Die Folgen der Schlacht von
Vittorio Veneto bedeutete das Ende des Krieges zwischen
Österreich-Ungarn und Italien und trug zum Erfolg der
Entente-Mächte bei.
Nach dem Zusammenbruch der
Bulgarienfront Mitte September 1918 sah General Diaz den
Augenblick für eine entscheidende Offensive gekommen.
Die österreichisch-ungarische Armee hatte im Juni 1918
große Verluste erlitten. Die Entwicklung an der
Westfront. wo die Deutschen sich auf dem Rückzug
befanden, machte Österreich-Ungarns Situation noch
schwieriger. Es dauerte Monate, bis die Alliierten und
die italienische Regierung, General Diaz überzeugt
hatten, in die Offensive zu gehen, doch der
Oberbefehlshaber der italienischen Armee wollte sicher
gehen, dass seine Truppen sowohl von ihrer Stärke als
auch der Bewaffnung im Stande waren, ihre Aufgabe zu
erfüllen.
Im Herbst 1918 konnte
Italien insgesamt 57 Divisionen aufbieten (51
italienische und 6 Alliierte) die über 7.700 Geschütze
und 1.745 Minenwerfer verfügten. Die
österreichisch-ungarischen Streitkräfte waren in etwa
gleich stark. Heftiger Regen verzögerte die italienische
Offensive, die schließlich am 24. Oktober 1918 begann.
Zu diesem Zeitpunkt war genau ein Jahr seit er
verheerenden Niederlage der italienischen Truppen bei
Karfreit (Caporetto) vergangen.
Der Operationsplan sah
zunächst einen Scheinangriff auf der Hochebene von
Assiago sowie südlich des Montello vor, durch den die
feindlichen Armeen, die Venetien und das Trentino
besetzten, gespalten werden sollten. Die ersten beiden
Tage der Offensive wurden vor allem durch den ständigen
Regen und das Hochwasser der Piave erschwert. Einige der
Brücken, die die Italiener errichtet hatten, wurden
weggerissen.
In der Nacht vom 24. auf den
25. Oktober 1918 waren die italienischen Brückenköpfe
am Westufer ernstlich bedroht, doch am 25. Oktober
erfolgte dann der Vorstoß der italienischen Truppen in
sechs verschiedenen Richtungen. Die
österreichisch-ungarischen Streitkräfte hielten dem
ersten Ansturm stand, bekamen dann aber den Befehl, sich
an die Landesgrenze zurückzuziehen. Der Eisenbahnknoten
Vittorio Veneto, eines der großen Ziele der
italienischen Offensive, wurde am 29. Oktober
eingenommen. Die Italiener folgten den auf dem Rückzug
befindlichen k.k. Truppen und erreichten wenig später,
am 3. November, Trient und auch Triest.
Noch am selben Tag wurde in
Padua, der (vom Armeeoberkommando Österreich-Ungarns
stümperhaft ausverhandelte - oder so gewollter?)
Waffenstillstandsvertrag, zwischen Österreich-Ungarn und
Italien unterzeichnet; mit 4. November 1918 um 15.00 Uhr,
war damit der Krieg zwischen den beiden Ländern
offiziell beendet.
Mit der Schlacht am Piave
errang Italien einen unvergleichlichen und
grandiosen Sieg (Benito Mussolini). Zur Feier des
Sieges komponierte Ermete Giovanni Gaeta das Piavelied
(La Canzone del Piave), das in den Jahren 19461948
sogar als Nationalhymne der jungen italienischen Republik
fungierte.
Andere schätzten das Ausmaß dieses italienischen Sieges
kritischer ein. Der Publizist Giuseppe Prezzolini, der
die Schlacht als Augenzeuge erlebte, war der Meinung:
Vittorio Veneto ist kein militärischer Sieg
gewesen, aus dem einfachen Grunde, weil es eine Schlacht
geben muss, damit man einen Sieg erlangen kann, und damit
es eine Schlacht gibt, muss ein Feind da sein, der sich
schlägt. Nun gab es in Vittorio Veneto aber einen Feind,
der sich zurückzog. Vittorio Veneto war ein Rückzug,
den wir in Unordnung und Konfusion gestürzt haben; nicht
eine Schlacht, die wir gewonnen haben.
Beteiligte
Verbände bei der Schlacht von Vittorio Veneto: |
Italien |
51 Divisionen |
Frankreich |
2 Divisionen |
Großbritannien |
3 Divisionen |
Tschechen |
1 Division |
USA |
1 Infanterie
Regiment |
Österreich-Ungarn |
18 Divisionen 1.
Kategorie
14 Divisionen 2. Kategorie |
Politischer
und militärischer Zerfall Österreich-Ungarns:
Die
politische Lage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn
spitzte sich immer mehr zu. Am 24. Oktober rief die
ungarische Regierung angesichts des verlorenen Krieges
ihre Truppen zurück, um Ungarn, dem ein Einmarsch von
Südosten her drohte, zu verteidigen. Dies wirkte sich
auf tschechische und andere Truppen des
Vielvölkerstaates aus. Deutsch-österreichische Truppen
kämpften weiter, konnten aber die durch abziehende
Ungarn entstandenen Lücken nicht füllen. Am 28. Oktober
wurde die Tschechoslowakei gegründet und am 29. Oktober
spalteten sich die Staaten, die sich dem späteren
Jugoslawien anschlossen, ab. Am 31. Oktober endete die
Existenz Österreich-Ungarns formal mit dem Austritt
Ungarns.
