Österreichischer
Heeresbericht über die Ereignisse an der Ostfront und der
italienischen Front im Mai 1915:
Wien, 1. Mai
In
Russisch-Polen lebhafter Geschützkampf, der stellenweise auch
nachts andauerte. Russische Sicherungstruppen wurden aus mehreren
Stellungen vertrieben.
An der Front in Westgalizien und in den Karpathen keine
Veränderung. Gegen die von uns eroberten Seen zwischen Orava und
dem Oportale richtete der Feind auch gestern heftige Angriffe,
die abermals unter sehr großen Verlusten für die Russen
abgewiesen wurden. Hierbei wurden 500 Mann gefangen.
In Südostgalizien und in der Bukowina zeitweise Artilleriekampf.
Südlich Zaleszcycki schoß eine unserer Batterien ein russisches
Munitionsmagazin in Brand.
Am südlichen Kriegsschauplatz außer vereinzeltem Geschützfeuer
entlang der Grenze während der letzten Zeit keine Ereignisse von
Bedeutung. Östlich Trebinje wurden montenegrinische Kräfte, die
sich zu weit vorgewagt, durch unser Artilleriefeuer zerstreut,
ihre Unterkunft zerstört
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 2. Mai
In
Russisch-Polen wurde der Gegner in einigen Abschnitten aus seinen
Vorstellungen zurückgeworfen. Unsere Truppen gelangten hierbei
stellenweise bis an die Hindernislinie der feindlichen
Hauptstellung.
An der Front in Westgalizien und in den Karpathen lebhafter
Geschützkampf.
Auf den Höhen zwischen Orava- und Oportal warfen unsere Truppen
einen heftigen russischen Angriff zurück, machten 200 Mann zu
Gefangenen, gingen schließlich zum Angriff über und eroberten
nach hartem Kampfe einen starken russischen Stützpunkt östlich
der Höhe Ostry. Mehrere hundert Russen wurden hierbei gefangen,
Maschinengewehre erbeutet.
In Südostgalizien und der Bukowina keine Veränderung.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 3. Mai
Vereinte
österreichisch-ungarische und deutsche Kräfte haben gestern den
Feind in seiner seit Monaten hergerichteten und besetzten
Stellung in Westgalizien angegriffen, haben ihn auf der ganzen
Front Malastow-Gorlice-Gromnik und nördlich davon geworfen und
ihm schwere Verluste zugefügt, über 8000 Gefangene gemacht und
Geschütze und Maschinengewehre in bisher noch nicht
festgestellter Zahl erbeutet. Gleichzeitig erzwangen unsere
Truppen den Übergang über den unteren Dunajec.
An der Karpathenfront und in den Beskiden ist die Lage
unverändert. In den Waldkarpathen haben wir in neuerlichen
Kämpfen östlich Koziowa Raum gewonnen, den Feind aus seiner
Stellung geworfen. seine Gegenangriffe blutig abgeschlagen und
dort mehrere hundert Gefangene gemacht und drei Maschinengewehre
erbeutet. Auch nördlich Osmalode wurde der Feind von mehreren
Höhen zurückgeworfen und erlitt schwere Verluste. Auch dort ist
noch der Kampf im Gange.
An der russischen Grenze zwischen Pruth und Dnjestr nichts Neues.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
siegreiche Vormarsch der Verbündeten in Westgalizien
Wien, 4. Mai
In treuer
Waffenbrüderschaft haben Deutschlands und Österreich-Ungarns
verbündete Truppen einen neuen Sieg erfochten. Die seit dem
Rückzug der Russen nach unserer siegreichen Schlacht bei
Limanowa in Westgalizien haltende befestigte feindliche Front
zwischen Weichsel und dem Karpathenhauptkamm wurde in ihrer
ganzen Ausdehnung erobert. In Fortsetzung des Angriffs haben die
österreichisch-ungarischen und die deutschen Streitkräfte auch
gestern an der ganzen Front unter den Augen des
Armeeoberkommandanten Feldmarschalls Erzherzog Friedrich neue
Erfolge erkämpft, sind unaufhaltsam weiter nach Osten
vorgedrungen und haben starke russische Kräfte erneut zum
schleunigen Rückzug gezwungen.
Die Bedeutung des Gesamterfolges läßt sich noch nicht
annähernd übersehen. Die Zahl der bisherigen Gefangenen ist auf
über 30000 Mann gestiegen und nimmt stündlich zu. In den
zahlreichen eroberten russischen Stellungen wurde eine Unmenge
Kriegsmaterial erbeutet: 22 Geschütze und 64 Maschinengewehre
sind bei der ersten Beute. An allen übrigen Fronten ist die
Situation im großen unverändert.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
Rückzug der Russen aus Ungarn
Wien, 5. Mai
Die
Rückwirkung des Sieges beginnt sichtbar zu werden. Die russische
Beskidenfront Zboro-Sztropko-Lupkow ist unhaltbar geworden. Da
die siegreichen verbündeten Streitkräfte unter andauernd
erfolgreichen Kämpfen von Westen her gegen Jaslo und Zmigrod
weiter vorbringen, ist der Gegner im Westabschnitt der
Karpathenfront seit heute früh in vollem Rückzug aus Ungarn,
verfolgt von unseren und deutschen Truppen. Die Russen sind an
einer zirka 150 Kilometer langen Front geschlagen und unter
schwersten Verlusten zum Rückzug gezwungen. Die sonstige
Situation ist im allgemeinen unverändert.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Vernichtung
der dritten russischen Armee - Bisher 50.000 Gefangene
Wien, 6. Mai
Auf der
ganzen Schlachtfront in Westgalizien dringen die Verbündeten
weiter erfolgreich vor. Noch intakte Truppen des Feindes
versuchen in günstigen Verteidigungsstellungen den schleunigen
Rückzug zu decken. Starke russische Kräfte in den Beskiden sind
durch den Flankenstoß der siegreichen Armeen schwer bedroht. Die
Gegend von Jaslo und Dukla ist bereits erkämpft. Die im Gange
befindlichen Kämpfe werden die Vernichtung der dritten
russischen Armee vervollständigen. Die Zahl der Gefangenen ist
auf über 50000 gestiegen. Die übrige Situation ist
unverändert. Im Oravatale wurde ein starker russischer Angriff
gegen die Höhe von Ostry blutig abgewiesen, 700 Russen gefangen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Die
Wisolkastrecke von den Verbündeten überschritten
Wien, 7. Mai
Unter
fortdauernden Verfolgungskämpfen überschritten die verbündeten
österreichisch-ungarischen und deutschen Streitkräfte die
Wisloka-Strecke Pilzno-Jaslo mit den Vortruppen. Südlich Jaslo
sperren im Raume Dukla-Rymanow starke eigene Truppen die
Karpathenstraße, auf denen die Russen in regellosen Kolonnen
nach Norden und Nordosten zurückgehen. Diesen seitlichen
Kolonnen folgt auf den Fersen unsere über die Beskiden
vordringende Armee, in deren Verband auch deutsche Kräfte
kämpfen.
Die Zahl der Gefangenen und die Kriegsbeute nehmen weiter zu;
speziell unser 10. Armeekorps erbeutete gestern allein 5 schwere
und 16 leichte Geschütze. Unsere Truppen an dem östlichen
Abschnitt der Karpathenfront wiesen unterdessen verzweifelte
russische Angriffe unter den schwersten Verlusten für den Gegner
ab. So wurde gestern ein neuer Vorstoß gegen die Höhe Ostry
durch wirkungsvollstes Artilleriefeuer zurückgeschlagen, 1300
Mann des Feindes gefangen, mehrere Abteilungen durch
flankierendes Feuer aufgerieben. Auch an der Front in
Südostgalizien scheitern alle Versuche des Gegners, einzelne
Stützpunkte zu erobern
Auf dem südlichen Kriegsschauplatz keine Ereignisse. Im
Geschützkampf vernichteten unsere Mörser durch Volltreffer
französische Marinegeschütze bei Belgrad.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
letzte Streifen Ungarns befreit
Wien, 8. Mai
Die Folgen
der Schlacht von Tarnow und Gorlice übertragen sich nunmehr auch
auf die Karpathenfront östlich Lubkow. Unsere Truppen, die auch
hier zum Angriff übergingen, eroberten nachts den Grenzkamm
nördlich der aus den letzten erbitterten Karpathenkämpfen
bekannten Orte Televocz, Zellö und Nagypolani. Während der
Wintermonate haben die Russen unter den schwersten Verlusten in
wochenlangen Kämpfen südlich des Grenzkammes der Karpathen Fuß
gefaßt und durch Einsetzen aller verfügbaren Reserven ihre
Front in den Oberläufen der Ondowa, Laborcza und Cziroka nach
Süden vorgeschoben. Trotz aller Stürme und wütenden Angriffe
des Feindes konnte der Uzsoker Paß uns nicht entrissen werden.
