Die
Nachkriegsordnung - 1.
Republik - Deutschösterreich
1918/19:
Deutschösterreich: Deutschösterreich
(auch Deutsch-Österreich) war in der
Österreichisch-Ungarischen Monarchie eine
inoffizielle Bezeichnung der mehrheitlich
deutschsprachigen Gebiete Cisleithaniens. Im Zuge
der Auflösung der Doppelmonarchie (28.31.
Oktober 1918), der endgültigen Niederlage der
k.u.k. Armee im Ersten Weltkrieg (3. November
1918) und des Endes der Monarchie (11. November
1918) traten die deutschsprachigen Abgeordneten
des Reichsrats am 21. Oktober 1918 in Wien
zusammen und nannten das von ihnen vertretene
Gebiet offiziell Deutschösterreich. Der neue
Staat musste aber am 10. September 1919 im
Vertrag von Saint-Germain dem von den Siegern
gewünschten Staatsnamen Republik Österreich
zustimmen und führte diesen am Tag der
Ratifizierung des Vertrages, dem 21. Oktober
1919, offiziell ein.
Vorgeschichte: Mit der Niederlage
und dem militärischen Zusammenbruch
Österreich-Ungarns am Ende des Ersten
Weltkrieges im Oktober 1918 endete die
Habsburgermonarchie. Weder die österreichische
noch die ungarische Reichshälfte (ab 31. Oktober
voneinander unabhängig) wurde als Staat formell
aufgelöst, aber auf ihren Territorien gründeten
sich die neuen souveränen Staaten
Tschechoslowakei (28. Oktober; von den Tschechen
seit 1916 vorbereitet) und Deutschösterreich
(30. Oktober). Ungarn blieb nach einem
Zwischenspiel als Räterepublik ein Königreich
ohne König mit nur einem Drittel der Fläche
Transleithaniens. Weitere Gebiete wechselten zu
Italien, dem neuen Staat der Serben, Kroaten und
Slowenen, Rumänien und zu Polen, das als Staat
aus Teilen Altösterreichs, Deutschlands und
Russlands wiedererschaffen wurde.
Am 21. Oktober 1918 traten die zuletzt 1911
gewählten Reichsratsabgeordneten des deutschen
Österreich im niederösterreichischen Landhaus
in Wien als Nationalversammlung der deutschen
Abgeordneten zusammen. Zu dieser konstituierenden
Sitzung kamen von den insgesamt 516
Reichsratsabgeordneten die 208 Vertreter jener
Gebiete der ehemaligen Monarchie zusammen, die
überwiegend deutschsprachig besiedelt waren. Es
handelte sich um 65 christlichsoziale und 37
sozialdemokratische Abgeordnete sowie 106
Vertreter deutschnationaler und liberaler
Gruppierungen. Zu Präsidenten der Versammlung
wurden Franz Dinghofer (Deutschnationale
Bewegung), Jodok Fink (Christlichsoziale Partei)
und Karl Seitz (Sozialdemokratische
Arbeiterpartei) gewählt. Für sich selbst
beschloss die Versammlung den Namen Provisorische
Nationalversammlung für Deutschösterreich,
womit die amtliche Staatsbezeichnung festgelegt
war.
Karl Seitz,
in den Gründungsjahren der Republik
Staatsoberhaupt, erklärte nach seiner Wahl:
Wir legen heute den Grundstein für ein
neues Deutschösterreich. Dieses neue
Deutschösterreich wird errichtet werden nach dem
Willen des deutschen Volkes. Speziell die
Sozialdemokraten und die Großdeutschen verbanden
damals mit dem Begriff Österreich
die vergangene Habsburgermonarchie. Karl Renner
hatte daher in seinem im Oktober 1918
entstandenen, vor der Beschlussfassung mehrfach
geänderten Entwurf zur provisorischen Verfassung
den neuen Staat als
Südostdeutschland bezeichnet. Auch
Vorschläge wie Hochdeutschland,
Deutsches Bergreich,
Donau-Germanien, Ostsass,
Ostdeutscher Bund,
Deutschmark, Teutheim,
Treuland, Friedeland oder
Deutsches Friedland waren als
Vorschläge in Umlauf. Schließlich setzten sich
jedoch die christlichsozialen Politiker durch,
die den Österreich-Begriff nicht völlig
aufgeben wollten.
Von der
Provisorischen Nationalversammlung wurden:
die
Gebietsgewalt über alle
deutschsprachigen Gebiete der ehemaligen
Monarchie beansprucht,
die Wahl der
konstituierenden Nationalversammlung
angekündigt (fand am 16. Februar 1919
statt),
aus der
Mitte der Abgeordneten ein
Vollzugsausschuss, der Staatsrat, mit 20
Mitgliedern (darunter die drei
Präsidenten der Prov.
