1918 - das Ende
der alten Armee Österreich-Ungarns:
Frühling 1918:
Trotz der Schwierigkeiten, in denen die Mittelmächte
steckten, konnten die verbündeten Truppen beachtliche
Erfolge erzielen:
Die Niederlage von Karfreit
(Caporetto) zuvor hatte nicht nur innerhalb der
Streitkräfte, sondern auch der Regierung Italiens zu
Erschütterungen geführt. Doch allmählich erfing sich
das Land wieder, und im Frühling 1918 waren die
italienischen Truppen neu formiert, nachdem die Front mit
300.000 Mann und 3.000 Geschützen verstärkt worden war.
Im Frühling 1918 lag eine neue Offensive der
österreichischen Armee in der Luft. Der französische
General Foch, der für die Koordinierung zwischen den
alliierten Streitkräften zuständig war, schlug eine
Präventivoffensive vor - doch General Diaz entschied
sich für die vorsichtigere Variante und bereitete sich
sorgfältig auf den österreichisch-ungarischen Angriff
vor. Diese defensive Strategie sollte schließlich zum
Erfolg führen.
Vom 15. bis 23. Juni 1918
überschritten die k.u.k. Truppen unter Feldmarschall
Conrad von Hötzendorf und Feldmarschall Boroevic von
Bojna (Löwe vom Isonzo) an mehreren Punkten die Piave,
wurden jedoch schon nach kurzer Zeit wieder über den
Fluss zurückgedrängt. Am Abend des 23.
Juni 1918 konnte General Diaz
schließlich die Nachricht des italienischen Sieges
abschicken.
Unternehmen Lawine
(Tonale Offensive):
Der Hauptangriff sollte am
13. Juni 1918 über den Tonalepass einerseits in Richtung
Edolo (den Oligio abwärts nach Süden) und andererseits
in Richtung Bormio (nach Norden) vorgetragen werden.
Eingesetzte Kräfte waren
die 1. Infanterie Truppendivision am linken Flügel (nach
Edolo) und die 22. Schützendivision am rechten Flügel
(nach Bormio). Befehlshaber der Angriffstruppen war
Feldmarschallleutnant Metzger. Die italienische Führung
hatte jedoch die Absichten der Österreicher durchschaut
und mit Kräften der 5. Infanteriedivision bereits
ihrerseits die Cima di Presena und den Monticellograt
erobert, was den Italienern tiefe Einblicke in das Val di
Sole hinab und auf das österreichische Aufmarschgebiet
gewährte. Bereits am 12. Juni sollte die Brigade Oberst
Ellison die linke Flanke sichern und südlich des Tonale
den Monticello (2837 m), den Castellacio (3.020 m) und
die Cima di Presena (3.082 m) von den Italienern
zurückgewinnen. Die 1. und 2. österreichisch-ungarische
Infanteriebrigade sollten hintereinander gestaffelt über
die nur 2 km breite Passhöhe angreifen. Nördlich des
Passhöhe waren die Hochgebirgskompanien Nr. 21 und Nr.
30 unter Hauptmann Kristof darauf angesetzt, von der
Punta di Albiolo (2.970 m) her die Gebirgskämme nach
Süden in Richtung Tonale zu besetzen. Die Gruppe des
Oberstleutnants Taxis sollte von der Montozzoscharte
(Forcellina di Montozzo 2.613 m) das Valle di Viso
sichern, wenn möglich durch das angrenzende Valle di
Pezzo auf Ponte di Legno
vorstoßen und den angreifenden Truppen entgegenkommen.
Inzwischen hatte aber die italienische Führung neue
Kräfte herangeführt, um die Eroberungen vom Mai zu
sichern und zu erweitern. Der vorgezogene Angriff der
Brigade Ellison war durch das schlechte Wetter, die
Lawinengefahr und die nicht mehr zu solchen Leistungen
fähigen Männer augenblicklich zusammengebrochen.
Daraufhin wollte das Kommando der 1.
Infanterie-Truppendivision lediglich noch auf der
Passhöhe versuchen, den Durchbruch zu erzwingen. Dazu
wurden die 2. Brigade im Süden und die 1. Brigade im
Norden nebeneinander eingesetzt. Die gut verschanzten
Italiener brachten mit massierter Artillerie und
Schützenfeuer den Angreifern schwere Verluste bei. Nur
dem Ungarischen Infanterie Regiment
"Ritter von Frank" Nr. 61
aus Temesvár, Crkvice und Debrezin der 1. Brigade gelang
der Einbruch in die italienischen Stellungen, während
das Schwesterregiment, das Ungarische
Infanterie Regiment "Freiherr von Klobucar" Nr.