Nördlich und beiderseits des Passes hielt unsere Gruppe, die
hier monatelang focht, felsenfest stand. Der ganze Raumgewinn der
Russen ist nun in wenigen Tagen verloren gegangen. Unter den
großen Verlusten, die ein so eiliger Rückzug bedingt, räumte
der Feind den Streifen ungarischen Bodens, den er so mühsam
erstritten hatte.
In Westgalizien nahmen die Kämpfe an der ganzen Front weiter
einen erfolgreichen Verlauf. Krosno wurde gestern durch unsere
Truppen erobert. Wie groß die Verwirrung und Unordnung bei der
auf der ganzen Front in schleunigem Rückzuge befindlichen Armee
Radko Dimitriew ist, beweisen die im Ortskampfe um Brzostek
gemachten Gefangenen, die den sechs russischen Divisionen Nr. 5,
21, 31, 52, 63 und 81 angehören. Teile der aus den Beskiden
zurückflutenden russischen Truppen wurden an mehreren Stellen
umzingelt und gefangen genommen.
Die Gesamtzahl der seit dem 2. Mai Gefangenen erreicht bisher
70000. Die Verfolgung wird fortgesetzt.
In Südostgalizien wurden auf den Höhen beiderseits des
Lomnica-Tales starke russische Angriffe zurückgeschlagen. Ein
russischer Stützpunkt bei Zalesczyki wurde von uns erstürmt.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
Brückenkopf Zaleszczyki erstürmt
Wien, 9. Mai
In
Verfolgung des aus seinen Höhenstellungen geworfenen Gegners
haben unsere Kolonnen den Grenzkamm der Karpathen überschritten.
Ungarn ist vom Feinde frei.
Auf galizischem Boden dauert die Schlacht fort. In einem
Frontraume von über 200 Kilometern von der Weichsel bis zum
Uzsoker Paß weicht der Gegner zurück. Die verbündeten Armeen
haben unter siegreichen Kämpfen ungefähr die Linie Uzsoker Paß
- Komancza - Krosno - Debica - Szczucin überschritten. Im
Karpathenabschnitt östlich des Uzsoker Passes und an der Front
in Südostgalizien haben sich nun ebenfalls heftigere Kämpfe
entwickelt. Unsere Truppen eroberten mehrere russische
Stellungen. Starke feindliche Kräfte greifen unsere Truppen auf
den Höhen nordöstlich Ottynia an. Dort Kampf im Gange. Der
stark befestigte Brückenkopf Zaleszczyki, den der Gegner in
wochenlangen, verzweifelten Kämpfen festzuhalten versuchte,
wurde gestern von unseren Truppen erstürmt. Die Russen über den
Dnjestr verfolgt, 3500 Mann gefangen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Gesamtverlust
der dritten russischen Armee 150.000 Mann
Wien, 10. Mai
Die unter
schweren Verlusten aus Westgalizien und den Karpathen
zurückgeschlagene 3. Armee ist, dem Drucke aus beiden Richtungen
nachgebend, mit der Hauptkraft im Raume um Sanok und Lisko
zusammengepreßt. Gegen diese Massen dringen die verbündeten
Armeen weiter erfolgreich vor und haben vom Westen den Übergang
über den Wislok erkämpft und von Süden die Linie
Dwernik-Baligrod-Bukowsko erreicht. Am nördlichen Flügel der
westgalizischen Front erstürmten gestern oberösterreichische,
Salzburger und Tiroler Truppen mehrere Orte östlich und
nordöstlich Debica. Die Zahl der in Westgalizien gemachten
Gefangenen ist auf 80000 gestiegen; hinzu kommen noch über 20000
Gefangene, die bei der Verfolgung in den Karpathen eingebracht
wurden. Die russische dritte Armee, die aus den Korps 9, 10, 12,
24 und der dritten kaukasischen sowie mehreren Reserve-Divisionen
zusammengesetzt war, hat somit einen Verlust von allein 100 000
Mann an Gefangenen. Rechnet man die Zahl der Toten und
Verwundeten hinzu, so kann der Gesamtverlust mit mindestens
150000 Mann angenommen werden. Von der auch jetzt noch nicht zu
übersehenden Menge von Kriegsmaterial sind bisher 60 Geschütze,
200 Maschinengewehre gezählt.
Die Kämpfe in Südostgalizien dauern noch fort. Durch einen
Gegenangriff wurde auf den Höhen nordöstlich Ottynia eine
starke Gruppe des Feindes zurückgeworfen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Die
Haltung Italiens
Berlin, 10. Mai
Einzelne
römische Blätter wie "Popolo Romano" behaupten, daß
die Lage sich in den letzten 24 Stunden gebessert habe. Dafür
liegen hier weder Anzeichen noch Tatsachen vor. Über die
Absichten des Kabinetts Salandra-Sonnino und über den Weg, auf
dem es sich befindet, kann ein Zweifel nicht bestehen. Es könnte
sich höchstens um die Frage handeln, ob es auf diesem Wege noch
einen Halt gibt, und ob unter anderem ein Eingreifen von Giolitti
noch imstande wäre, für die italienische Politik einen anderen
Ausweg zu finden als den, dem Salandra zustrebt. Das ist von hier
aus schwer zu beurteilen, und auch genaue Kenner Italiens und der
handelnden Personen legen auf manche Symptome der letzten beiden
Tage, zu denen auch Bülows Empfang beim König von Italien
gehört, geringeren Wert, als es hier und da in Zeitungen
geschieht, nebenbei bemerkt: mehr in ausländischen als in
deutschen Zeitungen. Von irgend einem die Entscheidung
beeinflussenden Erfolg der Audienz des Fürsten Bülow beim
König ist nichts bekannt.
Die Audienz ist zustande gekommen, weil der ehemalige deutsche
Reichskanzler Ritter des Annunziaten-Ordens und nach dessen
Statuten Cousin des Königs ist und unter allen Umständen zu
diesem Zutritt hat.
Wer jetzt verfolgt, was von den zum Kriege entschlossenen und zum
Kriege hetzenden Elementen in Italien und dem größten Teil der
italienischen Presse geschieht, der findet wieder einmal das Wort
bestätigt, daß schließlich Volksleidenschaften es sind, die
zum Kriege drängen, und daß die wahre Kriegspartei die Presse
ist, zumal wenn es sich um eine notorisch in fremden Diensten
stehende Presse handelt. Nebenbei bemerkt, nichts wäre falscher,
als den alten Staatsmann Giolitti sich als einen Deutschenfreund
vorzustellen, der etwa Deutschland zuliebe in letzter Stunde
einzugreifen versuchte. Giolitti ist Italiener und Patriot, und
wenn er es überhaupt noch unternehmen sollte, Einfluß auf die
Entscheidung auszuüben, dann könnte es sich nur darum handeln,
daß er ohne Krieg die italienischen Wünsche und Forderungen
erreichen zu können glaubt. Er treibt nur italienische Politik.
Verhandelt wird noch, dafür sprechen manche Anzeichen. Eine
Berechtigung zu optimistischen Erwartungen liegt nicht vor, zumal
da gewiß nicht nur zwischen Österreich und Italien, sondern
auch mit dem Dreiverband verhandelt wird.
Russischer Rückzug in Südpolen
Wien, 11. Mai
In den
Kämpfen der letzten zwei Tage haben unsere Truppen die russische
Schlachtlinie bei Debica durchbrochen. Hierdurch wurden die
südlich der Weichsel kämpfenden starken russischen Kräfte zum
schleunigen Rückzug hinter die untere Wisloka gezwungen. Die
Tragweite dieser Ereignisse wird klar durch die seit heute früh
vorliegenden Meldungen über den Rückzug des feindlichen
Südflügels in Russisch-Polen. Die stark befestigte Nida-Front
wird vom Gegner als unhaltbar erkannt und eiligst geräumt. Wie
der Erfolg bei Gorlice und Jaslo sich auf die Karpathenfront
übertrug, so beeinflußt jener der Armee des Erzherzogs Josef
Ferdinand bei Tarnow und Debica die Situation in Russisch-Polen.
