Österreichischer Heeresbericht über die
Ereignisse an der italienischen Front im Oktober 1918:
Wien, 1. und 2.
Oktober
Keine
besonderen Ereignisse.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 3. Oktober
Am Nordhang des Monte Tomba
erfolgreiche Vorfeldkämpfe.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 4. Oktober
Ein durch Artillerie
unterstützter Angriff italienischer Sturmtrupps auf
Stellungsteile in den Judikarien scheiterte im Handgranatenfeuer
unserer Besatzungen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 5. - 7.
Oktober
Keine größeren Kampfhandlungen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 8. Oktober
An der Tiroler Südfront war
gestern die Tätigkeit der feindlichen Batterien außerordentlich
lebhaft. Infanterievorstöße wurden im Keime erstickt.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 9. Oktober
Das italienische Artilleriefeuer
erfuhr an der ganzen Front beträchtliche Steigerung. Im
Daone-Tal, an der Etsch und auch östlich der Brenta kam es zu
Infanteriekämpfen, die für uns günstig verliefen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 10. Oktober
Stellenweise lebhaftere
italienische Erkundungstätigkeit.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 11. Oktober
An den Gebirgsfronten vielfach
Kämpfe von Sicherungs- und Erkundungsabteilungen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 12. Oktober
Die Hochfläche der Sieben
Gemeinden war gestern der Schauplatz heftiger, für uns
erfolgreicher Kämpfe. Nach kurzem Feuerschlag setzten um 4 Uhr
früh zwischen Assachtal und Monte di Val Bella italienische
Angriffe ein. Während die Vorstöße bei Asiago durch unser
Abwehrfeuer zum Scheitern gebracht wurden. gelang es den
Franzosen und Italienern, auf dem Monte Sisemol vorübergehend in
unsere Gräben einzudringen, aber ungesäumt einsetzende
Gegenstöße unserer Bataillonsreserven warfen den Feind sofort
wieder hinaus. Auf dem Ostteil der Hochfläche brachen die
Angriffe des Feindes in unserem Feuer, teils im Nahkampf oder
Gegenstoß zusammen. Zahlreiche Tote und schwerverwundete Gegner
liegen vor unseren Stellungen. Der Erfolg ist ebenso das
Verdienst der Truppe wie der Führung. Das mustergültige
Zusammenarbeiten zwischen Infanterie und Artillerie wurde
wesentlich gefördert durch die Kriegstüchtigkeit der
Telegraphenverbände. Unter den opfermutigen Kämpfern waren in
ungebrochener Eintracht Söhne aller Gaue der Monarchie
vertreten. Besondere Anerkennung wird den Südösterreichern
(Deutsche, Slowenen, Italienern) des Infanterie-Regiments 117 und
den österreichisch-ungarischen Honved-Regimentern 23 und 24
gezollt.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 13. Oktober
Die Gegner haben die Angriffe in
den Sieben Gemeinden nicht wieder aufgenommen. Überall
gewöhnliche Kampftätigkeit.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 14. Oktober
Stellenweise Artillerie- und
Patrouillenkämpfe.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 15. Oktober
Die Gefechtstätigkeit war auch
gestern ziemlich rege.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 16. Oktober
Lage
unverändert.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 17. Oktober
In den Sieben Gemeinden wurden
italienische Vorstöße zurückgewiesen.
Der Chef des Generalstabes.
An Meine getreuen österreichischen Völker!
Seitdem
Ich den Thron bestiegen habe, ist es Mein unentwegtes Bestreben,
allen Meinen Völkern den ersehnten Frieden zu erringen, sowie
den Völkern Österreichs die Bahnen zu weisen, auf denen sie die
Kraft ihres Volkstums unbehindert durch Hemmnisse und Reibungen
zur segensreichen Entfaltung bringen und für ihre geistige und
wirtschaftliche Wohlfahrt erfolgreich verwerten können.
Das furchtbare Ringen des Weltkrieges hat das Friedenswerk bisher
gehemmt. Heldenmut und Treue, opferwilliges Ertragen von Not und
Entbehrungen haben in dieser schweren Zeit das Vaterland ruhmvoll
verteidigt. Die harten Opfer des Krieges müssen uns den
ehrenvollen Frieden sichern, an dessen Schwelle wir heute mit
Gottes Hilfe stehen.