Der
italienische Sieg von Vittorio Veneto bestätigte das
Ende Österreich-Ungarns, das am 31. Oktober 1918 mit dem
Austritt Ungarns aufhörte zu existieren, nachdem sich am
28. und 29. Oktober bereits die Tschechoslowakei und
Kroatien für unabhängig erklärt hatten
(völkerrechtliche Bestätigung am 10. September 1919 im
Vertrag von Saint-Germain, in Kraft getreten am 16. Juli
1920).
Österreichische
Parlamentäre übergaben bereits am 29. Oktober 1918 in
der Nähe des Gardasees ein schriftliches
Waffenstillstandsersuchen. Am folgenden Tag traf eine
österreichische Delegation unter General Viktor Weber
von Webenau mit einer von General Pietro Badoglio
geführten italienischen Delegation in Padua zusammen.
Die österreichische Seite war beauftragt worden,
schnellstmöglich einen Waffenstillstand auszuhandeln,
der nicht den Charakter einer Kapitulation haben sollte.
Die Italiener übergaben die aus Paris übermittelten
Bedingungen der Entente (kurz darauf schickte Paris die
genauen Klauseln, zu denen noch italienische
Zusatzklauseln kamen), welche in der Substanz eine
Kapitulation Österreich-Ungarns verlangten, was Webenau
angesichts der Vorgaben aus Wien nicht akzeptieren
konnte. Mit der harten Kapitulationsforderung
konfrontiert und zugleich an die (angesichts der
militärischen Lage) völlig unrealistischen
Vorstellungen Wiens über einen Waffenstillstand
gebunden, blieb Webenau nichts anderes übrig, als drei
seiner Delegationsmitglieder (Schneller, Liechtenstein,
Ruggera) nach Trient zu schicken, um den dortigen General
Waldstätten um neue Verhandlungsvorgaben zu bitten.
Dieser verwies auf die Führung in Wien. Auf einem ersten
Treffen zwischen Kaiser Karl, seinen Ministern und
Generalen traf man keine Entscheidung, sondern richtete
eine Erklärung an die Völker Österreich-Ungarns. Auch
auf folgenden Sitzungen wurden keine Entscheidungen
getroffen, sondern Zuständigkeiten bezüglich des
Waffenstillstands von einem Gremium zum anderen
geschoben.
Waffenstillstand
von Villa Giusti:
Während
in Wien niemand Verantwortung übernehmen wollte, wartete
man in Trient und Padua vergeblich auf klare Anweisungen.
Österreichische Soldaten starben oder gerieten auf
erniedrigende Weise in Gefangenschaft, weil die Führung
in Wien Webenau in Padua allein ließ. Als die Italiener
ungeduldig wurden und drohten, die Verhandlungen
abzubrechen, trafen in Trient widersprüchliche
Telegramme aus Wien ein. Zunächst akzeptierte man die
Bedingungen der Entente und Italiens, dann widerrief der
Kaiser sein Einverständnis. In der Zwischenzeit hatte
man den österreichischen Truppen (3. November) aufgrund
eines dieser Telegramme den Befehl gegeben, das Feuer
einzustellen. Am Ort der Waffenstillstandsverhandlungen
wusste man nicht nur nichts von der einseitigen
österreichischen Feuereinstellung (wobei nicht alle
österreichischen Verbände das Feuer einstellten),
sondern auch sonst nichts von den Telegrammen, die
zwischen Wien und Trient unterwegs waren. Als Webenau
nach Entsendung eines weiteren Delegationsmitglieds nach
Trient endlich die konfusen Telegramme zu Augen bekam,
brachten ihn diese keinen Schritt weiter. Schließlich
musste er allein eine Entscheidung treffen und
unterschrieb den Waffenstillstandsvertrag. Die erste
italienische Zusatzklausel legte unzweideutig fest, dass
die Kampfhandlungen 24 Stunden nach
Vertragsunterzeichnung einzustellen waren, um alle
Einheiten auf beiden Seiten der Front über die
Waffenstillstandsmodalitäten unterrichten zu können.
Die Italiener hielten dies für vernünftig, die
Österreicher für eine Verzögerungstaktik.
Die
Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages am 3.
November 1918 um 15:00 Uhr legte die Einstellung der
Kampfhandlungen rechtlich für beide Seiten bindend auf
den 4. November um 15:00 Uhr fest. Die Ergebnisse der
Beschlüsse von Padua, wohin die Vertreter
Österreich-Ungarns auf Bitte ihrer Regierung gekommen
waren, waren nicht nur formalrechtlich, sondern auch in
der Substanz für beide Seiten entscheidend. Die
Verantwortung für die einseitige österreichische
Feuereinstellung liegt dort, wo noch vor der
Unterzeichnung des Waffenstillstands einseitig der Befehl
zur Feuereinstellung gegeben wurde.