In Mittel-Galizien dringen unsere und die deutschen Truppen unter
fortwährenden erfolgreichen Kämpfen den Trümmern der
geschlagenen russischen Korps gegen den San-Abschnitt Dynow-Sanok
nach. Ein versuchter russischer Gegenangriff von zirka drei
Divisionen von Sanok entlang der Bahn gegen Westen wurde unter
schweren Verlusten des Feindes blutig zurückgeschlagen und die
Verfolgung fortgesetzt. Gefangenenzahl und Beute nehmen täglich
zu. Die aus dem Waldgebirge vorgedrungenen Kolonnen haben bei
Baligrod starken Gegner geworfen und mit Vortruppen den San bei
Dwernik überschritten. Die russische achte Armee, die im
allgemeinen zwischen Lupkow und Uzsok kämpfte, ist nunmehr mit
beträchtlichen Teilen ebenfalls in die Niederlage verwickelt. In
Südostgalizien sind die Russen in mehreren Abschnitten zum
Angriff übergegangen. Ein Vorstoß starker Kräfte nördlich des
Pruth auf Czernowitz wurde an der Reichsgrenze zurückgeschlagen;
620 Gefangene gemacht. Nördlich Horodenka gelang es feindlichen
Abteilungen, am südlichen Dnjestr-Ufer Fuß zu fassen. Der Kampf
dauert hier an.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Die
dritte und achte russische Armee in völliger Auflösung
Wien, 12. Mai
Die
Niederlage der russischen dritten und achten Armee vergrößert
sich von Tag zu Tag. In regellosen Kolonnen, zum Teil in
Auflösung, flüchten die russischen Truppen und Trains dieser
Armeen in der Richtung auf Jaroslau, Przemysl und Ghyrow zurück.
Die aus dem Raum Sanok-Lisko nach Ost flüchtenden starken
feindlichen Kräfte werden vom Süden her durch die über
Baligrod und Polana vorgedrungenen eigenen Kolonnen
angegriffen.
Die siegreichen Truppen haben in weiterer Verfolgung die untere
Wisloka überschritten, Rzeszow erobert, Dynow, Sanok und Lisko
sind in unserem Besitz. Durch den bisherigen außerordentlichen
Erfolg in West- und Mittelgalizien beginnt nun auch die russische
Karpathenfront östlich des Uzsoker Passes zu wanken. Die
deutschen und österreichisch ungarischen Truppen sind nun auch
hier auf der ganzen Front im Angriff, der Feind im Raum bei
Turka, im Orawa- und Oportale im Rückzug.
Nördlich der Weichsel sind unsere Truppen über die Nida
vorgedrungen.
In Südostgalizien sind starke russische Kräfte über den
Dnjestr in Richtung auf Horodenka vorgestoßen. Zaleszczyki wurde
von uns geräumt. Die Kämpfe dauern fort.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Italien
vor der Entscheidung
Mailand, 12. Mai
In der
Turins "Stampa" schreibt der Abgeordnete Cirmeni,
bekanntlich ein persönlicher Freund Giolittis, folgendes:
"Die österreichische Regierung hat der italienischen in
freundschaftlicher Form folgendes Angebot gemacht: Abtretung des
italienischen Teils von Tirols, des sogenannten Trentino:
Abtretung am Isonzo, mit Einschluß Gradiscas; vollständige
Autonomie für Triest und Gewährung einer italienischen
Universität und eines Freihafens, Desinteressement Österreichs
zugunsten Italiens in Südalbanien nebst sofortiger Anerkennung
des Besitzes von Valona. Endlich Prüfung der Abtretung der Stadt
Görz sowie einiger Inseln nahe der dalmatinischen Küste."
Rom, 12. Mai
Nachdem
auch der heutige Ministerrat keine Klarheit in die Situation
gebracht hat, ist es schwerer denn je, den Ausgang dieser Krise
vorauszusagen, die immer mehr einen inneren Charakter annimmt.
Bis gestern konnte man noch glauben, daß eine Einigung zwischen
der Regierung und Giolitti möglich sei. Nach dem gestrigen
heftigen Angriff des "Giornale d´Italia" auf Giolitti
ist jedoch klar, daß der Gegensatz unüberbrückbar ist. Dieser
Artikel wird allgemein auf Sonnino zurückgeführt und dient
heute allen Blättern der Kriegsparteien als Leitmotiv zu den
stärksten Ausfällen auf Giolitti und dessen Aktion, so daß
sich dieser genötigt sieht, in einem Brief an die
"Tribuna" dagegen zu protestieren, daß er in einer
Versammlung der Reformsozialisten als Feind des Vaterlandes in
Acht erklärt worden sei, während er doch nur das Bürgerrecht
der freien Meinungsäußerung ausgeübt habe. Die Änderung, die
in der Lage seit gestern eingetreten ist, besteht darin, daß die
Interventionsfrage, welche bisher nur von der Regierung behandelt
wurde, nun zum Gegenstand von Parteikämpfen geworden ist. Die
Regierung hat dem offenbar Rechnung getragen, indem sie
beschloß, die Entscheidung dem Parlament zu überlassen.
Unterdessen werden die diplomatischen Verhandlungen
weitergeführt. Zwar sind die Anträge Österreich-Ungarns an
Italien jetzt amtlich bekannt gegeben und auch im ganzen durch
die Presse veröffentlicht worden. Es bleibt jedoch für
Verhandlungen noch Raum, da einige Zugeständnisse nur allgemein
benannt, aber nicht fixiert sind. Daneben dauern aber auch
Unterredungen mit den Botschaftern der Entente an. Der neue
russische Botschafter von Giers, der heute angekommen ist, wurde
sofort von Sonnino empfangen.
Die sozialistische Fraktion faßte nach zweitägiger Beratung
folgenden Beschluß: Sie erachte es nicht nur im Interesse des
Proletariats, sondern der Mehrheit des ganzen Landes für ihre
Pflicht, gegen die jeden Tag kühner auftretenden
Interventions-Parteien Front zu machen. Auch im Parlament wachse
die Opposition gegen die Regierung, die sich in ein
diktatorisches Stillschweigen hülle. Das Parlament habe der
Regierung das Vertrauen ausgesprochen, zu verhandeln, nicht Krieg
zu führen. Keine Regierung dürfe das Land, ohne es zu befragen,
in den Krieg stürzen. Deshalb wird die sozialistische Fraktion
in Rom versammelt bleiben und die Politik unterstützen, die
entschieden gegen den Krieg gerichtet ist.
Die
russische Nidafront und Karpathenfront erobert
Wien, 13. Mai
Die in den
November- und Dezemberschlachten von Lodz und Limanowa
erfochtenen Siege der verbündeten deutschen und
österreichisch-ungarischen Truppen zwangen die damals russische
Front in Polen und Westgalizien in einer Ausdehnung von nahezu
400 Kilometern zum Rückzug. Damals zerschellte der vom Feinde
geplante Vormarsch nach Deutschland an der erprobten Schlagkraft
der treu verbündeten Truppen.
Vom Januar 1915 bis Mitte April haben die Russen ihre Übermacht
vergeblich aufgeboten, um über die Karpathen nach Ungarn
einzubrechen. Unter ungeheuren Verlusten ist dieser Plan an dem
Heldenmut und der Beharrlichkeit unserer Truppen in monatelangen
erbitterten Kämpfen vollkommen gescheitert. Damit war der
Zeitpunkt gekommen, mit den machtvoll vereinten Truppen beider
Reiche den Feind im gemeinsamen Angriff niederzuringen.
Der Sieg von Tarnow und Gorlice hat nicht nur Westgalizien vom
Feinde befreit, sondern auch die ganze russische Nidafront und
Karpathenfront zum Weichen gebracht. In Ausnutzung des ersten
Erfolges haben die siegreichen Truppen in zehntägigen Kämpfen
die russische dritte und achte Armee bis zur Vernichtung
geschlagen, den Raum vom Dunajec und den Beskiden bis an den San
durcheilt, dadurch 130 Kilometer heimatlichen Bodens erkämpft.
Reiche Beute fiel in die Hände der Sieger. Vom 2. bis 12. Mai
nachmittags beträgt die Gesamtsumme der von allen Armeen
eingebrachten Gefangenen 143500 Mann, ferner etwa 100 Geschütze
und 350 Maschinengewehre.