Nunmehr muß ohne Säumnis der Neuaufbau des Vaterlandes auf
seinen natürlichen und daher zuverlässigsten Grundlagen in
Angriff genommen werden. Die Wünsche der österreichischen
Völker sind hierbei sorgfältig miteinander in Einklang zu
bringen und der Erfüllung zuzuführen. Ich bin entschlossen,
dieses Werk unter freier Mitwirkung Meiner Völker im Geiste
jener Grundsätze durchzuführen, die sich die verbündeten
Monarchen in ihrem Friedensangebote zu eigen gemacht haben.
Österreich soll dem Willen seiner Völker gemäß zu einem
Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem
Siedlungsgebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet. Der
Vereinigung der polnischen Gebiete Österreichs mit dem
unabhängigen polnischen Staate wird hierdurch in keiner Weise
vorgegriffen. Die Stadt Triest samt ihrem Gebiete erhält den
Wünschen ihrer Bevölkerung entsprechend eine Sonderstellung.
Diese Neugestaltung, durch die die Integrität der Länder der
ungarischen heiligen Krone in keiner Weise berührt wird , soll
jedem nationalen Einzelstaate seine Selbständigkeit
gewährleisten. Sie wird aber auch gemeinsame Interessen wirksam
schützen und überall dort zur Geltung bringen, wo die
Gemeinsamkeit ein Lebensbedürfnis der einzelnen Staatswesen ist.
Insbesondere wird die Vereinigung aller Kräfte geboten sein , um
die großen Aufgaben, die sich aus den Rückwirkungen des Krieges
ergeben, nach Recht und Billigkeit erfolgreich zu lösen.
Bis diese Umgestaltung auf gesetzlichem Wege vollendet ist,
bleiben die bestehenden Einrichtungen zur Wahrung der allgemeinen
Interessen unverändert aufrecht. Meine Regierung ist beauftragt,
zum Neuaufbaue Österreichs ohne Verzug alle Arbeiten
vorzubereiten. An die Völker, auf deren Selbstbestimmung das
neue Reich sich gründen wird, ergeht Mein Ruf, an dem großen
Werke durch Nationalräte mitzuwirken, die, gebildet aus den
Reichsratsabgeordneten jeder Nation, die Interessen der Völker
zueinander sowie im Verkehr mit Meiner Regierung zur Geltung
bringen sollen.
So möge unser Vaterland , gefestigt durch die Eintracht der
Nationen, die es umschließt, als Bund freier Völker aus den
Stürmen des Krieges hervorgehen. Der Segen des Allmächtigen sei
über unserer Arbeit, damit das große Friedenswerk, das wir
errichten, das Glück aller Meiner Völker bedeutet.
Wien, am 16. Oktober 1918.
Karl m. p.
Hussarek m. p.
Gleichzeitig wendet sich Kaiser Karl folgendermaßen an Armee und
Flotte:
Den
Wünschen aller Völker Österreichs entsprechend, erfolgt ihr
Zusammenschluß in nationale Staaten, vereint in einem
Bundesstaate.
Wenn hierdurch einerseits Hemmungen beseitigt wenden, die im
Zusammenleben der Völker bestanden haben, so soll andererseits
geeintem Schaffen zum Wohle des eigenen Volkes und des
Vaterlandes künftighin ungehemmt freie Bahn offen sein.
In diesem bedeutungsvollen Augenblick wende Ich Mich an Armee und
Flotte. In euren Reihen hat die Treue und Einigkeit alle Nationen
untereinander und mit Mir stets unlösbar verbunden.
Unerschütterlich ist Mein Vertrauen, daß der seit alters her
und auch jetzt voll bewährte Geist der Treue und Eintracht
unverrückbar fortbestehen wird. Ihn wollen wir bewahren. Er
werde Österreichs neuen Staaten das kostbarste Erbe, ihnen und
Mir zu Lust und Frommen. Das walte Gott!
Schönbrunn, am 17. Oktober 1918.
Karl m. p.
