Schicksalsfluss
Isonzo:
Am Isonzo
standen einander die österreichisch-ungarischen
und die italienischen Truppen von 1915 bis 1917
in nicht weniger als zwölf Schlachten
gegenüber.
Die ersten beiden
Schlachten -vom 23. Juni bis 07. Juli und vom 18.
Juli bis 03. August 1915- wurden von
italienischer Seite in dem Bestreben in Angriff
genommen, den Druck der k.u.k. Truppen an der
Ostfront zu vermindern. Die dritte und vierte
Isonzoschlacht -vom 18. Oktober bis 04. November
und vom 10. November bis 14. Dezember 1915-
zielte darauf ab, den Druck der Mittelmächte auf
Serbien und auf die alliierten Truppen in
Saloniki zu verringern.
Die Italiener
erzielten mit diesen Offensiven jedoch lediglich
einen Geländegewinn von wenigen Kilometern,
wobei sie Verluste von mehr als 300.000 Mann
erlitten. Vom 11. bis zum 16. März 1916 griffen
die Italiener die k.u.k. Stellungen zum fünften
Mal an, diesmal am Görzer Brückenkopf sowie am
Hochplateau von Doberdo, doch auch diesmal gelang
der entscheidende Durchbruch nicht.
Kaum war die
Schlacht vorüber, plante General Cadorna bereits
mit größter Sorgfalt den nächsten Angriff, in
der wieder die Stadt Görz (Gorizia) das Ziel
sein sollte.
Dieser wichtige
Verkehrsknotenpunkt war stark befestigt und
deshalb nur sehr schwer einzunehmen. In der
sechsten Auseinandersetzung gelang den Italienern
jedoch das Unmögliche, und sie marschierten am
08. August 1916 in Görz ein. General Cadorna
versuchte nach diesem Erfolg zwischen Mitte
September und Anfang November 1916, das Erreichte
auszubauen und nach Triest vorzustoßen.
Gleichzeitig wollte er verhindern, dass die
k.u.k. Truppen einen Feldzug gegen Rumänien
unternahmen, das am 28. August 1916 auf Seiten
der Entente in den Krieg eingetreten war.
Alle drei Offensiven
- 14. September bis 18. September und 09. Oktober
bis 12. Oktober und 31. Oktober bis 04. November
1916 - blieben jedoch ohne durchschlagenden
Erfolg. In der Zehnten Isonzoschlacht -vom 12.
Mai bis 05. Juni 1917- konnten die Italiener nur
einiger weniger bedeutende Punkte erobern. In der
elften Isonzoschlacht, die von 17. August bis 12.
September 1917 ausgetragen wurde, konnten
Cadornas Truppen unter größten Verlusten
schließlich 6 km Boden zwischen Görz und
Flitsch erringen. Dies sollte das weiteste
Vordringen der Italiener vor der Niederlage von
Karfreit darstellen.
Der bis dahin
unbekannte Fluss wurde zum Schauplatz
mörderischer Kämpfe. In den vier ersten
Isonzoschlachten verlieren die Italiener etwa
175.000, die Österreicher rund 123.000 Mann.
Die einzelnen Isonzoschlachten unterscheiden sich
kaum voneinander: erst eine tagelange, sich von
Schlacht zu Schlacht steigernde
Artillerievorbereitung, danach Übergang zum
Angriff mit Bajonettkämpfen. Den örtlichen
Vorstößen in die österreichisch-ungarische
Front folgen meist Gegenangriffe.
Es gelingt daher dem
Feind nicht, die österreichischen Stellungen zu
durchbrechen und Görz, das Hauptziel aller
Angriffe, einzunehmen. Darüber hinaus sind die
sehr geringen Geländegewinne von nur einigen
Dutzend Kilometern mit enormen Verlusten
verbunden. Die österreichischen Verluste
entstehen meist durch gegnerischen
Artilleriebeschuss auf fast deckungslose
Felsvorsprünge. Da jedoch Menschen- und
Materialreserven der k.u.k. Kräfte sehr
beschränkt sind, wiegen sie doppelt schwer.
Ebensowenig
erfolgreich sind begrenzte Angriffe der
italienischen Truppen an anderen
Frontabschnitten, wie zum Beispiel gegen die
Befestigungswerke Vielgereuth-Lafraun
(Folgaria-Lavarone), die eine strategische
wichtige Verbindung nach Triest decken, dann im
Gebiet von Cortina dÀmpezzoo, in den Karnischen
Alpen gegen den Plöckenpass sowie bei Flitsch
und Tolmein.