Hinzu kommen noch alle jene, die, durch die Ereignisse
überrascht, den Anschluß an die zurückgehenden Truppen
versäumten und in den Wäldern der Karpathen
vereinzelt umherirren. So hat sich der Stab der russischen 48.
Infanteriedivision mit General der Infanterie Korniloff gestern
im Rücken unserer Armee bei Odrzechowa unseren Truppen ergeben.
Das Maß der Zerrüttung beim Rückfluten des Feindes
kennzeichnet sich dadurch, daß unser neuntes Korps in den
letzten drei Tagen durcheinander gewürfelte Mannschaften von 51
russischen Regimentern gefangennahm. Die seit Monaten vom Feinde
aufgestapelten Ausrüstungen, Vorräte aller Art, Munition und
sonstiges Kriegsmaterial blieben beim raschen Vordringen der
Verfolger in den russischen Etappenstationen zurück und werden
erst jetzt gesammelt werden können.
Nördlich der Weichsel dringen österreichisch-ungarische Truppen
über Stopnica vor. Deutsche Truppen haben die
Gouvernementshauptstadt Kielce erobert.
Östlich des Uzsoker Passes erstürmten deutsche und
Honvedtruppen gestern mehrere Höhenstellungen der Russen,
drangen bis südlich Turka vor und machten 4000 Mann zu
Gefangenen. Der Angriff wird hier und in der Richtung auf Skole
fortgesetzt.
In Südostgalizien greifen starke feindliche Truppen über
Horodenka an.
Schließlich sei erwähnt, daß die russischen Communiqués der
letzten Tage, sichtlich bemüht, unsere und die deutschen Erfolge
abzuschwächen, alles verneinen und als absichtlich falsch
wiedergegeben bezeichnen. Dies ist ein schlagender Beweis für
die Größe der russischen Niederlage, denn sie verwirrt nun
nicht allein die Aktionen der Truppen am Schlachtfelde, sondern
auch die offizielle Berichterstattung der obersten russischen
Heeresleitung.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
Rückzug der Russen über den San
Wien, 14. Mai
Der
Rückzug des Feindes in Russisch-Polen dauert fort, er
übergreift auch auf die Abschnitte der bisherigen Pilicafront.
Von östlich Petrikau bis zur oberen Weichsel verfolgen die
verbündeten Armeen Woyrsch und Dankl den zurückgehenden Gegner.
Ihre Truppen haben im Berglande nordöstlich Kielce Fuß gefaßt.
Vor der Armee Erzherzog Josef Ferdinand ziehen sich die Russen in
Mittelgalizien über den San zurück und weichen aus dem Raume
Dobromil-Stary Sambor vor den Têten der Armeen Boroevic und
Boehm-Ermolli in nordöstlicher Richtung. Unsere Truppen haben
die Höhen südwestlich Dobromil und Stary Sambor unter
Nachhutkämpfen erreicht.
Dem allgemeinen Vorgehen haben sich nun auch die verbündeten
Truppen der Armee Linsingen angeschlossen, die über Turka und
Skole vordringen.
Die Schlacht in Südostgalizien dauert an. Starke russische
Kräfte sind bis über Obertyn bis nördlich Smatyn und bis
Mahala vorgedrungen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Jaroslau
von deutschen Truppen erobert
Wien, 15. Mai
Die
russischen Armeen in Polen und Galizien sind weiter im Rückzuge.
Auf der ganzen Front von Nowe Miasto, an der Pilica bis südlich
des Dnjestr, in der Gegend von Dolina dringen die verbündeten
Armeen vor. Am San sind Rudnik und Lezajek von unseren, Jaroslau
von deutschen Truppen erobert. Das in Mittelgalizien zuständige
österreichisch-ungarische zehnte Korps steht vor den Toren
seiner Heimatstadt Przemysl. Weiter südlich sind Dobromil,
Stary-Sambor und Boryslaw wieder in eigenem Besitz. Verbündete
Truppen der Armee Linsingen haben die Höhen südwestlich Dolina
erreicht.
An der Pruthlinie greifen die Russen noch an. In den erbitterten
Kämpfen nördlich Kolomea hat kärntnerische und steierische
Infanterie des Heeres und der Landwehr in zähem Ausharren alle
russischen Sturmangriffe blutig zurückgeschlagen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Einzug
der Österreicher in Sambor
Wien, 16. Mai
In
Russisch-Polen verfolgen die Verbündeten Streitkräfte südlich
der unteren Pilica, haben das Bergland von Kielce bis zum
Oberlauf der Kamienna vom Feinde gesäubert und sind entlang der
Weichsel bis auf die Höhen nördlich Klimontow vorgedrungen.
An der Sanstrecke Rudnik-Przemysl wurden russische Nachhuten vom
westlichen Flußufer zurückgeworfen und hierbei viele Gefangene
gemacht.
Die aus den Waldkarpathen vorgedrungenen Armeen setzen ihre
Vorrückung fort. Eine starke russische Nachhut wurde gestern in
der Gegend der Höhe Magiera zersprengt, 7 Geschütze, 11
Maschinengewehre erobert, über 1000 Gefangene gemacht.
Unsere Truppen sind vormittags mit klingendem Spiel jubelnd
begrüßt in Sambor eingezogen.
In Südostgalizien wurden nördlich Kolomea neue Angriffe der
Russen abgewiesen, ein Stützpunkt dem Gegner entrissen. Weiter
Pruth abwärts bis zur Reichsgrenze
herrscht verhältnismäßig Ruhe.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Einnahme
von Drohobycz
Wien, 17. Mai
Im
Verhältnis zu den hartnäckigen Kämpfen der vergangenen zwei
Wochen verlief der gestrige Tag an der ganzen Front im
allgemeinen ohne wesentliche Ereignisse.
Die Armeen haben weiter nach vorwärts Raum gewonnen. Die gegen
den oberen Dnjestr vorgerückten Kolonnen haben mit Teilen nun
auch Drohobyrz genommen, weitere 5100 Gefangene gemacht und acht
Maschinengewehre erbeutet.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
174.000
Russen in Galizien seit Anfang Mai gefangen
Wien, 18. Mai
Die
verbündeten Truppen hatten nach erbitterten Kämpfen an mehreren
Stellen den San forciert und am Ostufer des Flusses Fuß gefaßt.
Gegenangriffe der Russen wurden überall blutig abgewiesen, der
Feind in östlicher Richtung zurückgeworfen.
Am oberen Dnjestr sind heftige Kämpfe im Gange. An der
Pruthlinie keine besonderen Ereignisse. Vereinzelte Vorstöße
der Russen nördlich Kolomea wurden abgewiesen.
Die Gesamtsumme der in der ersten Hälfte des Mai eingebrachten
Gefangenen hat sich auf 174000 Mann erhöht. Hierzu kommen 128
erbeutete Geschütze und 368 Maschinengewehre.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
deutsche Reichskanzler über das österreichisch-ungarische
Angebot an Italien
Berlin, 18. Mai
Der
Reichstag ist heute wieder zu einer kurzen Sitzung
zusammengetreten. Nach einer Begrüßungsansprache des
Präsidenten Dr. Kämpf hielt der Reichskanzler v. Bethmann
Hollweg folgende Rede:
Meine
Herren!
Ihnen ist bekannt, daß sich die Beziehungen zwischen Italien und
Österreich-Ungarn in den letzten Monaten stark zugespitzt haben.
Aus der gestrigen Rede des ungarischen Ministerpräsidenten
Grafen Tisza werden Sie entnommen haben, daß das Wiener
Kabinett, in dem aufrichtigen Bestreben, die ständige
Freundschaft zwischen der Doppelmonarchie und Italien zu sichern
und den dauernden großen Lebensinteressen beider Reiche Rechnung
zu tragen, sich zu weitgehenden Konzessionen, auch territorialer
Natur, an Italien entschlossen hat. Ich halte es für
zweckmäßig, Ihnen diese Konzessionen zu bezeichnen:
1. Der Teil von Tirol, der von Italienern bewohnt ist, wird an
Italien abgetreten.
2. ebenso das westliche Ufer des Isonzo, soweit die Bevölkerung
rein italienisch ist, und die Stadt Gradisca.