Nationalversammlung, der Staatskanzler
und der Staatsnotar) gewählt und
weitere
fünf Ausschüsse der Prov.
Nationalversammlung konstituiert.
Parallel dazu
organisierten sich die anderen Nachfolgestaaten
der ehemaligen Doppelmonarchie. Am 24. Oktober
erklärten galizische Politiker, ein gemeinsames
Parlament in Wien sei ab sofort sinnlos.
Tschechische Politiker gründeten am 28. Oktober
1918 die Tschechoslowakische Republik, Kroatien,
Serbien und Slowenien bildeten am 29. Oktober das
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (ab
1929 Königreich Jugoslawien). Am 31. Oktober
erklärte das Königreich Ungarn die Realunion
mit Österreich für beendet.
Der neue Staat:
Die Erste
Regierung:
Am 30. Oktober wählte die Provisorische
Nationalversammlung unter Vorsitz von Karl Seitz
die erste Staatsregierung, womit die
Staatswerdung abgeschlossen war. Staatskanzler
der Konzentrationsregierung aus Sozialdemokraten,
Christlichsozialen und Großdeutschen wurde der
Sozialdemokrat Karl Renner. Gleichzeitig amtierte
in den ersten Novembertagen 1918 noch die
kaiserlich-königliche Regierung Heinrich
Lammasch, deren Zuständigkeitsbereich sich
innerhalb einer Woche von ganz Cisleithanien auf
das verkleinerte neue Österreich reduziert
hatte. Sie administrierte die Auflösung des
früheren Staatsgebietes, soweit sie von Wien aus
zu beeinflussen war, und übergab ihre Agenden
sukzessive der neuen Regierung.
Klärung der Staatsform:
Derneue
Staat hatte seine Staatsform vorerst offen
gelassen. Sozialdemokraten plädierten für die
Republik, die Christlichsozialen konnten sich den
Kaiser vorerst noch als lebenslänglichen
Volksanwalt, wie Ignaz Seipel die Funktion
in einem Zeitungsbeitrag beschrieb, vorstellen.
Letztlich nahmen auch die Christlichsozialen von
monarchischen Staatsformen Abstand. Ihre
Spitzenpolitiker arbeiteten gemeinsam mit Renner
und Vertretern der wenige Stunden später
entlassenen k.k. Regierung an der Erklärung, die
der zur vollständigen Abdankung nicht bereite
Kaiser abgeben sollte, um einen Konflikt des
Monarchen mit den Repräsentanten des
republikanischen Staates zu vermeiden.
Am11.
November 1918 unterzeichnete Kaiser Karl I. in
Schloss Schönbrunn die so genannte
Verzichtserklärung. Die Schlüsselsätze dieser
Erklärung lauteten:
Im
voraus erkenne ich die Entscheidung an, die
Deutschösterreich über seine künftige
Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine
Vertreter die Regierung übernommen. Ich
verzichte auf jeden Anteil an den
Staatsgeschäften.
Wiener
Zeitung, Nr. 261, Extra-Ausgabe, 11. November
1918
Inder
Erklärung enthob der Kaiser von Österreich
weiters seine Regierung ihres Amtes; noch am
gleichen Abend übersiedelte er nach Eckartsau in
den Donauauen, in ein Schloss im Privateigentum
der Habsburgischen Familienstiftung.
Proklamation
der Republik: Zu diesem
Zeitpunkt war für den 12. November von den neuen
Politikern längst die Ausrufung der Republik
vereinbart worden: Die Provisorische
Nationalversammlung trat im bis dahin dem
sich am gleichen Tag de facto selbst auflösenden
Reichsrat unterstehenden
Parlamentsgebäude zusammen und beschloss mit
nurzwei Gegenstimmen das Gesetz über die Staats-
und Regierungsform von Deutschösterreich.
Die ersten beiden Artikel lauteten:
Artikel 1
Deutschösterreich
ist eine demokratische Republik. Alle
öffentlichen Gewalten werden vom Volke
eingesetzt.
Artikel 2
Deutschösterreich
ist ein Bestandteil der Deutschen
Republik. Besondere Gesetze regeln die
Teilnahme Deutschösterreichs an der
Gesetzgebung und Verwaltung der Deutschen
Republik sowie die Ausdehnung des
Geltungsbereiches von Gesetzen und
Einrichtungen der Deutschen Republik auf
Deutschösterreich.