Bei Angriffen wurden
die Italiener am meisten dadurch demoralisiert,
dass die Verteidiger bis auf die nächsten
Distanzen nicht schossen, sondern mit
unheimlicher Ruhe zuwarteten. Fällt dann die
erste Salve, so wendete sich meist die ganze
Masse der Angreifer zur Flucht.
Besonders
bewährt hatte sich die
österreichisch-ungarische Artillerie,
für die es das Wort -Unmöglich- nicht
gegeben hat. Sie stand oft in nächster
Nähe der Infanteriestellungen, während
die Italiener mit ihren Geschützen
hinterm Berg hielten. Bis auf Kämme und
Scharten von 1.800 Metern und darüber
sind die Gebirgsgeschütze von den braven
Kanonieren geschleppt worden. Die Wirkung
ist namentlich in den Felsen
dementsprechend durchgreifend. |
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Bericht eines
verwundeten ungarischen Offiziers vom 10. Juli
1915:
Die eine Seite des
Höhenzuges halten die Italiener, die andere wir,
und mit solcher Erbitterung wird gekämpft, dass
ein und derselbe Laufgraben wochenlang immer
wieder den Besitzer wechselt. Die Österreicher,
Bosniaken und Serben, die, die Krnhöhe
verteidigen, beweisen durchwegs hervorragende
Tapferkeit und kämpfen mit Begeisterung. Dass
ihnen aber die italienische Artillerie zu
schaffen gibt, geht aus der Redensart hervor, die
sie allgemein mit Munde führen: Der Krn ist
nicht mehr so hoch wie früher, der Gipfel ist
ihm abgeschossen.
Schwindel kennen
unsere Leute nicht. Tausende Meter hoch liegen
unsere Stellungen. Man kämpft hier über den
Wolken in verzweiflungsvollstem Handgemenge am
Rande steiler Abstürze, die von uns wie von den
Italienern Gleicherweise die Todeswände genannt
werden. Nachts sind Freund und Feind die Hände
derart steif, dass kein Mensch an anderes denkt,
als wie er sich erwärmen kann. Ein
stillschweigendes Abkommen herrscht zwischen den
beiden Gegnern auf dem Krn: sich nachts in
Frieden zu lassen. Als Unterkunft sind natürlich
nur Freilager unter Zelten möglich, da ja in
dieser Region auch kein Holz mehr aufzutreiben
ist.
Ganz nahe liegen
sich streckenweise die Laufgräben, so dass man
deutlich die Unterhaltung hört, das Klappern der
Schüsseln und das Stöhnen der Verwundeten
vernimmt. Aber nie bahnt sich ein
freundschaftlicher Verkehr an, wie er sich so
häufig auf der russischen Front entwickelt hat.
Unsere Leute hassen den Feind aus tiefster Seele.
Wenn die Italiener mit ihrem: Avanti!
vorstürzen, schreien ihnen die unseren im Chor
zu: Avanti! Avanti! Heraus mit euch, ihr
Halunken!
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Die
Isonzo-Schlachten im Überblick:
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1.
Isonzoschlacht (23. Juni - 7. Juli 1915)
Die erste Isonzoschlacht begann einen
Monat nach dem Ausbruch der
Feindseligkeiten zwischen Italien und
Österreich-Ungarn. Eingeleitet wurde sie
durch einen siebentägigen
Artilleriebeschuss, allerdings konnte die
italienische Artillerie dem Gegner keinen
größeren Schaden zufügen.
2.
Isonzoschlacht (17. Juli - 10. August
1915)
Die Italiener leiteten diesmal den
Angriff mit einem kürzeren, nur zwei
Tage dauernden Artilleriebeschuss ein.
3.
Isonzoschlacht (18. Oktober - 4. November
1915)
Der Durchbruch in Richtung Monte San
Michele gelang den Italienern nicht, sie
eroberten nur einige Schützengräben
unterhalb des Hochplateaus von Doberdo.
Auch ihre Angriffe auf den Brückenkopf
bei Görz mißlangen völlig.
4.
Isonzoschlacht (10. November - 14.
Dezember 1915)
Diese Schlacht wurde auch Schlacht
für das Parlament" genannt. General
Luigi Cadorna wollte um jeden Preis noch
vor dem Beginn der Parlamentssaison einen
großen Erfolg erzielen. Das Hauptziel
des Angriffs war die Besetzung von Görz,
denn bisherige Misserfolge und Verluste
drohten eine innenpolitische Krise
heraufzubeschwören.