Wien, 18. Oktober
Westlich des Gardasees schlugen
Abteilungen des Tiroler Landsturm-Bataillons 163 einen
italienischen Vorstoß ab. Auch sonst vielfach lebhaftere
Gefechtstätigkeit.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 19. Oktober
An zahlreichen Stellen der
Gebirgsfronten sehr lebhafte Erkundungstätigkeit.
Der Chef des Generalstabes.
Washington, 19.
Oktober. (Reuter-Meldung.)
Folgendes ist der Text der Antwort
der Vereinigten Staaten auf die österreichisch-ungarische Note
vom 4. Oktober
(an den schwedischen Minister des Äußeren gerichtet):
Staatsdepartement, am 18. Oktober 1918.
Mein
Herr! Ich habe die Ehre, den Empfang Ihrer Note vom 7. d. M. zu
bestätigen, worin Sie eine Mitteilung der k. und k. Regierung
von Österreich-Ungarn an den Präsidenten übermittelten. Ich
habe jetzt den Auftrag vom Präsidenten, Sie zu ersuchen, so
freundlich zu sein, durch Ihre Regierung der k. und k. Regierung
folgende Antwort zukommen zu lassen.
Der Präsident hält es für seine Pflicht, der
österreichisch-ungarischen Regierung zu erklären, daß er sich
des gegenwärtigen Vorschlags dieser Regierung wegen gewisser
Ereignisse von größter Bedeutung, die seit Abgabe seiner
Adresse vom 8. Januar sich ereigneten und notwendigerweise die
Haltung und die Verantwortlichkeit der Regierung der Vereinigten
Staaten änderten, nicht in Betracht ziehen kann. Unter den 14
Friedensbewegungen, die der Präsident damals formulierte, kam
die folgende vor: Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz
unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen
wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer
Entwicklung gewährt werden. Seit dieser Satz geschrieben und vor
dem Kongreß der Vereinigten Staaten ausgesprochen wurde, hat die
Regierung der Vereinigten Staaten anerkannt, daß der
Kriegszustand zwischen den Tschechoslowaken und dem deutschen und
österreichisch-ungarischen Reiche besteht, und daß der
tschechoslowakische Nationalrat eine de facto kriegführende
Regierung ist, die mit der entsprechenden Autorität ausgestattet
ist, die militärischen und politischen Angelegenheiten der
Tschechoslowaken zu leiten. Sie hat auch in der weitgehendsten
Weise die Gerechtigkeit der nationalen Aspirationen der
Jugoslawen nach Freiheit anerkannt. Der Präsident verfügt
deshalb nicht länger über die Freiheit, die bloße
"Autonomie" dieser Völker als eine Grundlage für den
Frieden anzuerkennen, sondern er ist gezwungen, darauf zu
bestehen, daß sie und nicht er Richter darüber sein sollen,
welche Aktion auf seiten der österreichisch-ungarischen
Regierung als Mitglieder der Familie der Nationen befriedigen
wird, um ihre Aspirationen und ihre Auffassung von ihren Rechten
und ihrer Bestimmung als Mitglieder der Familie der Nationen zu
befriedigen.
Empfangen Sie, mein Herr, die erneuerte Versicherung meiner höchsten Wertschätzung.
gez. Robert Lansing.
Wien, 20. Oktober
An der Südwestfront keine
besonderen Ereignisse.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 21. Oktober
Auf dem italienischen
Kriegsschauplatz keine größeren Kampfhandlungen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 21. Oktober
Am späten Nachmittag trat im
Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags die deutsche
Nationalversammlung zusammen. Sie nahm unter stürmischem Beifall
einen einstimmig beschlossenen Antrag an. Dieser spricht u. a.
die Entschlossenheit des deutschen Volkes aus, in Österreich
seine zukünftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen
selbstständigen deutsch-österreichischen Staat zu bilden und
seine Beziehungen zu den anderen Nationen durch freie
Vereinbarungen mit ihnen zu regeln. Der deutsch-österreichische
Staat beansprucht Gebietsgewalt über das ganze deutsche
Siedlungsgebiet, insbesondere auch in den Sudetenländern. Bis zu
der konstituierenden Nationalversammlung wird das deutsche Volk
in Österreich von der Gesamtheit der deutschen
Reichsratsabgeordneten als provisorische Nationalversammlung für
Deutsch-Österreich vertreten. Diese beansprucht das Recht, bis
zum Zusammentritt der konstituierenden Nationalversammlung das
deutsche Volk in Österreich bei den Friedensverhandlungen zu
vertreten. Nach Annahme des Beschlußantrages erklärte
Präsident Seitz, daß hiermit die provisorische
Nationalversammlung der Deutschen Österreichs gebildet sei.