3. Triest soll zur kaiserlichen freien Stadt gemacht werden, eine
den italienischen Charakter der Stadt sichernde Stadtverwaltung
und eine italienische Universität erhalten,
4. die italienische Souveränität über Valona und die dazu
gehörige Interessensphäre soll anerkannt werden;
5. Österreich-Ungarn erklärt seine politische
Uninteressiertheit hinsichtlich Albaniens,
6. die nationalen Interessen der italienischen Staatsangehörigen
in Österreich-Ungarn werden besonders berücksichtigt;
7. Österreich-Ungarn erläßt eine Amnestie für militärische
oder politische Verbrechen die aus den abgetretenen Gebieten
stammen;
8. wohlwollende Berücksichtigung von weiteren Wünschen Italiens
über die Gesamtheit der das Abkommen bildenden Fragen wird
zugesagt,
9. Österreich-Ungarn wird nach dem Abschluß des Vertrages eine
feierliche Erklärung über die Abtretungen geben,
10. gemischte Kommissionen zur Regelung der Einzelheiten der
Abtretung werden eingesetzt;
11. nach Abschluß des Abkommens sollen die Soldaten der
österreichisch-ungarischen Armee, die aus den besetzten Gebieten
stammen, nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen. (Hört, hört!)
Ich kann hinzusagen, daß Deutschland, um die Verständigung
zwischen seinen beiden Bundesgenossen zu fördern und zu
festigen, dem römischen Kabinett gegenüber im Einverständnis
mit dem Wien die volle Garantie für die loyale Ausführung
dieser Anerbietungen ausdrücklich übernommen hat.
Österreich-Ungarn und Deutschland haben hiermit einen Entschluß
gefaßt, der, wenn er zum Ziele führt, nach meiner festen
Überzeugung auf die Dauer von der überwältigenden Mehrheit der
drei Nationen gutgeheißen werden wird. Mit seinem Parlament
steht das italienische Volk vor der freien Entschließung, ob es
die Erfüllung alter nationaler Hoffnungen in weitestem Umfange
auf friedlichem Wege erreichen oder ob es das Land in den Krieg
stürzen und gegen seine Bundesgenossen von gestern und heute
morgen das Schwert ziehen will. Ich mag die Hoffnung nicht ganz
aufgeben, daß die Wagschale des Friedens schwerer sein wird als
die des Krieges. Wie aber Italiens Entschließung auch ausfallen
möge: In Gemeinschaft mit Österreich-Ungarn haben wir alles im
Bereiche der Möglichkeit Liegende getan, um ein
Bundesverhältnis zu stützen, das im deutschen Volke feste
Wurzel gefaßt hatte und das den drei Reichen Nutzen und Gutes
gebracht hat. Wird der Bund von einem der Partner zerrissen, so
werden wir in Gemeinschaft mit dem anderen auch neuen Gefahren
unerschrockenen und zuversichtlichen Mutes zu begegnen wissen.
(Lebhafter stürmischer Beifall und allgemeines
Händeklatschen.)
Der
Reichskanzler verneigt sich mehrmals. Wiederholter stürmischer
Beifall und Händeklatschen.)
Erfolgreiche
Kämpfe um den Sanübergang
Wien, 19. Mai
Die auf das
östliche Sanufer vorgedrungenen verbündeten Truppen warfen
gestern starke russische Kräfte, die sich nordöstlich Jaroslau
neuerdings gestellt hatten, bis über die Lubaczowka zurück.
Sieniawa wurde erobert. Der Übergang über den San auch dort
erzwungen, hierbei 7000 Gefangene gemacht, 8 Geschütze erbeutet.
In den Morgenstunden versuchte feindliche Gegenangriffe wurden
blutig zurückgeschlagen.
Die Kämpfe am oberen Dnjestr und in der Gegend von Stryj dauern
fort. Unsere Angriffskolonnen erstürmten nördlich Sambor
mehrere Höhenstellungen der Russen und eroberten vom Feinde
hartnäckig verteidigte Ortschaften.
An der Pruthlinie hat sich nichts Wesentliches ereignet.
In Russisch-Polen wird im Berglande von Kielce gekämpft.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
Vormarsch der Verbündeten in Galizien
Wien, 20. Mai
Östlich
Jaroslau und bei Sieniawa wurden starke russische Angriffe unter
schweren Verlusten des Feindes zurückgeschlagen. Die
verbündeten Truppen haben nach Ost und Südost Raum gewonnen.
In den Kämpfen am oberen Dnjestr wurden weitere 5600 Gefangene
gemacht. Die Russen wurden in einem Abschnitt nördlich Sambor
aus ihrer Hauptverteidigungsstellung geworfen, eine Ortschaft
zehn Kilometer südwestlich Mosciska erstürmt. An der Pruthlinie
ist die Situation unverändert. Nördlich Kolomea brachte ein
kurzer Gegenstoß 1400 Gefangene ein.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der
Kriegsbeschluß der italienischen Kammer
Rom, 20. Mai
Die
Deputiertenkammer hat heute unter großen Beifallskundgebungen
mit 407 gegen 74 Stimmen bei einer Stimmenthaltung den
Gesetzentwurf angenommen, welcher der Regierung für den Fall
eines Krieges außerordentliche Befugnisse überträgt.
In der sehr bewegten Sitzung hielt der Ministerpräsident
Salandra zur Begründung der Vorlage eine Rede, in der er u. a.
sagte: Das österreichische Ultimatum an Serbien habe das
Abkommen mit Italien verletzt. Es habe das empfindliche System
territorialer Besitzungen und Einflußsphären auf der
Balkanhalbinsel und das Gleichgewicht gestört, das das Bündnis
sichern sollte. Die Regierung habe lange Monate eine
Verständigung gesucht, schließlich aber, um die Interessen und
die Ehre des Landes aufrechtzuerhalten, am 6. Mai den
Bundesvertrag aufgekündigt. Anderseits sei es nicht mehr
möglich gewesen, jetzt Italien in einer Isolierung ohne
Sicherheit und ohne Ansehen zu lassen. "Möge nun",
schloß Salandra, "ein einmütiger Wille zu dem beschworenen
Ziele führen und Kraft, Herz und Wille ihren einzigen
leidenschaftlichen und heldenhaften Ausdruck finden in der Armee
und Flotte Italiens und in dem erhabenen Führer, der sie zu den
Schicksalen einer neuen Geschichte anführt. Es lebe der König.
Es lebe Italien!"
Die Kündigung des Dreibundes durch Italien - Die italienische
Erklärung in Wien
Rom, 20. Mai
Das heute
in der italienischen Kammer vorgelegte Grünbuch enthält als
letztes Aktenstück eine Note des Ministers des Auswärtigen
Sonnino an Österreich-Ungarn, in der es heißt:
"Österreich-Ungarn stellte im Laufe des Sommers 1914, ohne
irgendein Einverständnis mit Italien zu treffen, ja, ohne ihm
die geringste Benachrichtigung zugehen zu lassen und ohne sich
irgendwie durch die Ratschläge zur Mäßigung beeinflussen zu
lassen, welche ihm durch die Königliche Regierung gegeben worden
waren, am 23. Juni Serbien das Ultimatum, welches die Ursache und
der Ausgangspunkt des augenblicklichen Kriegsbrandes in Europa
wurde. Indem Österreich-Ungarn die Verpflichtungen, welche sich
aus dem Vertrage ergaben, vernachlässigte, brachte es den status
quo auf der Balkanhalbinsel von Grund auf in
Verwirrung und schuf eine Lage, von welcher es allein Nutzen
haben mußte, zum Schaden der allerwichtigsten Interessen, welche
sein Verbündeter so oft (als die seinen) bestätigt und
proklamiert hatte. Eine so flagrante Verletzung des Buchstabens
und des Geistes des Vertrages rechtfertigte nicht nur die
Weigerung Italiens, sich in dem ohne Einholung seiner Meinung
hervorgerufenen Kriege an die Seite seiner Verbündeten zu
stellen, sondern sie nahm sogar dem Bündnis mit demselben
Schlage seinen wesentlichen Inhalt und sein Daseinsrecht. Sogar
das Abkommen über eine wohlwollende Neutralität, welches durch
den Vertrag vorgesehen war, fand sich durch diese Verletzung
beeinträchtigt. Tatsächlich kommen Überlegung und Gefühl
dahin überein, die Aufrechterhaltung einer wohlwollenden
Neutralität auszuschließen, wenn einer der Verbündeten zu den
Waffen greift zur Verwirklichung eines Programms, welches den
Lebensinteressen des anderen Verbündeten strikt zuwiderläuft,
und zwar den Interessen, deren Wahrung den Hauptgrund gerade
dieses Bündnisses bildete. Nichtsdestoweniger hat Italien sich
mehrere Monate hindurch bemüht, eine Lage zu schaffen, welche
der Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den
beiden Staaten günstig wäre, welche die wesentliche Grundlage
jedes Zusammenwirkens im Bereiche der großen Politik bilden. In
dieser Absicht und in dieser Hoffnung erklärte die italienische
Regierung sich bereit, auf ein Arrangement einzugehen, welches
die Befriedigung der legitimen nationalen Ansprüche Italiens in
billigem Ausmaß zur Grundlage hätte und welches zugleich dazu
gedient hätte, die vorhandene Ungleichheit in der gegenseitigen
Lage der beiden Staaten im Adriatischen Meere zu beseitigen.