5.
Isonzoschlacht (11. - 16. März 1916)
Eine der kürzesten Schlachten, die
Offensive wurde von den Italienern auf
Verlangen der Entente durchgeführt, um
die Verbündeten in der Schlacht von
Verdun zu entlasten. Das italienische
Oberkommando überließ die Initiative
völlig den Kommandos der 2. und 3.
Armee.
6.
Isonzoschlacht (4. - 15. August 1916)
Für die italienische Seite war das
sicherlich die erfolgreichste Schlacht am
Isonzo, denn sie konnten Görz sowie die
Hochfläche von Doberdo erobern. Die
Offensive wurde sehr gut vorbereitet und
noch besser durchgeführt. Allerdings
gingen den Italienern die Umstände zur
Hand: die Mittelmächte befanden sich
überall in der Defensive, und Boroevic
waren zuvor die besten Truppen entzogen
worden.
7.
Isonzoschlacht (14. - 18. September 1916)
In dieser Offensive griffen die Italiener
im Karst von der Adria bis nach Görz an.
Den Angriff führte die 3. Armee an, um
den Durchbruch über die Anhöhe Fajti
hrib (Kote 432) in Richtung Trstelj zu
erzwingen und die Verteidigung von Triest
zu gefährden.
8.
Isonzoschlacht (9. - 12. Oktober 1916)
Diese Schlacht war eine Fortsetzung der
vorherigen in jeder Hinsicht. Ein
Ablenkungsangriff wurde auf dem Abschnitt
von der Wippach bis Sankt Peter bei Görz
durchgeführt. Das eigentliche Ziel des
Angriffs war jedoch ein
Durchbruchsversuch im Süden, um die
Verteidigung von Triest zu gefährden.
9.
Isonzoschlacht (31. Oktober - 4. November
1916)
Der eigentliche Vorstoß der Italiener
richtete sich gegen den Süden, wobei sie
um Görz herum lediglich
Ablenkungsmanöver durchführten. Auf
einem Abschnitt von nur 8,5 Kilometer
konzentrierten die Italiener ganze acht
Divisionen. Der Artilleriebeschuss
dauerte fünf lange Tage.
Den Italienern gelang es zwar, die
Verteidigungslinien auf dem Berg
Volkovnjak (Kote 284) zu durchbrechen und
die Höhe Fajti hrib zu erobern. Sie
drangen bis Kostanjevica vor und
umfassten das Dorf Hudi log. Die 5.
österreichisch-ungarische Armee war kurz
vor dem Zusammenbruch sammelte sich
jedoch und schlug die Italiener wieder
über die Anhöhe Fajti hrib zurück.
Die neue Frontlinie streckte sich von
Fajti hrib - Kostanjevica - Korita zum
Fluss Timava.
10.
Isonzoschlacht (12. Mai - 5. Juni 1917)
Das Ziel war bisTriest vorzustoßen. Die
Schlacht begann mit einem
zweieinhalbtägigen Artilleriebeschuss
von Tolmein bis zur Adria. Zuerst wurde
ein Täuschungsangriff auf den
Brückenkopf bei Görz eingeleitet. Der
Hauptangriff verlagerte sich dann auf den
Abschnitt südlich von Görz.
Den Italienern gelang es zwar, das Dorf
Jamiano zu erobern, sie wurden aber von
der Höhe Hermada aus von den
Verteidigern wieder zurückgeworfen.
Nördlich von Görz zwischen Zagora und
dem Monte Santo gelang es den Italienern,
den Isonzo zu überqueren und sich dort
auch zu halten.
11.
Isonzoschlacht (17. August - 12.
September 1917)
Italien war sich der Gefahr eines
Großangriffs von Seiten
Österreich-Ungarns bewusst, da die
Entete überall Niederlagen hinnehmen
musste. Trotzdem gehört diese Schlacht
zu den erfolgreichsten für die
Italiener, denn es gelang ihnen, das
Hochplateau Bainsizza zu erobern. Das
Ziel war aber weit höher gesteckt, denn
sie wollten weiter vorstoßen und die
gegnerischen Verbindungswege von Süden
nach Norden unterbrechen, während das
Hauptziel im Süden Triest war.
12.