5 aus Eperies, Rogatica (Bosnien),
Szatmárnémeti und Kisszeben bereits vor dem ersten
Stacheldrahtverhau liegenblieb. Auch die 2.
Infanteriebrigade machte keine Fortschritte. Lediglich
bei der Brigade Ellison war man in bescheidenem Maße
vorwärtsgekommen, da allein die Hochgebirgskompanie Nr.
17 unter ihrem Führer, dem Leutnant Peter Scheider vom
Kaiserschützenregiment III, einen bemerkenswerten Erfolg
verzeichnete, als sie im Handstreich den Monticellograt
erobern und auch behaupten konnten. Dafür erhielt
Leutnant Scheider die höchste militärische Auszeichnung
der k.u.k. Monarchie, das Ritterkreuz des
Militär-Maria-Theresia-Ordens. Obwohl die
Aussichtslosigkeit der Lage klar zu erkennen war,
beabsichtigte Feldmarschallleutnant Metzger am nächsten
Tage einen erneuten Angriff mit der 22. Schützendivision
durchzuführen. Das AOK 10 war jedoch anderer Meinung und
untersagte alle weiteren Angriffe. Das Unternehmen Lawine
war somit bereits am ersten Tag gescheitert. Schlüsse
für die zwei Tage später beginnende und am Ende ebenso
erfolglose Piave-Offensive wurden daraus nicht gezogen.
(Österr. Kriegsarchiv)
Die italienische Offensive (mit Hilfe der Verbündeten)
an der Piave 1918:
Zuerst einmal muss
festgestellt werden dass die Offensive sicherlich kein
Angriff der italienischen Armee alleine war - sondern mit
Hilfe der Entente, Amerikaner, Kanadier, Australier usw.
durchgeführt wurde. Italien hätte es trotz der
Auflösungserscheinungen der k.u.k. Armee zu diesem
Zeitpunkt noch nicht alleine geschafft, dennoch rühmt
sich Italien heute noch über diesen glorreichen Sieg.
Überall befanden sich die
Mittelmächte und ihre Verbündeten in der Defensive. Auf
dem Balkan durchbrachen die Alliierten im September 1918
die Front in Mazedonien, woraufhin sich das bulgarische
Heer auflöste. Am 30. September unterzeichnete Bulgarien
den Waffenstillstand. Die serbische Armee kehrte in ihre
Heimat zurück. Die Türkei unterzeichnete am 30. Oktober
den Waffenstillstand.
Noch immer aber tobte der
Kampf am Piave. Die Italiener begannen ihre Offensive am
Jahrestag der Niederlage bei Karfreit (in der Nacht vom
23. auf den 24. Oktober).
Der Vielvölkerstaat
zerbröckelte immer mehr und die Versorgung brach
zusammen!
Das italienische und das
österreichisch-ungarische Heer waren nur noch auf dem
Papier gleich stark.
Der erste italienische
Angriff auf dem Bergmassiv Grappa in der Nacht vom 23.
auf den 24. Oktober mißglückte. Die Kämpfe dauerten
vier Tage, unter aller Aufbietung der Reserven gelang es
der österreichischungarische Armee noch einmal, den
Angreifer zurückzuschlagen. Den Italienern gelang es
erst in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober, den Piave
zu überqueren.
Trotzdem gelang den
Italienern noch immer nicht der entscheidende Durchbruch.
Die Armeen Boroevic' zogen sich bis hinter den
Tagliamento zurück. Die österreichisch-ungarischen
Soldaten wollten aber nicht mehr kämpfen. Das Kriegsende
war nicht mehr fern.
In der Schlacht an der Piave
verlor die k.k. Armee 150.000 Mann, während die Verluste
auf italienischer Seite 90.000 Mann ausmachten. Durch
diese Niederlage musste die österreichisch-ungarische
Armee die Initiative an der Italienfront endgültig
abgeben. Die Italiener und die Alliierten
hatten die Invasion der k.k. Truppen in die venezianische
Ebene abwenden können. Diese Schlacht bildete die
Voraussetzung für den Sieg der Alliierten bei Vittorio
Veneto, der den Zusammenbruch der Mittelmächte
besiegelte.
Im klassischen, militärischen Sinne war die Armee
Österreich-Ungarns bis dahin ungeschlagen geblieben,
(die entsprechenden Voraussetzungen dafür waren nicht
erfüllt - sie hatte nicht kapituliert, es gab keine
vernichtende Niederlage und das Land war nicht vom Feind
besetzt) was jedoch einzig am Zeitpunkt des
Waffenstillstandes lag und nicht darüber hinwegtäuschen
kann, dass ein Widerstand über den Herbst/Winter 1918
hinaus nicht möglich gewesen wäre.
