Österreichischer Heeresbericht über die
Ereignisse an der Ostfront im November 1914:
Wien, 1. November
1.
November mittags: In Russisch-Polen entwickeln sich neue Kämpfe.
Angriffe auf unsere Stellungen wurden zurückgeschlagen und ein
feindliches Detachement zersprengt.
Die mehrtägige, erbitterte Schlacht im Raume nordöstlich Turka
und südlich Stary Sambor führte gestern zu einem vollständigen
Sieg unserer Waffen. Der hier vorgebrochene Feind, zwei
Infanteriedivisionen und eine Schützenbrigade, wurde aus allen
seinen Stellungen geworfen.
Czernowitz wird von unseren Truppen behauptet. Das namentlich
gegen die Residenz des griechisch-orientalischen Erzbischofs
gerichtete Artilleriefeuer der Russen blieb ohne nennenswerte
Wirkung.
Wien,
2. November
Unsere
Offensive durch die Macva schreitet siegreich vorwärts. Aus den
befestigten Stellungen vertrieben, leistet der Gegner bisher nur
wenig Widerstand. Nur an der Nordlisiere von Schabatz mußten
stark verschanzte Positionen im Sturmangriff genommen werden;
Schabatz selbst wurde nachts erstürmt. Unsere durch die Matschwa
vorgerückten Kolonnen haben bereits die Bahnlinie
Schabatz-Ljesnitza überschritten; die Kavallerie ist am Feinde
und machte auch Gefangene.
Einen schweren Verlust haben unsere Balkanstreitkräfte zu
beklagen: Der Feldpilot Oberleutnant Sanchez wurde von einem
feindlichen Geschoß, welches auch seinen Beobachter verletzte,
schwer verwundet. Trotz furchtbarer Schmerzen vermochte der
wackere Pilot mit Aufbietung der letzten Kräfte den Apparat auf
den zirka 70 Kilometer entfernten Flugplatz zu steuern und glatt
zu landen. Er starb gestern; vorher hatte er das von Sr.
Majestät telegraphisch verliehene Militärverdienstkreuz
erhalten.
Wien,
3. November
Erst
jetzt läßt sich der in der Matschwa errungene Erfolg voll
überblicken. Die dort gestandene zweite serbische Armee unter
General Stepanowitsch mit vier bis fünf Divisionen konnte sich
nur durch übereiligen Rückzug, wobei sie Vorräte aller Art und
ihre Trains im Stiche lassen mußte und zahlreiche Gefangene
verlor, aus der bedrohlichen Situation retten. Der Feind ist,
ohne in seinen vorbereiteten rückwärtigen Stellungen neuerdings
Widerstand zu leisten, in einem Zuge bis in das Hügelland
südlich von Schabatz zurückgewichen. Er leistete nur noch bei
Schabatz, welches in der Nacht vom 1. auf den 2. November von
unseren tapferen Truppen erstürmt wurde, hartnäckigen, aber
vergeblichen Widerstand.
Wien, 5. November
Auch
gestern verliefen die Operationen auf dem nördlichen
Kriegsschauplatz plangemäß und ungestört vom Feinde. Südlich
von der Wieloka-Mündung warfen unsere Truppen den Gegner, der
sich auf dem westlichen San-Ufer festgesetzt hatte, aus allen
Stellungen, machten über tausend Gefangene und erbeuteten
Maschinengewehre. Ebenso vermochte auch der Feind im Stryj-Tal
unseren Angriffen nicht standzuhalten; hier wurden fünfhundert
Russen gefangengenommen, eine Maschinengewehrabteilung und
sonstiges Kriegsmaterial erbeutet.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 6. November
Gestern
wurde im Norden nicht gekämpft. Ungehindert vom Feinde nehmen
unsere Heeresbewegungen sowohl in Russisch-Polen als auch in
Galizien den beabsichtigten Verlauf. Wenn den Russen an einzelnen
Teilen der Front trotz der örtlich günstigen Situation
gewonnener Boden wieder vorübergehend überlassen wird, so ist
dies in der Gesamtlage begründet.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 8. November
Auf
dem südöstlichen Kriegsschauplatz dauerten die Kämpfe gestern
den ganzen Tag auf allen Fronten mit unverminderter Heftigkeit
an. Trotz des zähen Widerstandes des Gegners, bei dem die Parole
"Bis auf den letzten Mann" gegeben war, wurde im Raume
bei Krupanj Schanze auf Schanze von unseren tapferen Truppen
erobert bis heute um 5 Uhr vormittags auch Kostajnik, ein von den
Serben für uneinnehmbar gehaltener Stützpunkt, erstürmt wurde.
Die Zahl der Gefangenen und der erbeuteten Geschütze ist bisher
nur annähernd bekannt.