Wien, 22. Oktober
Gestern in den frühesten
Morgenstunden gelang es dem Feinde, im Gebiet des Monte Sisemol
vorübergehend in unsere Gräben einzudringen; er wurde durch
Gegenstoß geworfen. Weitere Angriffsversuche scheiterten in
unserem Feuer. Im Alano- Becken vereitelten wir italienische
Erkundungsversuche.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 23. Oktober
Lage
unverändert.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 24. Oktober
Gestern wuchs im Abschnitt
zwischen Brenta und Piave und im Montello-Gebiet das feindliche
Artilleriefeuer zu großer Heftigkeit an. Auch sonst entwickelten
die feindlichen Batterien lebhaftere Tätigkeit.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 25. Oktober
Das Friedensangebot der
Mittelmächte hat unsere Feinde im Südwesten nicht daran
gehindert, unseren und ihren Armeen neue Blutopfer aufzuerlegen.
Heftiges Artilleriefeuer leitete vorgestern zwischen der
Assa-Schlucht und der Adria den Angriff ein, der gestern früh an
der venezianischen Gebirgsfront und im Raum südlich des Montello
losbrach. In gewohnter Tapferkeit, Pflichttreue und Manneszucht
haben unsere braven Truppen den Ansturm abgeschlagen. Auf der
Hochfläche der Sieben Gemeinden war das Gelände südwestlich
von Asiago, der Monte Sisemol und das Gebiet des Monte di Val
Bella Stätten erbitterter Kämpfe. Es gelang dem Feinde,
stellenweise in unsere Gräben einzudringen, aber er wurde
überall wieder zurückgeworfen und mußte in der Nacht auch den
am längsten behaupteten Sisemol wieder räumen.
Die Szepzler der Infanterie-Regimenter 82 und 131 und die
Honved-Regimenter 9 und 30 haben den Hauptanteil an diesen
Erfolgen gehabt. Zu noch größerer Heftigkeit steigerte sich das
Ringen im Berglande östlich der Brenta. Auch hier versuchte der
Feind vorübergehend örtliche Erfolge zu erzielen. Er setzte
sich auf der Caprile, Asolone, Monte Pertica und Solarolo in
unseren vorderen Gräben auf kurze Weile fest, mußte jedoch sehr
bald dem mit äußerstem Schneid geführten Gegenangriff unserer
Braven wieder weichen. Fünfmal rannten die Italiener gegen den
Spinuccia vergebens an. Das Infanterie-Regiment 9 (Stry), das den
Asolone in bravourösem Gegenstoß zurückgewann, die Regimenter
73 und 99, das junge südungarische Regiment 129, das den
Spinuccia verteidigte, die Schützen- Regimenter 14 und 24 haben
sich mit Ruhm bedeckt. Unsere brave Artillerie bewährte sich
westlich und östlich der Brenta wie immer als treue Helferin der
Infanterie im Kampfe. Der Vorstoß einer englischen Division auf
der Piave-Insel Papadopoli vermochte nur den Nordflügel unserer
Vorposten etwas zurückzudrücken. Der südliche Teil der Insel
wurde völlig behauptet.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 26. Oktober
Die Kämpfe in den Sieben
Gemeinden fanden gestern nach den Mißerfolgen, die die Italiener
und Franzosen am Vortage erlitten, keine Fortsetzung.
Östlich der Brenta kam es erneut zu einem erbitterten, bis in
die Nacht andauernden Ringen. Brennpunkte des Kampfes waren wie
bisher der Monte Asolone und der Monte Pertica, die mehrmals in
die Hände des Feindes fielen, um wieder durch Gegenangriffe
zurückerobert zu werden. Nur unter den schwersten Opfern
versuchten die Italiener gegen Abend auf beiden Bergkuppen
neuerdings Fuß zu fassen. Dagegen blieben alle Anstrengungen des
Feindes, nordöstlich des Monte Pertica in unsere Linien
einzudringen, vergebens. Auch neuerliche Anstürme gegen den
Spinuccio scheiterten an der Wachsamkeit der Verteidiger.