Gebietsansprüche: DieProvisorische
Nationalversammlung erhob Anspruch auf die
Gebietshoheit über das geschlossene
Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der im
Reichsrat vertretenen Königreiche und
Länder. Die proklamierte Republik umfasste
118.311 km² und 10,37 Mio. Einwohner, bestehend
aus:
Niederösterreich
(und der südmährische Kreis Znaim)
Oberösterreich
(und das deutsche Südböhmen um Krumau)
Steiermark
(inklusive Marburg an der Drau, jedoch
ohne die slowenische Untersteiermark)
Kärnten
(inklusive das mehrheitlich slowenisch
besiedelte Südkärnten sowie das
dreisprachige Kanaltal)
Tirol (mit
Südtirol, jedoch ohne Welschtirol)
Vorarlberg
Salzburg
Deutschböhmen
(mit der Stadt Eger und Karlsbad)
Sudetenland
(der deutsch besiedelte Nordrand von
Böhmen und Mähren sowie
Österreichisch-Schlesien)
die
Einschlußgebiete Iglau,
Olmütz und Brünn (Sprachinseln
mehrheitlich deutscher Städte in
tschechischem Gebiet)
Auf
Deutsch-Westungarn (später Burgenland) wurde im
Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker
politisch, nicht aber rechtlich Anspruch erhoben.
Der rechtliche Anspruch Österreichs entstand
erst im Oktober 1919 mit dem Staatsvertrag von
Saint-Germain-en-Laye und wurde 1921 weitgehend
eingelöst.
Das Ende des
Staatskonzepts Deutschösterreich:
Es stellte sich
bereits im Frühjahr 1919 heraus, dass das
Staatskonzept Deutschösterreichs nicht
realisierbar war. Es gelang dem Kriegsverlierer
Österreich nicht, all jene Gebiete des früheren
kaiserlichen Österreich in einem Staat
zusammenzufassen, auf die er Anspruch erhob.
Südtirol, seit dem 3. November 1918 bereits
italienisch besetzt, wurde schließlich von
Italien formal annektiert; die teils
deutschsprachig besiedelten Gebiete Böhmens und
Mährens waren von der Tschechoslowakei besetzt
worden und fielen letztendlich ihr zu. Auch der
Zusammenschluss mit der Weimarer Republik, der
unter anderem unter Berufung auf das von
US-Präsident Woodrow Wilson formulierte
Selbstbestimmungsrecht der Völker angestrebt
wurde, konnte nicht realisiert werden.
Die am 16. Februar
1919 gewählte Konstituierende
Nationalversammlung 72 Sozialdemokraten,
69 Christlichsoziale, 26 Vertreter
deutschnationaler Gruppierungen, 1 Tscheche, 1
bürgerlicher Demokrat, 1 Zionist nahm
daher von der ursprünglichen Absicht der
provisorischen Verfassung Abstand, für die von
Deutschen besiedelten Gebiete Tschechiens, deren
Bewohner nicht mitwählen konnten, ernannte
Volksvertreter einzusetzen. Dies hätte zu
enormen außenpolitischen Problemen geführt.
Renner rechnete am
5. März 1919 in der zweiten Sitzung der
Konstituierenden Nationalversammlung vor, dass
rund vier Millionen unzweifelhaft deutsche
Einwohner, das seien mehr als die
ganze Schweiz Einwohner hat, daran
gehindert worden seien, das neue Parlament
Deutschösterreichs mitzuwählen; damit habe man
eine Teilung Deutschlands bewirkt. Im
Einzelnen nannte der Staatskanzler:
Deutschböhmen
mit 14.496 km² und 2,23 Mio. Einwohnern
Böhmerwaldgau
(an Oberösterreich anzuschließen) mit
3.280 km² und 183.000 Einwohnern
Provinz
Sudetenland mit 6.533 km² und 678.800
Einwohnern
Kreis
Deutsch-Südmähren mit 1.840 km² und
173.000 Einwohnern
Sprachinsel
Brünn mit 140.000 Einwohnern
Sprachinsel
Olmütz mit 48.000 Einwohnern
Sprachinsel
Iglau mit 37.000 Einwohnern
An
Niederösterreich anzuschließende
südmährische Gemeinden mit 385 km² und
22.900 Einwohnern
Im Norden
somit 27.022 km² und 3.515.509 Einwohner
Deutsch-Südtirol
mit 6.496 km² und 250.861 Einwohnern
Am 10. September
1919 unterzeichnete Staatskanzler Renner den
Vertrag von Saint-Germain (vgl. Pariser
Vorortverträge), der als Diktat der
Siegermächte bezeichnet wurde. Mit der
Ratifizierung des Vertrages durch die
Nationalversammlung am 21. Oktober wurde der Name
des Landes gemäß den Vertragsbestimmungen von
Staat Deutschösterreich auf Republik Österreich
geändert. Die Bestrebungen zum Zusammenschluss
mit dem republikanischen Deutschen Reich wurden
durch entsprechende Artikel sowohl im Vertrag von
Saint-Germain für Österreich (Artikel 88:
Die Unabhängigkeit Österreichs ist
unabänderlich, es sei denn, daß der Rat des
Völkerbundes einer Abänderung zustimmt.