Isonzoschlacht (24. - 27. Oktober 1917)
Im äußersten Norden der Front vom
Rombon bis Log auf dem Hochplateau
Bainsizza, wo die entscheidenden Kämpfe
der letzten Isonzoschlacht stattfanden,
hatten die Italiener 400 Bataillone,
1.500 Geschütze und 1.200 Minenwerfer
konzentriert, während die Mittelmächte
an dieser Stelle 180 Bataillone, 1.850
Geschütze und über 300 Minenwerfer in
den Kampf warfen.
Der
Artilleriebeschuss der italienischen
Stellungen vom Hochplateau Bainsizza bis
Flitsch fing um 2 Uhr früh an und
dauerte bis 6 Uhr morgens. Darauf wurden
gezielt italienische
Verteidigungsstellungen unter Beschuss
genommen und mehr oder weniger stark
zerstört. Die ersten Meldungen, die das
Kommando der 2. italienischen Armee
erreichten, waren noch recht
optimistisch. Der Artilleriebeschuss sei
demnach nicht besonders effektiv gewesen
und deutete auf keinen größeren
Offensivschlag hin. Allerdings waren
schon sehr bald die
Kommunikationsverbindungen auf der
italienischen Seite völlig zerstört.
Dadurch wurde die Koordination
verschiedener italienischen Einheiten
bereits in dieser frühen Phase
unterbunden. Der Angriff der
Mittelmächte zeigte schon an diesem
ersten Tag Wirkung. Bis zum Abend drangen
sie auf einem 30 Kilometer langen
Abschnitt vier bis neun Kilometer in die
Tiefe und durchbrachen alle drei dicht
gestaffelten italienischen
Verteidigungslinien. Die Italiener
leisteten keinen nennenswerten
Widerstand.
Alle
italienischen Verteidigungsstellungen von
Kambresko bis zum Rombon wurden zerstört
und eingenommen. Lediglich die
italienischen Stellungen auf dem Monte
Matajur griffen die Truppen der
Mittelmächte noch nicht an. Am Abend
erreichten die Truppen der Mittelmächte
die Linie Prestrelje nek - Kanin -
Skutnik - Uccea - Stol - Monte Mia -
Prapotnizza - Globocak - Kambresko - Ron
zina - Kanalski vrh - Bäte. Im oberen
Isonzotal wurde die Staatsgrenze erreicht
und das erste operative Ziel damit
umgesetzt. Nun konnten Boroevic'
Verbände im Süden zum Angriff
übergehen.
Die
Mittelmächte waren bereit für einen
Offensivschlag in die Ebene von Friaul.
Am Abend erreichten die 14. deutsche
Armee und die ihr unterstellten k. u. k.
Truppen die neue Linie Prevala über
Rombon - Kanin - Stolvizza - Nizki vrh -
Passo di Tanamea - Monte Maggiore - Monte
Cavallo - die Dörfer Platischis,
Prosenicco, Robedisce - Clenia - San
Leonardo - San Giovanni - Zapotok.
Am
27. Oktober brach die italienische 2.
Armee endgültig zusammen. Cividale war
bereits am Abend zuvor von den
Mittelmächten eingenommen worden. An
diesem Tag wurde auch Udine besetzt, wo
der Sitz des italienischen Oberkommandos
war. General Cadorna befahl den Rückzug
der 3. Armee vom Hochplateau Bainsizza.
Auch die beiden Armeen, die unter dem
Befehl von Boroevic standen, gingen
nunmehr zum Angriff über. Sie verfolgten
konsequent die flüchtenden Italiener,
die keinen nennenswerten Widerstand mehr
leisteten. Die Mittelmächte konnten
ungehindert in Görz einmarschieren. In
den darauffolgenden Tagen wurden die
Italiener zunächst bis zum Tagliamento
und dann weiter bis zum Piave
zurückgetrieben. Die italienische 3.
Armee zog sich geordneter zurück und
hatte deshalb auch keine allzu großen
Verluste vorzuweisen. Damit ging die
letzte Schlacht am Isonzo zu Ende.
Die Italiener zogen sich fast 300
Kilometer tief ins Hinterland bis über
den Piave zurück. Über 300.000
italienische Soldaten gingen in die
Gefangenschaft, während über 400.000
einfach ihre Waffen wegwarfen und in das
Landesinnere desertierten.
Etwa 10.000 italienische Soldaten wurden
getötet, während die Verluste der
Mittelmächte nur 1.000 Soldaten
betrugen. Darüber hinaus ließen die
Italiener Tausende Geschütze und
Unmengen an Material und Ausrüstung
zurück. General Cadorna wurde angesichts
des Ausmaßes der Niederlage seines
Kommandos enthoben.
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