Diese Verhandlungen führten jedoch zu keinem in Betracht
kommenden Ergebnis. Bei diesem Stande der Sache muß die
italienische Regierung auf die Hoffnung verzichten, zu einem
Einverständnis zu kommen, und sieht sich gezwungen, alle
Vorschläge zu einem Übereinkommen zurückzuziehen. Es ist
ebenso unnütz, den äußeren Anschein eines Bündnisses
aufrechtzuhalten, welches nur die Bestimmung haben würde, das
tatsächliche Bestehen eines beständigen Mißtrauens und
täglicher Meinungsverschiedenheiten zu verschleiern. Aus diesem
Grunde versichert und erklärt Italien im Vertrauen auf sein
gutes Recht, daß es von diesem Augenblick an sich die volle
Freiheit seiner Handlungen wieder nimmt und seinen
Bündnisvertrag mit Österreich-Ungarn für annulliert und
künftig wirkungslos erklärt."
Der Botschafter, Herzog von Avarna, machte dem Baron Burian diese
Mitteilung am 4. Mai.
Die
österreichisch-ungarische Antwort auf die Kündigung des
Dreibundes
Wien, 21. Mai
Die k. u. k. Regierung hat die Mitteilung Italiens, daß es den
Dreibundvertrag als aufgehoben betrachtet, mit folgender Note
beantwortet, die am Nachmittag des 21. Mai vom k. u. k. Minister
des Äußeren, Baron Burian, dem königlich italienischen
Botschafter, Herzog Avarna, übergeben wurde:
Der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern hat
die Ehre gehabt, die Mitteilung betreffend die Aufhebung des
Dreibundvertrages zu erhalten, welche der Herr italienische
Botschafter ihm im Auftrage der königlich italienischen
Regierung am 4. Mai gemacht hat. Mit peinlicher Überraschung
nimmt die k. u. k. Regierung Kenntnis von der Entschließung der
italienischen Regierung, auf eine so unvermittelte Weise einem
Vertrage ein Ende zu bereiten, der auf der Gemeinsamkeit unserer
wichtigsten politischen Interessen fußend, unseren Staaten seit
langen Jahren Sicherheit und Frieden verbürgt und Italien
notorische Dienste geleistet hat."
Das Ziel, welches sich Öesterreich-Ungarn sehnte und das einzig
und allein darin bestand, die Monarchie gegen die
umstürzlerischen Machenschaften Serbiens zu schützen und die
Fortsetzung einer Agitation zu verhindern, die geradezu auf die
Zerstückelung Österreich-Ungarns ausging und zahlreiche
Attentate und schließlich die Tragödie von Sarajewo im Gefolge
hatte, konnte die Interessen Italiens in keiner Weise berühren.
Die italienische Regierung war übrigens davon in Kenntnis
gesetzt und wußte, daß Österreich-Ungarn in Serbien keine
Eroberungsabsichten hatte, Es ist in Rom ausdrücklich erklärt
worden, daß Österreich-Ungarn, wenn der Krieg lokalisiert
bliebe, nicht die Absicht hatte, die Gebietsintegrität oder die
Souveränität Serbiens anzutasten. Als infolge des Eingreifens
Rußlands der rein lokale Streit zwischen Österreich-Ungarn und
Serbien im Gegensatze zu unseren Wünschen einen europäischen
Charakter annahm und sich Österreich-Ungarn und Deutschland von
mehreren Großmächten angegriffen sahen, erklärte die
königliche Regierung die Neutralität Italiens, ohne jedoch die
geringste Anspielung hierauf zu machen, daß dieser von Rußland
hervorgerufene und von langer Hand vorbereitete Krieg geeignet
sein könnte, dem Dreibundvertrag seinen Existenzgrund zu
entziehen. Es genügt, an die Erklärungen, welche in jenem
Zeitpunkte weiland Barchese di San Giuliane abgab, und an das
Telegramm, welches Se. Majestät der König von Italien am 2.
August 1914 an Se. Majestät den Kaiser und König richtete, zu
erinnern, um festzustellen, daß die königliche Regierung damals
in dem Vorgehen Österreich-Ungarns nichts sah, was den
Bestimmungen unseres Bundesvertrages entgegen gewesen wäre. Von
den Mächten des Dreiverbandes angegriffen, mußten
Österreich-Ungarn und Deutschland ihre Gebiete verteidigen, aber
dieser Verteidigungskrieg hatte keineswegs die
Verwirklichung eines den Lebensinteressen Italiens
entgegengesetzten Programms" zum Ziele. Diese
Lebensinteressen oder das, was uns von ihnen bekannt lein konnte,
waren in keiner Weise bedroht. Wenn übrigens die italienische
Regierung in dieser Hinsicht Bedenken gehabt hätte, so hätte
sie geltend machen können, und sicherlich hätte sie sowohl in
Wien als auch in Berlin den besten Willen zum Schuhe dieser
Interessen gefunden.
Die königliche Regierung war damals der Ansicht, daß sich ihre
beiden Verbündeten nach Lage der Dinge Italien gegenüber nicht
auf den Bündnisfall berufen konnten, aber sie machte keine
Mitteilung, welche zu dem Glauben berechtigt hätte, daß sie das
Vorgehen Öesterreich-Ungarns als eine flagrante Verletzung
des Wortes und des Geistes des Bündnisvertrages" ansehe.
Die Kabinette von Wien und Berlin ließen, wenn sie auch Italiens
Entschluß, neutral zu bleiben - einen Entschluß, der nach
unserer Ansicht mit dem Geist des Vertrages kaum vereinbar war -
bedauerten, die Anficht der italienischen Regierung dennoch in
loyaler Weise gelten, und der Meinungsaustausch, der in jenem
Zeitpunkte stattfand, stellte die unveränderte Aufrechterhaltung
des Dreibundes fest.
Gerade mit Berufung auf diesen Vertrag, insbesondere auf dessen
Artikel Vll legte uns die königliche Regierung ihre Ansprüche
vor, die dahin gingen, gewisse Entschädigungen für den Fall zu
erhalten, daß Österreich-Ungarn seinerseits aus dem Kriege
Vorteile territorialer oder anderer Natur auf der Balkanhalbinsel
zöge. Die k. u. k. Regierung nahm dessen Standpunkt an und
erklärte sich bereit, die Frage einer Prüfung zu unterziehen,
indem sie gleichzeitig darauf hinwies, daß es, solange man nicht
in Kenntnis der Österreich-Ungarneventuell zufallenden Vorteile
sei, schwer wäre, hierfür Kompensationen festzusetzen.
Die königliche Regierung teilte diese Auffassung, wie sowohl aus
der Erklärung des seither verstorbenen Marchese di San Giuliano
vom 25. August 1914 hervorgeht, in der es heißt: Es wäre
verfrüht, jetzt von Kompensationen zu sprechen," als auch
aus den Bemerkungen des Herzogs von Avarna nach unserem Rückzug
aus Serbien: Gegenwärtig gibt es kein
Kompensationsobjekt."
Nichtsdestoweniger
ist die t. u. k. Regierung immer bereit gewesen, über diesen
Gegenstand eine Konversation zu beginnen. Als die italienische
Regierung, indem sie auch noch jetzt ihren Wunsch auf
Aufrechterhaltung und Befestigung unseres Bündnisses
wiederholte, besondere Forderungen vorbrachte, welche unter dem
Titel einer Entschädigung der Abtretung integrierender
Bestandteile der Monarchie an Italien betrafen . . . ., hat denn
auch die k. u. k. Regierung, die auf die Erhaltung bester
Beziehungen zu Italien den größten Wert legte, selbst diese
Verhandlungsgrundlage angenommen, obwohl nach ihrer Meinung der
in Rebe stehende Artikel Vll niemals auf Gebiete der zwei
vertragschließenden Teile, sondern einzig und allein auf die
Balkanhalbinsel Bezug hatte. In den Verhandlungen, die über
diesen Gegenstand gepflogen wurden, zeigte sich die k. u. k.