Kurz
nach dem Krieg veröffentlichte die neue österreichische
Führung u. a. in der Wehrzeitung ihre
Bewertung der Geschehnisse. Man gestand offiziell ein,
dass die Front zwischen Etsch und Adria in den ersten
Novembertagen, noch vor der Unterzeichnung des
Waffenstillstands bzw. der einseitigen Feuereinstellung,
völlig zusammengebrochen war; dass die österreichischen
Forderungen nach einer Einstellung der Kampfhandlungen
zeitgleich mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands
ungerechtfertigt weil technisch nicht realisierbar waren;
dass sich das österreichische Oberkommando gänzlich im
Ton vergriffen hatte, um der Weltöffentlichkeit zu
suggerieren, dass Italien ungerechtfertigterweise
versucht habe, so viele Gefangene wie nur möglich zu
machen, um einen militärischen Sieg zu konstruieren, den
es so überhaupt nicht gegeben habe. Auf diese Weise
sollte Österreich-Ungarns Position bei späteren
Verhandlungen verbessert werden.
Das Ende:
Die alte österr.-ungarische
Armee gab es nicht mehr, die Soldaten machten sich auf
den Weg nach Hause bzw. gingen in italienische
Gefangenschaft.
Der Sieg bei Vittorio Veneto war ein Sieg über einen
geschlagenen und sich in Auflösung befindlichen Gegner.
Ab diesem Zeitpunkt bestand die k.u.k. Monarchie schon
nicht mehr!
Schlusswort von
Generaloberst Arz (ehemaliger Kommandant des VI. Korps
und letzter Chef des Generalstabes):
Am 11. November hatte auch
Deutschland die Waffenstillstandsbedingungen angenommen,
die es zu Räumung Belgiens, Frankreichs,
Elsass-Lothringen und des linken Rheinufers zwangen.
Nun lösten sich auch die
Beziehungen zwischen den beiden Obersten Heeresleitungen,
die, dem Ernste der Zeit entsprechen, stets würdig und
harmonisch gewesen waren.
Abschiednehmend
telegraphierte mir Generalfeldmarschall von Hindenburg:
"Euer Exzellenz möchte
ich zum Abschluss des schweren Kampfes, den die
verbündeten Heere Deutschlands und Österreich-Ungarns
gegen die ganze Welt geführt haben, meinen wärmsten
Dank sagen für die treue und kameradschaftliche
Mitarbeit. Jedes gemeinsame Handeln ist erleichtert
worden durch das große Vertrauen, das ich stets in die
Person Euer Exzellenz setzen konnte und gesetzt habe.
Gestatten Euer Exzellenz, dass ich ihnen dafür in
aufrichtiger Freundschaft und Hochachtung zum Abschied
die Hand drücke.
von Hindenburg, Generalfeldmarschall."
Bewegt erwiderte ich:
"Euer Exzellenz bitte
ich, meinen gehorsamsten und herzlichsten Dank zu
empfangen für die mir stets bezeugte freundliche
Gesinnung. Voll Vertrauen zu Euer Exzellenz, habe ich
jederzeit getrachtet, in gemeinsamer Arbeit unserem Ziele
näherzukommen; gegen eine Welt von Feinden konnten wir
dieses nicht erreichen.
Der Ruhm der Waffen kann dadurch nicht verdunkelt werden,
wie die Größe der Heroen dadurch nicht verkleinert
werden könnte. Möge die Umwälzung, die sich in unseren
Ländern vollzieht, den schwergeprüften Völkern die
ersehnte Ruhe und Wohlfahrt bringen. In unentwegter Treue
und dankbarer Anhänglichkeit bleibe ich Herrn
Generalfeldmarschall gehorsamster
Arz, Generaloberst."
Ende November 1918 schrieb
ich (Generaloberst Arz) die letzte Seite meiner
Aufzeichnungen. Sie lautet:
"Jäh, wie vom Blitze
gefällt, ist Österreich-Ungarns alte und ruhmreiche
Armee nach vierjährigem, bewundernswertem Ringen mit
einer Welt von Feinden, als das Reich zertrümmert und
alle Bande gelöst waren, zusammengebrochen. Dank der
Tapferkeit und dem Heldenmute der Truppen war es ihr
gelungen, den Feind überall über die Grenzen des
Reiches zurückzuwerfen und, tief im Feindesland stehend,
einen festen Damm zu errichten, an dem sich die Wellen
der feindlichen Angriffe immer wieder brechen sollten.
Wenn dieser Damm durch die Länge der Zeit und die
zersetzenden Einflüsse des Hinterlandes schließlich
geborsten ist, so war dies nicht Schuld der Armee.
Diese hat ihre Pflicht getan.
Ehre ihrem Andenken."
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