Wien, 9. November
Unsere
Operationen auf dem südlichen Kriegsschauplatz nehmen einen
durchaus günstigen Verlauf. Während jedoch unsere Vorrückung
über die Linie Schabatz-Ljesnica an den stark verschanzten
Bergfüßen auf zähesten Widerstand stieß, endeten die
dreitägigen Kämpfe auf der Linie Loznica-Krupanj-Ljubovija
bereits mit einem durchgreifenden Erfolge. Der hier befindliche
Gegner bestand aus der serbischen dritten Armee, General Paul
Sturm, und der ersten Armee, General Peter Bojawitsch, mit
zusammen sechs Divisionen von 120000 Mann. Die beiden Armeen
befinden sich nach dem Verlust der tapfer verteidigten Stellungen
seit gestern auf dem Rückzuge nach Valjewo. Unsere siegreichen
Korps erreichten gestern Abend Loznica, östlich der
dominierenden Höhen des Hauptrückens der Sobolska Planina,
südöstlich Krupanj. Es wurden zahlreiche Gefangene gemacht und
Kriegsmaterial erbeutet.
Budapest, 10.
November
Verschiedene
Umstände ließen unsere Heeresleitung darauf schließen, daß
die Russen in der Bukowina einen neuerlichen Angriff in erster
Reihe auf Czernowitz planten. Um dieses Vorhaben zu vereiteln,
wurden umfassende Vorkehrungen getroffen, die zu einem
glänzenden Erfolge führten. Unsere Truppen überschritten
einige Kilometer nördlich von Czernowitz den Pruth und
überfielen die Russen in der Flanke. Völlig überrascht von dem
Angriff leisteten die Russen nur kurzen Widerstand und traten den
Rückzug auf die dem Anschein nach einzige freie Linie an. Sie
gerieten jedoch in den Schußbereich unserer Geschütze, die
geradezu furchtbare Verheerungen in den Reihen der Russen
anrichteten. Das Schlachtfeld bedeckten förmliche Berge von
russischen Leichen. Mehrere hundert Russen wurden gefangen.
In Ostgalizien ist es gestern zwischen Rznow und Jablonow zu
einem Zusammenstoß mit einer russischen Abteilung gekommen. Die
Russen wurden in die Flucht gejagt.
Wien, 11. November
Die
Operationen auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatz entwickeln
sich plangemäß und ohne Störung durch den Feind. In dem von
uns freiwillig geräumten Gebiet Mittelgaliziens sind die Russen
über die untere Wisloka, über Rzeszow und in den Raum von Liska
vorgerückt. Przemysl ist wieder eingeschlossen. Im Strijtale
mußte eine feindliche Gruppe vor dem Feuer eines Panzerzuges und
überraschend aufgetretener Artillerie unter großen Verlusten
flüchten.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 12. November
Außer
dem siegreichen Reiterkampf bei Kosminek gegen ein russisches
Kavalleriekorps fand gestern auf dem nordöstlichen
Kriegsschauplatze kein größeres Gefecht statt. Feindliche
Aufklärungsabteilungen, die unsere Bewegungen erkunden wollten,
wurden abgewiesen.
Bei der Durchführung der jetzigen Operationen erweist sich
neuerdings die bewährte Tüchtigkeit und Schlagkraft unserer
Truppen.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 13. November
Zu dem
Vordringen der österreichisch-ungarischen Truppen in Serbien
melden die Blätter: Nach unserem großen Siege auf den Höhen
von Kuliste wollten sich die Serben auf den Höhen von Kostajnik
sammeln und sich neu gruppieren. Sie wurden jedoch von den
österreichisch-ungarischen Truppen vor der Durchführung dieser
Absicht zum Kampfe gezwungen. Kostainik wurde genommen, wodurch
der Weg nach Krupanj frei wurde, das am 9. November trotz
hartnäckiger Gegenoffensive siegreich erstürmt wurde. Der Feind
zog sich in der Richtung auf den Plecska-Fluß zurück.
Gleichzeitig sicherten sich unsere Truppen die vorzügliche
Straße von Schabatz nach Loznica, parallel mit der
gleichnamigen, gleichfalls besetzten Eisenbahnlinie. Infolge
unserer energischen aufeinanderfolgenden Angriffe sind die
Verluste der Serben sehr bedeutsam. Um Krupanj allein wurden 3000
Gefangene, darunter 40 Offiziere, gemacht, 8
Belagerungsgeschütze und 12 Maschinengewehre erbeutet.