Regierung stets von dem aufrichtigen Wunsche geleitet, zu einer
Verständigung mit Italien zu gelangen, und wenn es ihr aus
ethnischen, politischen und militärischen Gründen, die in Rom
ausführlich auseinandergesetzt worden sind, unmöglich war,
allen Forderungen der königlichen Regierung nachzugeben, so sind
doch die Opfer, die die k. u. k. Regierung zu bringen bereit war,
so bedeutend, daß diese nur der Wunsch, ein seit so vielen
Jahren zum gemeinsamen Vorteil unserer beiden Länder bestehendes
Bündnis aufrechtzuerhalten; zu rechtfertigen vermag.
Die königliche Regierung bemängelt es, daß die von
Österreich-Ungarn angebotenen Zugeständnisse erst in einem
unbestimmten Zeitpunkte, d. h. erst am Ende des Krieges,
verwirklicht werden sollten, und sie scheint daraus zu
folgern, daß diese Zugeständnisse dadurch ihren ganzen Wert
verlieren würden. Indem die k. u. k. Regierung die materielle
Unmöglichkeit einer sofortigen Übergabe der abgetretenen
Gebiete hervorhob, zeigte sie sich dennoch bereit, alle
möglichen
Garantien zu bieten, um diese Übergabe vorzubereiten und sie
schon jetzt für eine wenig entfernte Frist zu sichern. Der
offensichtliche gute Wille und der versöhnliche Sinn, den die k.
u. k. Regierung im Laufe der Verhandlungen bewiesen hat, scheinen
die Meinung der italienischen Regierung, man müßte auf jede
Hoffnung verzichten,
zu einem Einvernehmen zu gelangen, in keiner Weise zu
rechtfertigen. Ein solches Einvernehmen kann jedoch nur erreicht
werden, wenn auf beiden Seiten derselbe auf richtige Wunsch
nach Verständigung herrscht. Die k. u. k. Regierung vermag die
Erklärung der italienischen Regierung, ihre volle
Handlungsfreiheit wieder erlangen zu wollen und ihren
Bündnisvertrag mit Österreich-Ungarn als nichtig und fortan
wirkungslos zu betrachten, nicht zur Kenntnis zu nehmen, da eine
solche Erklärung der königlichen Regierung im entschiedenen
Widerspruch zu den feierlich eingegangenen Verpflichtungen steht,
welche Italien in dem Vertrage vom 5. Dezember 1912 auf sich
genommen hat, der die Dauer unserer Allianz bis zum 8. Juli 1920
festsetzte,
feine Kündigung nur ein Jahr vorher gestattete und keine
Kündigung oder Nichtigkeitserklärung vor diesem Zeitpunkte
vorsah. Da sich die königlich italienische Regierung aller ihrer
Verpflichtungen in willkürlicher Weise erledigt hat, lehnt die
k. u. k. Regierung die Verantwortlichkeit für alle Folgen ab,
die sich aus dieser Vorgangsweise ergeben
könnten.
(W. T. S.)
Auch der
italienische Senat für den Krieg
Rom, 22. Mai
Der Senat
genehmigte mit 262 gegen 2 Stimmen den Gesetzentwurf betreffend
außerordentliche Vollmachten für die Regierung.
Dem Parlament ist ein Grünbuch über die Verhandlungen mit
Österreich-Ungarn zugegangen. Es enthält 77 Dokumente aus der
Zeit vom 9. Dezember 1914 bis 3. Mai 1915. Seine Tendenz ist,
Österreich als den formal und sachlich Schuldigen zu erklären,
und die Notwendigkeit einer Neuorientierung der italienischen
Politik aus der augenblicklichen Gefahr eines
österreichisch-russischen Seperatfriedens herzuleiten, der die
österreichische Armee gegen die italienische Armee freimachen
würde.
Die
Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn
Wien 23. Mai
Die
italienische Regierung hat heute durch ihren Botschafter Herzog
von Avarna der österreichisch-ungarischen Regierung erklären
lassen, dass sich Italien von Mitternacht ab im Kriegszustande
mit Österreich-Ungarn befinde. Die italienische Regierung hat
durch diesen vom Zaune gebrochenen Angriff gegen die
Donaumonarchie das Bündnis auch mit Deutschland ohne Recht und
Grund zerrissen. Das durch die Waffenbrüderschaft noch fester
geschmiedete vertragsmäßige Treuverhältnis zwischen
Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich ist durch den Abfall
des dritten Bundesgenossen und seinen Übergang in das Lager
ihrer Feinde unversehrt geblieben. Der deutsche Botschafter
Fürst Bülow hat deshalb Anweisung erhalten, Rom zugleich mit
dem österreichisch-ungarischen Botschafter Baron Macchio zu
verlassen.
Rom, 23. Mai
Fürst
Bülow hat heute von der Konsulta die amtliche Mitteilung
erhalten, dass Italien sich von morgen ab als im Kriegszustand
mit Österreich-Ungarn befindlich erachtet.
Der
Wortlaut der italienischen Kriegserklärung
Wien 23. Mai
Wien, am 23
Mai 1915.
Den Befehlen Seiner Majestät des Könige seines erhabenen
Herrschers, entsprechend hat der unterzeichnete königlich
italienische Botschafter die Ehre, Seiner Exzellenz dem Herrn
österreichisch-ungarischen Minister des Äußern folgende
Mitteilung zu übergeben.
Am 4. d. M. wurden der k. u. k. Regierung die schwerwiegenden
Gründe bekanntgegeben, weshalb Italien im Vertrauen auf sein
gutes Recht seinen Bündnisvertrag mit Österreich-Ungarn, der
von der k. und k. Regierung verletzt worden war, für nichtig und
von nun an wirkungslos erklärt und seine volle Handlungsfreiheit
in dieser Hinsicht wieder erlangt hat. Fest entschlossen, mit
allen Mitteln, über die sie verfügt, für die Wahrung der
italienischen Rechte und Interessen Sorge zu tragen, kann die
königliche Regierung sich nicht ihrer Pflicht entziehen, gegen
jede gegenwärtige und zukünftige Bedrohung zum Zwecke der
Erfüllung der nationalen Aspirationen jene Maßnahmen zu
ergreifen, die ihr die Ereignisse auferlegen. Seine Majestät der
König erklärt, daß er sich von morgen ab als im Kriegszustande
mit Österreich-Ungarn befindlich betrachtet. Der Unterzeichnete
hat die Ehre, Seiner Exzellenz dem Herrn Minister des Äußern
gleichzeitig mitzuteilen, daß noch heute dem k. u. k.
Botschafter in Rom die Pässe zur Verfügung gestellt werden, und
er wäre Seiner Exzellenz dankbar, wenn ihm die seinen
übermittelt würden.
Manifest Kaiser Franz Josephs an seine Völker
Wien 23. Mai
An Meine Völker!
Der
König von Italien hat Mir den Krieg erklärt.