Im Alano-Becken schlugen unsere Sicherungstruppen italienische
Vorstöße ab. Die Haltung unserer Braven war wieder über jedes
Lob erhaben. Verdient von den vorgestrigen Kämpfen westlich der
Brenta noch das oberungarische Infanterie-Regiment Nr. 125
besondere Anerkennung, so trug gestern im Asolone-Gebiet
namentlich das kroatische Landwehr-Regiment Nr. 27 durch sein
selbständiges Mitwirken an den Kämpfen eines Nachbarabschnittes
wesentlich zur Festigung der Front bei. Einstimmig wird wieder
die Tätigkeit der Artillerie hervorgehoben, die durch ihr
verständnisvolles Zusammenarbeiten mit der Infanterie an der
Behauptung des Schlachtfeldes ruhmvollen Anteil nahm. Infanterie-
und
Schlachtflieger betätigten sich im Erkundungsdienst und im Kampf
gleich erfolgreich.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 27. Oktober
Auf der Hochfläche der Sieben
Gemeinden unternahm gestern der Feind wieder eine Reihe starker
Teilvorstöße, die alle im Nahkampf oder im Gegenangriff
abgeschlagen wurden. Weitere Angriffsversuche scheiterten schon
in unserem Abwehrfeuer. Der Feinderlitt große Verluste. In dem
Gebirge östlich der Brenta dauerte die Schlacht in
unverminderter Heftigkeit fort. Den ganzen Tag über tobte der
Kampf. Im Bereich des Col Caprile büßte der Feind zeitweilig
errungene Vorteile durch unsere Gegenstöße vollends wieder ein.
Den Asolone nahm nach erbittertem Ringen die vierte Division im
Sturm zurück. Unsere gegen den Pertica angesetzten Bataillone
gelangten in den Abendstunden bis an den Fuß der Kuppe, in der
Nacht fiel auch diese in unsere Hand. Wiederholte Versuche der
Italiener, sich in der Gegend der Fontana Secca auszubreiten,
blieben trotz des Aufgebotes starker Infanterie und Artillerie
vergebens.
Auch an den Hängen des Monte Spinuccia bereitete die
Standhaftigkeit unserer Braven dem feindlichen Angriff das
gleiche Schicksal wie an den vorhergehenden Tagen. Die Leistungen
unserer Truppen stehen gegenüber den größten Waffentaten
früherer Schlachten nicht zurück. Möchten alle unsere Völker,
deren Wohl und Wehe heute ohne Unterschied von den Ereignissen an
der Front abhängt, den Braven hierfür gebührenden Dank wissen.
An der Piave dauerte gestern der Artilleriekampf fort. In der
Nacht setzte beiderseits des Montello ein groß angelegter
Angriff der Entente ein. An den Punkten, an denen der Feind das
linke Ufer zu betreten vermochte, wurde erbittert gekämpft.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 28. Oktober
In den Sieben Gemeinden blieb die
Kampftätigkeit des Gegners auch gestern auf einzelne Vorstöße
beschränkt, die abgewiesen wurden.
Östlich der Brenta tobt auf 60 Kilometer Frontbreite eine große
Schlacht.
Im Gebirge zwischen der Brenta und der Piave scheiterten wieder
alle Anstürme des Feindes, mochten sie mit noch so starken
Kräften geführt worden sein. Die südlich der Fontana Secca an
die Italiener verlorene Sternkuppe wurde im Gegenangriff
zurückerobert, wobei ein großer Teil der Besatzung in der Hand
unserer Braven blieb.
Unter unseren tapferen Truppen haben sich in diesen Kämpfen
besonders ausgezeichnet die Infanterie-Regimenter Nr. 7
(Klagenfurt), 39 (Debreczin), 47 (Marburg), 47 (St. Polten), 73
(Eger), 120 (Westgalizianer), 139 (neues ungarisches Regiment),
das ungarische Sturmbataillon Nr. 17, das kroatische Nr. 42, das
Wiener Schützen-Regiment Nr. 1 und das kroatische
Landwehr-Regiment Nr. 28. Neuerliche Anerkennung verdienen wieder
die Artillerie-, unsere Infanterie- und die Schlachtflieger.