Wien, 18. November
Die
Operationen der Verbündeten zwangen die russischen Hauptkräfte
in Russisch-Polen zur Schlacht. die sich an der ganzen Front
unter günstigen Bedingungen entwickelte. Eine unserer
Kampfgruppen machte gestern über 3000 Gefangene. Gegenüber
diesen großen Kämpfen hat das Vordringen russischer Kräfte
gegen die Karpathen nur untergeordnete Bedeutung. Beim
Debouchieren aus Grybow wurde starke Kavallerie durch
überraschendes Feuer unserer Batterien zersprengt.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 19. November
Die
Schlacht in Russisch-Polen nimmt einen günstigen Fortgang. Nach
den bisherigen Meldungen machten unsere Truppen 7000 Gefangene
und erbeuteten 18 Maschinengewehre und auch mehrere Geschütze.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 20. November
Auch
gestern hatten die Verbündeten in Russisch-Polen überall
Erfolge. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Zahl der
gefangenen Russen nimmt zu. Vor Przemysl erlitt der Feind bei
einem sofort abgeschlagenen Versuch, stärkere Sicherungstruppen
näher an die Südfront der Festung heranzubringen, schwere
Verluste.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 22. November
Starke
eigene Kräfte haben die Kolubara bereits überschritten; doch
leistet der Gegner in mehreren gut gewählten befestigten
Stellungen noch Widerstand. Die eigene Vorrückung, die durch den
aufgeweichten Boden, überschwemmte Wasserläufe und im Gebirge
durch meterhohen Schnee verzögert war, ist aber nicht
aufgehalten worden. Eigene Nachrichtendetachements und große
Patrouillen machten in den letzten zwei Tagen wieder 2440
Gefangene. Die Gesamtzahl der während der Kämpfe seit dem 6.
November gemachten Gefangenen beträgt hiermit 13 000.
Wien, 23. November
In
Russisch-Polen ist noch keine Entscheidung gefallen. Die
Verbündeten setzen ihre Angriffe östlich gegen Czenstochau und
nordöstlich Krakau fort. Bei der Eroberung des Ortes Pilica
machten unsere Truppen gestern 2400 Gefangene. Das Feuer unserer
schweren Artillerie ist von mächtiger Wirkung. Die über den
unteren Dunajec vorgedrungenen russischen Kräfte konnten nicht
durchdringen. Die Kriegslage brachte es mit sich, daß wir
einzelne Karpathenpässe dem Feinde vorübergehend überließen.
Am 20. November drängte ein Ausfall aus Przemysl die
Einschließungstruppen vor der West- und Südwestfront der
Festung weit zurück. Der Gegner hält sich nunmehr außer
Geschützweite.
Wien, 24. November
Die
Schlacht in Russisch-Polen wird bei strenger Kälte von beiden
Seiten energisch fortgeführt. Unsere Truppen eroberten mehrere
Stützpunkte, gewannen insbesondere gegen Wolbrom und beiderseits
des Ortes Pilica Raum und machten wieder zahlreiche Gefangene.
Ansonsten ist die Lage unverändert. Im Innern der Monarchie
befinden sich jetzt 110000 Kriegsgefangene, darunter 1000
Offiziere.
Wien, 26. November
In den
Kämpfen an der Kolubara ist seit gestern ein wesentlicher
Fortschritt zu verzeichnen. Das Zentrum der feindlichen Front
wurde in einer starken Stellung bei Lazarewatz von den durch
ihren Elan rühmlichst bekannten Regimentern Nr. 11, 73 und 102
erstürmt. Hierbei wurden 8 Offiziere und 1200 Mann gefangen
genommen und drei Geschütze, vier Munitionswagen und drei
Maschinengewehre erbeutet. Auch südlich des Ortes Ljig gelang
es, die östlich des gleichnamigen Flusses gelegenen Höhen zu
nehmen und 300 Gefangene zu machen. Die von Valjewo südwärts
vorgerückten Kolonnen stehen vor Kosjerici.
Wien, 29. November
Der
Gegner leistet in der jetzigen Gefechtsfront verzweifelten
Widerstand und versucht, durch heftige Gegenangriffe, die bis zu
Bajonettkämpfen gedeihen, unsere Vorrückung aufzuhalten Die am
östlichen Kolubara-Ufer stehenden eigenen Truppen haben
stellenweise wieder Raum gewonnen. Die über Valjewo und südlich
vorgerückten Kolonnen haben im allgemeinen die Höhe des
Ljiq-Flusses and die Linie Suvobor sowie das Straßendreieck
östlich Uzice erreicht. Gestern wurden insgesamt zwei
Regimentskommandanten, 19 Offiziere und 1245 Mann
gefangengenommen.
Wien, 30. November
Auf
dem südlichen Kriegsschauplatz andauernde Kämpfe. Gestern wurde
der hartnäckig verteidigte Suvobor, Sattelpunkt der Straße
Valjevo-Cacak, nach heftigen Kämpfen erstürmt. Bataillon 70 hat
sich hierbei besonders ausgezeichnet. Auch das Regiment 16 und
das Landwehrregiment 23 haben sich in den letzten Tagen
neuerdings hervorgetan.
Gestern wurden insgesamt 1254 Mann gefangen und 14
Maschinengewehre erbeutet, in Uzice viel Waffen und Munition
vorgefunden.
Im Norden hat sich gestern an unserer Front nichts Wesentliches
ereignet.