Bei Beginn der
Verhandlungen zum Waffenstillstand, Ende Oktober 1918,
ergab sich für die österreichisch-ungarische Armee
folgende Lage:
Mit dem Einsatz aller zuletzt verfügbaren Kräfte gelang
es bis zu den Waffenstillstandsverhandlungen die
Frontlinien zu halten, ohne dass dies jedoch am Ergebnis
etwas geändert hätte. Entgegen den Erwartungen des
eigenen Oberkommandos konnten sogar die ersten Angriffe
der alliierten Großoffensive am 24. Oktober 1918 an der
Südwestfront noch abgewehrt werden, auch wenn dies
letztendlich keine große Bedeutung mehr hatte. Obwohl
einzelne Truppenteile noch erheblichen Widerstand
leisteten, so wie das k.u.k. XXIV. Korps unter General
Hafdy kam es durch weitere Meutereien (z.B. das
Budapester Jägerbataillon 24, das tschechische
Schützenregiment Hohenmauth Nr. 30 und
andere) und das Verlassen der Frontlinie durch ganze
Divisionen (27. und 38. Infanterie-Truppendivision) dazu,
dass die Front immer weiter zurückgenommen werden musste
bzw. die Kampftruppen zurückgedrängt wurden und die
Lage immer unhaltbarer wurde.
Im Einzelnen behielten
jedoch die österreichisch-ungarischen Truppen mit ihren
Verbündeten bei Beginn der
Waffenstillstandsverhandlungen Ende Oktober 1918 noch
besetzt:
- Fast das ganze
heutige Polen, einen Teil von Weißrussland und
der Ukraine mit einer Fläche von etwa
700.000 km² und rund 40 Millionen
Einwohnern.
- Das damalige
Königreich Rumänien mit einer Fläche von
130.000 km² und rund 10 Millionen
Einwohnern.
- Serbien, Montenegro
und Albanien mit einer Fläche von
150.000 km² und 7 Millionen Einwohnern.
- Das Friaul und Teile
von Venetien mit einer Fläche von
15.000 km² und etwa 2 Millionen Einwohnern.
Am 29. Oktober, ersuchte das österreichisch-ungarische
Oberkommando um einen Waffenstillstand, um einen
geordneten Rückzug der Truppen zu gewährleisten. Die
Italiener schlugen das Angebot ab, weil sie den Vorteil
ausnützen wollten.
Der folgende Waffenstillstand von Villa Giusti bei Padua,
der am 3. November 1918 unterzeichnet wurde und am 4.
November in Kraft treten sollte, war aber auf Grund des
teilweisen Zerfalls der österreichisch-ungarischen
Gegenwehr nicht mehr Gegenstand von Verhandlungen,
sondern wurde namens der Entente vom italienischen
Delegationsleiter Pietro Badoglio diktiert. Unter anderem
wurden die Vertreter Österreichs und Ungarns gezwungen,
der Räumung Tirols bis an die Brenner- und
Reschenscheidecklinie zuzustimmen, die komplette
Kriegsflotte auszuliefern (die allerdings Ende Oktober
bereits dem neuen südslawischen Staat überlassen worden
war, da Deutschösterreich keinen Zugang zum Meer hatte)
und den alliierten Truppen Bewegungsfreiheit im besiegten
Land zu geben. Die Ablehnung des Unterwerfungsdiktats
hätte weitaus schlimmere Folgen gehabt als die Annahme.
Italien hatte
bekanntgegeben, 24 Stunden zu benötigen, um den
Waffenstillstand allen seinen Truppen mitzuteilen. Die
Österreicher legten jedoch sofort
mit Unterzeichnung des Vertrages am 3. November die
Waffen nieder, dann rückten die Italiener bis zum
Brenner vor und machten, ohne auf nennenswerten
Widerstand zu stoßen, über 350.000 Gefangene die in das
italienische Hinterland gebracht wurden und dort unter
unmenschlichsten Bedingungen ums Überleben kämpften. Da
man die Soldaten unmöglich in der Heimat verpflegen
konnte, schickte das Armeeoberkommando sie lieber in
Gefangenschaft. Der Großteil der alten Armee überlebte
diese nicht sehr lange, dafür sorgten vor allem
Krankheiten und Unterernährung.
Wie man heute aus
verschiedenen Quellen weiss kosteten der fatale Fehler
des Armeeoberkommando über die Bekanntgabe des
vorzeitigen Waffenstillandes nicht nur tausenden Soldaten
das Leben in der Gefangenschaft, sondern Österreich auch
der Verlust von Südtirol. Hätte man wie vereinbart die
Waffen später niedergelegt wäre es für Italien
höchstwahrscheinlich unmöglich gewesen ganz Südtirol
zu besetzen und man hätte bei den Friedensverhandlungen
in St. Germain, Südtirol nicht an Italien verloren!
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