An der Piave hat nach heftigster Artillerievorbereitung in der
Nacht zum 27. der Ententeangriff eingesetzt. Bei Valdobbiadene
vermochten schwächere feindliche Abteilungen das linke Ufer zu
gewinnen. Sie wurden zum größten Teile zurückgedrückt. Bei
Bagolino und Vidor wurden Übergangsversuche durch unser
Abwehrfeuer zum Scheitern gebracht.
Abwärts von Vidor gelang es dem Feinde, mit stärkeren Kräften
den Übergang zu gewinnen. Unsere Truppen warfen sich ihm im
Gegenangriff entgegen. Abends wurde bei den Dörfern Moriago und
Serraglia gekämpft.
Gegenüber dem Nordostufer des Montello blieben die
Übergangsversuche der Italiener ohne Erfolg.
Von Papadopoli aus stießen die Engländer bis Tezze und San Polo
di Piave vor. Die 2 bis 3 Kilometer tiefe Einbruchsstelle wurde
durch unsere um jeden Fußbreit Boden tapfer fechtenden Truppen
in den Flanken abgeriegelt.
Neue Kämpfe sind seit heute früh an der Piave im Gange.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 28. Oktober
Der Minister des Äußeren Graf
Andrassy hat gestern den österreichisch-ungarischen Gesandten in
Stockholm beauftragt, die königlich schwedische Regierung zu
ersuchen, der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika
nachstehende Antwort auf deren Note vom 18. Oktober zu
übermitteln:
In Beantwortung der an die österreichisch-ungarische Regierung
gerichteten Note des Herrn Präsidenten Wilson vom 12. im Sinne
des Entschlusses des Herrn Präsidenten, mit Österreich-Ungarn
besonders über die Frage des Waffenstillstandes und des Friedens
zu sprechen, beehrt sich die österreichisch-ungarische Regierung
zu erklären, daß sie ebenso wie den früheren Kundgebungen des
Herrn Präsidenten auch seiner in der letzten Note enthaltenen
Auffassung über die Rechte der Völker Österreich-Ungarns,
speziell über jene der Tschecho-Slowaken und der Jungslawen
zustimmt. Da somit Österreich -Ungarn sämtliche Bedingungen
angenommen hat, von welchen der Herr Präsident den Eintritt in
Verhandlungen über den Waffenstillstand und den Frieden
abhängig gemacht hat, steht nach Ansicht der
österreichisch-ungarischen Regierung dem Beginn dieser
Verhandlungen nichts mehr im Wege. Die österreichisch-ungarische
Regierung erklärt sich daher bereit, ohne das Ergebnis anderer
Verhandlungen abzuwarten, in Verhandlungen über den Frieden
zwischen Österreich-Ungarn und den gegnerischen Staaten und
über einen sofortigen Waffenstillstand auf allen Fronten
Österreich-Ungarns einzutreten und bittet den Herrn Präsidenten
Wilson, die diesbezüglichen Einleitungen treffen zu wollen.
Ferner hat der Minister des Äußeren Graf Andrassy an den
Staatssekretär Lansing folgendes Telegramm gerichtet:
Sofort nach Übernahme der Leitung des Ministeriums des Äußeren
habe ich eine offizielle Antwort auf Ihre Note vom 18. Oktober
abgesandt, aus welcher Sie entnehmen werden, daß wir in allen
Punkten die Grundsätze annehmen, welche der Präsident der
Vereinigten Staaten in seinen verschiedenen Erklärungen
aufgestellt hat. In voller Übereinstimmung mit den Bestrebungen
Herrn Wilsons zur Sicherung vor künftigen Kriegen und zur
Schaffung einer Völkerfamilie haben wir bereits Vorbereitungen
getroffen, damit die Völker Österreichs und Ungarns ihre
künftige Gestaltung nach eigenem Wunsche gänzlich unbehindert
bestimmen und vollziehen können.
