stacheldrahtverhau am Hochjochgrat
zu finden, das Eis gibt immer wieder
Ausrüstungsgegenstände der Soldaten und sogar
noch scharfe Munition frei.
(Der Ortler war ist und
bleibt inoffiziell der höchste Berg
Österreichs)
Zum Geleite: Von
unseres Blutes Wellen
ist Fels und Firn betaut.
Das sind die Glutbrunellen,
Der Schmuck der Gletscherbraut!
Und Hochlandsgräber melden
es jedem Still und Sacht,
Hier schlummern deutsche Helden -
Die Dolomitenwacht!
(Aus
"Dolomitenwacht" von Bruder
Willram)
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