[ ], vgl. Anschlussverbot) wie auch im
Versailler Vertrag für das Deutsche Reich
(Artikel 80: Deutschland erkennt die
Unabhängigkeit Österreichs innerhalb der durch
Vertrag zwischen diesem Staate und den alliierten
und assoziierten Hauptmächten festzusetzenden
Grenzen an und verpflichtet sich, sie unbedingt
zu achten [ ]) obsolet. Die
Siegermächte des Großen Krieges
wollten damit ein neues übermächtiges
Deutschland verhindern.
Abgesehen von den
nicht erreichten Zielen wurden im Friedensvertrag
die Kärntner Gebiete Mießtal und Unterdrauburg
Slowenien und das seit November 1918 von Italien
besetzte Kanaltal mit Tarvis Italien
zugesprochen, Feldsberg und Gmünd-Böhmzeil in
Niederösterreich der Tschechoslowakei. Die
Untersteiermark, der südlichste Teil der
historischen Steiermark, wurde Ende Oktober 1918
dem neu entstandenen Slowenien angeschlossen.
Andererseits wurde im Vertrag Deutsch-Westungarn
Österreich zugesprochen und im Herbst 1921
angeschlossen; das Gebiet von Ödenburg,
natürliche Hauptstadt des Gebiets, blieb auf
Grund einer von Ungarn nachträglich erreichten,
nicht einwandfreien Volksabstimmung (14. Dezember
1921) bei Ungarn.
Karl Renner
verfasste 1920 eine Hymne, Deutschösterreich, du
herrliches Land, die den nicht mehr
staatsoffiziellen Landesnamen enthielt. Die
Komposition wurde allerdings nie offiziell zur
Nationalhymne erklärt. Die Sozialdemokratische
Arbeiter-Partei Deutschösterreichs änderte
hingegen ihren Namen nicht. (Teile aus
wikipedia.org)
Deutschösterreich, du herrliches Land:
1.
Deutschösterreich, du herrliches Land,
wir lieben dich!
Hoch von der Alm unterm Gletscherdom
Stürzen die Wasser zum Donaustrom
Tränken im Hochland Hirten und Lämmer,
Treiben am Absturz Mühlen und Hämmer,
Grüßen viel Dörfer, viel Städte und
ziehn
Jauchzend zum Ziel, unserm einzigen Wien!
Du herrliches Land, unser Heimatland,
Wir lieben dich, wir schirmen dich.
3.
Deutschösterreich, du treusinnig Volk,
wir lieben dich!
Dienende Treu schuf dir Not und Reu,
Sei uns in Freiheit dir selber treu!
Gibt es ein Schlachtfeld rings in den
Reichen,
Wo deiner Söhne Knochen nicht bleichen?
Endlich brachst du die Ketten entzwei,
Diene dir selber, sei dein! Sei frei!
Du treusinnig Volk, unser Duldervolk,
Wir lieben dich, wir schirmen dich.
2.
Deutschösterreich, du tüchtiges Volk,
wir lieben dich!
Hart ist dein Boden und karg dein Brot,
Stark doch macht dich und klug die Not.
Seelen, die gleich wie Berge beständig,
Sinne, die gleich wie Wasser lebendig,
Herzen so sonnig, mitteilsamer Gunst,
Schaffen sich selber ihr Glück, ihre
Kunst.
Du tüchtiges Volk, unser Muttervolk,
Wir lieben dich, wir schirmen dich.
4.
Deutschösterreich, du Bergländerbund,
wir lieben dich!
Frei durch die Tat und vereint durch
Wahl,
eins durch Geschick und durch Blut zumal.
Einig auf ewig, Ostalpenlande!
Treu unserm Volkstum, treu dem Verbande!
Friede dem Freund, doch dem Feinde, der
droht,
Wehrhaften Trotz in Kampf und Not!
Du Bergländerbund, unser Ostalpenbund,
Wir lieben dich, wir schirmen dich.