Seit dem Regierungsantritt des Kaisers und Königs Karl war es
sein unentwegtes Bestreben, das Ende des Krieges herbeizuführen.
Mehr als je ist das heute der Wunsch des Herrschers und aller
Völker Österreichs und Ungarns. die von der Überzeugung
durchdrungen sind , daß ihr künftiges Schicksal nur in einer
friedlichen Welt, frei von Erschütterungen, Prüfungen,
Entbehrungen und Bitternissen des Krieges gestaltet werden
könne. Ich wende mich deshalb direkt an Sie, Herr
Staatssekretär, mit der Bitte, bei dem Herrn Präsidenten der
Vereinigten Staaten dahin wirken zu wollen, daß im Interesse der
Humanität, sowie im Interesse aller Völker, die in Österreich
und Ungarn leben, der sofortige Waffenstillstand an allen Fronten
Österreich-Ungarns herbeigeführt werde und die Einleitung von
Friedensverhandlungen erfolge.
In einem in tschechischer Sprache abgefaßten Zirkulartelegramm "An alle" wurde am 28. Oktober folgende Anordnung des Dr. Zahradnik bekanntgegeben:
"Die
Proklamation des tschechoslowakischen Staates hat bei der Säule
des heiligen Wenzel auf dem Wenzelsplatz in Prag um 11 Uhr
vormittags stattgefunden. Sofort alle Abzeichen des gewesenen
österreichischen Staates entfernen! Alle Sendungen in
Wagenladungen und alle Stückgüter befördern! Nach Wien und
nach Deutschland sofort alles aufhalten! Nach Prag ist der
Verkehr telegraphisch anzumelden wegen Disposition durch den
Nationalrat. Der Verkehr im Inlande ist ohne Unterbrechung in
gutem Zustande zu erhalten.
Es lebe der tschechische Staat. Na zdar.
Unterschrift: Dr. Zahradnik."
Das erste Gesetz des Nationalausschusses
Das
tschechoslowakische Pressebureau teilt mit:
Gesetzerlaß vom Nationalausschuß:
Am 28. Oktober ist der selbständige Staat ins Leben getreten. Um
die Kontinuität der bisherigen Rechtsordnung mit dem neuen
Zustand aufrechtzuerhalten und Wirren zu vermeiden und den
ungestörten Übergang zu dem neuen staatlichen Leben zu regeln,
ordnet der Nationalrat namens des tschechischen Volkes als
Vollzugsausschuß der staatlichen Hoheitsgewalt an:
1. Die Staatsform wird bestimmt von der Nationalversammlung in
Gemeinschaft mit dem tschecho-slowakischen Nationalrat in Paris
als Organ des Volkswillens. Bis dahin übt die staatliche
Oberhoheit innerhalb des Staates der Nationalrat aus.
2. Alle bisherigen Landes- und Reichsgesetze, sowie Verordnungen
bleiben provisorisch in Geltung.
3. Alle autonomen staatlichen und Gemeindebehörden, Bezirks-,
Gau- und Gemeindeanstalten sind dem Nationalausschusse
unterstellt und amtieren provisorisch nach den bisher geltenden
Gesetzen und Verordnungen.
4. Das Gesetz tritt am heutigen Tage in Kraft. Das Präsidium des
Nationalrates wird mit der Durchführung beauftragt.
Gegeben in Prag, am 28. Oktober 1918.
gez. Anton Svehla, Dr. Stribrny, Dr. Sonkup, Dr. Vavra, Dr.
Ralsin und Sraubar.
Wien, 29. Oktober
Der gestrige Tag verlief für die
tapferen Verteidiger des Asolone, Pertica und Solarolo ohne
größere Infanteriekämpfe. Im Bereiche des Spinuccia haben
unsere Truppen durch Gegenstöße Stellungsberichtigungen
durchgeführt. Im Alano-Becken wurden unsere Sicherungstruppen
zurückgedrückt. Die von starken feindlichen Kräften gegen
unsere dortigen Kernstellungen unternommenen Angriffe brachen
unter schweren Feindverlusten zusammen. Das ungarische
Heeres-Infanterie-Regiment Nr. 133 und das Honved-Regiment Nr. 17
haben sich besonders hervorgetan.
Am Piave tobt die Schlacht weiter. Der Feind vermochte erhebliche
Verstärkungen heranzuziehen und setzt unter Entwicklung
mächtiger Artilleriemassen seine Angriffe fort. Es wurde bei
Valdobbiadene, nördlich von Morago und Seraglio, nächst den
Piave-Brücken südlich von Susgana, bei Tezze und Polo di Piave
erbittert gerungen. Wohl gelang es den Ententetruppen, dank der
tapferen, überaus aktiv geführten Gegenwehr unserer Divisionen,
nirgends, unsere Stellungen zu durchbrechen, doch wurde gegen
Abend der Entschluß gefaßt, die am stärksten angegriffenen
Abschnitte in eine hintere Linie zurückzunehmen. Diese Bewegung
wurde in der Nacht durchgeführt.
Der Chef des Generalstabes.
Berlin, 29. Oktober
Den Blättern zufolge ist gestern
in Prag die tschechische Republik proklamiert worden.
Wien, 30. Oktober
An der Tiroler Front nur geringe
Gefechtstätigkeit.
Zwischen Brenta und Piave haben frische feindliche Kräfte den
Asolone und den Monte Pertica mit Übermacht angegriffen. Unsere
dort mit beispiellosem Heldenmut und Soldatentreue kämpfenden
Truppen haben alle Anstrengungen des Gegners zunichte gemacht. In
der venezianischen Ebene stießen Engländer und Italiener weiter
vor. Es gelang ihnen, unter Einsatz aller Kampfmittel ihre
Einbruchsstellen nördlich und südlich des Montello wesentlich
zu erweitern.
Unserem mehrfach zum Ausdruck gebrachten Entschluß zur
Herbeiführung eines das Völkerringen abschließenden
Waffenstillstandes und Friedens Rechnung tragend, werden unsere
auf italienischem Boden kämpfenden Truppen das besetzte Gebiet
räumen.
Der Chef des Generalstabes.
Wien, 31. Oktober
Das Oberkommando hat bereits am
29. Oktober früh durch einen Parlamentär die Verbindung mit der
italienischen Heeresleitung hergestellt. Es sollte kein Mittel
zur Vermeidung weiterer unnützer Blutopfer zur Einstellung der
Feindseligkeiten und zum Abschluß eines Waffenstillstandes
unversucht bleiben. Das italienische Oberkommando hat gegen
diesen von den besten Absichten geleiteten Schritt zuerst eine
unverkennbar ablehnende Haltung eingenommen.
Erst am 30. Oktober abends konnte der General der Infanterie v.
Weber mit einer Abordnung im Einverständnis mit dem
italienischen Oberkommando die Gefechtslinie zur Einleitung von
Verhandlungen überschreiten. Wenn demnach auf dem italienischen
Kriegsschauplatz Kriegsgreuel ihre Fortsetzung finden, müssen
die Schuld und die Verantwortung lediglich auf Rechnung unserer
Feinde geschrieben werden.
Der Chef des Generalstabes.
Budapest, 31.
Oktober
Der ungarische Nationalrat hat im
Laufe der Nacht die gesamte öffentliche Gewalt in die Hand
genommen. Ministerpräsident Graf Michael Karolyi hat im Laufe
der Nacht die Regierung gebildet. Der Ministerrat erließ eine
Proklamation an die Mitbürger, in der der Sieg der Revolution
mitgeteilt wird. Die Proklamation kündigt an, daß die
vollständige staatliche Unabhängigkeit Ungarns gesichert ist
und ein eigener Minister des Äußern ernannt wird.
Durch die Macht der Ereignisse ist das Ministerium Karolyi
inzwischen gezwungen worden, von dem Treueid, den es dem Könige
leistete, Entbindung zu fordern. König Karl hat sie gewährt,
und das Kabinett hat nunmehr in aller Öffentlichkeit und vor dem
Lande dem Nationalrat Treue geschworen. Nach einem Beschluß des
Ministerrates soll das Volk, Männer und Frauen, alsbald durch
eine allgemeine Abstimmung entscheiden, ob die Monarchie bleibt,
oder ob die Mehrheit des Landes sich der republikanischen
Staatsform anschließen wolle.