Ein Treubruch, dessengleichen die Geschichte nicht kennt, ist von
dem Königreich Italien an seinen beiden Verbündeten begangen
worden. Nach einem Bündnis von mehr als dreißigjähriger Dauer,
während dessen es seinen territorialen Besitz mehren und sich zu
ungeahnter Blüte entfalten konnte, hat uns Italien in der Stunde
der Gefahr verlassen und ist mit fliegenden Fahnen in das Lager
unserer Feinde übergegangen. Wir haben Italien nicht bedroht,
sein Ansehen nicht geschmälert, seine Ehre und seine Interessen
nicht angetastet, wir haben unseren Bündnispflichten stets
getreu entsprochen und ihm unsern Schirm gewährt, als es ins
Feld zog, wir haben mehr getan: Als Italien seine begehrlichen
Blicke über unsere Grenzen sandte, waren wir, um das
Bündnisverhältnis und den Frieden zu erhalten, zu großen
schmerzlichen Opfern entschlossen, zu Opfern, die Unserem
väterlichen Herzen besonders nahegingen. Aber Italiens
Begehrlichkeit, das den Moment nützen zu sollen glaubte, war
nicht zu stillen, und so muß sich das Schicksal vollziehen. Dem
mächtigen Feinde im Norden haben in zehn-monatlichem
gigantischem Ringen und in treuster Waffenbrüderschaft mit dem
Heere Meines erlauchten Verbündeten Meine Armeen siegreich
standgehalten. Der neue heimtückische Feind im Süden ist ihnen
kein neuer Gegner. Die großen Erinnerungen an Novara, Mortara,
Custozza und Lissa, die den Stolz Meiner Jugend bilden, und der
Geist Radetzkys, Erzherzogs Albrechts und Tegethoffs, der in
Meiner Land- und Seemacht fortlebt, bürgen Mir dafür, daß wir
auch gegen Süden hin die Grenzen der Monarchie erfolgreich
verteidigen werden. Ich grüße meine kampfbewährten,
siegerprobten Truppen. Ich vertraue auf sie und ihre Führer. Ich
vertraue auf Meine Völker, deren beispiellosem Opfermute Mein
innigster väterlicher Dank gebührt. Den Allmächtigen bitte
Ich, daß er unsere Fahnen segne und unsere gerechte Sache in
seine gnädige Obhut nehme.
Franz Josef m. p.
Wien, 24. Mai
Unsere
Flotte hat in der auf die Kriegserklärung folgenden Nacht vom
23. auf den 24. Mai eine Aktion gegen die italienische Ostküste
zwischen Venedig und Barletta unternommen und
hierbei an zahlreichen Stellen militärisch wichtige Objekte mit
Erfolg beschossen.
Gleichzeitig belegten unsere Seeflugzeuge die Ballonhalle in
Chiravalle sowie militärische Anlagen in Ancona und das Arsenal
in Venedig mit Bomben, wodurch sichtlicher Schaden und Brände
verursacht wurden.
Flottenkommando.
Wien,
25. Mai
In
Mittelgalizien greifen die verbündeten Armeen an der ganzen
Front von Sieniawa bis zum oberen Dnjestr starke russische
Kräfte an. Die Armee des Generalobersten v. Mackensen, in deren
Verband das österreichisch - ungarische VI. Korps kämpft, hat
Radymno genommen und ist östlich und südöstlich dieser Stadt
gegen den San vorgedrungen. Der Feind, der durch zahlreiche
Angriffe das verlorene Terrain zurückzuerobern versuchte, wurde
überall geworfen, verlor an 21000 Gefangene, 29 Geschütze,
über 40 Maschinengewehre. Die Armeen Buhallo und Boehm-Ermolli,
die südöstlich Przemysl vorstoßen, haben unter erbitterten
Kämpfen Raum gewonnen und den Gegner wider die Plonianiederung
zurückgeworfen. Der Angriff wird auf der ganzen Front
fortgesetzt. Die sonstige Lage auf dem nordöstlichen
Kriegsschauplatz hat sich nicht geändert.
Im Südwesten sind an der Tiroler und Kärntner Grenze da und
dort kleinere feindliche Abteilungen, hauptsächlich Alpini,
über die Grenze vorgegangen. Wo sie auf unsere Stellungen
stießen und angeschossen wurden, kehrten sie um.
Der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes |
Die Beschießung der
italienischen Ostküste.
Erfolgreicher Kampf mit italienischen Torpedojägern
Wien, 25. Mai
Der telegraphische amtliche Bericht über die Flottenaktion am
Morgen des 24. Mai hat folgenden Wortlaut: Heute vor
Sonnenaufgang, also genau 12 Stunden nach Kriegserklärung
seitens Italiens, hat die k. u. k. Flotte gleichzeitig eine Reihe
erfolgreicher Aktionen an der Ostküste Italiens von Venedig bis
Barletta ausgeführt. In Venedig hat ein Marineflieger 14 Bomben
geworfen, im Arsenal einen Brand erzeugt, einen Zerstörer stark
beschädigt, Bahnhof, Oelbehälter und Hangars am Lido beworfen.
In den sehr engen Kanal von Porto Forsini war der Zerstörer
Scharfschütze" eingedrungen, bis er sich plötzlich
unmittelbar neben einem vollbesetzten Schützengraben sah. Von
der völlig überraschten Besatzung wurde ein großer Teil
niedergeschossen, worauf jedoch drei ganz versteckte
Strandbatterien ein heftiges Feuer aus zirka Zwölf« zentimeter
-Geschützen auf den vor der Kanalmündung liegenden Kreuzer
Novara" und Torpedoboot 80 eröffneten. Letzteres
erhielt einen Treffer in die Offiziersmesse, wobei ein Mann
schwer verletzt und das Boot leck wurde. Novara"
führte das Feuergefecht fort, um dem Zerstörer und dem
Torpedoboot aus der mißlichen Tage herauszuhelfen, enfiltrierte
den Schützengraben, demolierte eine Kaserne, erhielt aber viele
Treffer. Linienschiffsleutnant Persich und 4 Mann tot, 4 Mann
schwer, mehrere leicht verwundet, aber die Verluste des Feindes
sind vielleicht zehn- bis zwanzigmal schwerer.
Scharfschütze" kam vollkommen unversehrt davon,
Torpedoboot 80" mit Lecktuch nach Pola. In Rimini
wurden vom Panzerkreuzer St. Georg" Bahnhof und
Brücke beschossen.
In Senigallia wurden vom "Prinz" Eisenbahnbrücke,
Wasserturm, Hafenanlage, Stationsgebäude und ein Zug demoliert,
letztere zwei und ein nahe gelegenes Gebäude verbrannten. In
Ancona wurden vom Gros der Flotte alte Befestigungen, das
Artillerie- und Kavallerielager, die Werften, elektrische
Zentrale, Bahnhof, Gasometer, Petroleumdepot, Semaphor- und
Radiostation beschossen und durch abirrende Geschosse und Brände
ein ungeheurer Schaden angerichtet. Zwei Dampfer im Hafen wurden
versenkt und der auf der Werft neugebaute, der schon für den
Stapellauf fast klar war, demoliert. Widerstand wurde nur von
einer leichten Batterie und einigen Maschinengewehren gegen zwei
Zerstörer geleistet. In dem einzigen modernen Fort Alfredo
Savic" stand zwar bei Beginn der Beschießung die Besatzung
an den Geschützen, aber zwei unserer im richtigen Augenblick
erscheinende Flieger vertrieben sie mit Maschinengewehrfeuer so
gründlich, daß sie nicht wieder zurückkehrten. Diese Flieger
und ein dritter haben auch die Ballonhalle in Chiaravalla
landeinwärts und mehrere militärische Objekte mit 30 Bomben
beworfen. Das Luftschiff Citta di Ferrara" warf
mehrere Bomben erfolglos gegen S.M.S. Prinz" und
versuchte die abziehende Flotte anzugreifen, suchte aber
schleunigst das Weite, als zwei Flieger herbeiflogen, die
übrigens alle ihre Bomben schon verworfen hatten. Dasselbe oder
ein anderes Luftschiff war schon eine halbe Stunde nach
Mitternacht von der Flotte auf halbem Wege Pola-Ancona im
Gegenkurse gesichtet worden und zweifellos auf dem Wege nach
Pola. Als aber drei es begleitende Fahrzeuge
vor dem Geschützfeuer entflohen, kehrte das Luftschiff auch
gleich um und verschwand gegen Nordwest, ohne, wie es scheint,
die Flotte selbst gesehen zu haben.
Die Eisenbahnbrücke über den Potenzafluß wurde von S. M. S.
Radetzky" beschossen und beschädigt. S. M. S.
Admiral Spann" mit vier Zerstörern beschoß die
Eisenbahnbrücke über den Sinarcafluß, die Eisenbahnstation,
Lokomotiven-, Pumpenhaus usw. in Campo Marino, demolierte den
Gemaphor von Tremiti und beschädigte den von Torre di Miletto.
S. M. S. Helgoland" mit drei Zerstörern beschoß
Vieste und Manfredonia und stieß bei Barletta auf zwei
italienische Zerstörer, die es sofort unter Feuer nahm und
verfolgte. Der eine entkam, der zweite, Turbine",
wurde von unseren Zerstörern Esepel" und
Tatra" gegen Pelagosa abgedrängt und durch einen
Granattreffer in eine Maschine und einen Kessel lahmgeschossen
und blieb gestoppt brennend und sinkend liegen. Er ergab sich.
Esepel", Tatra" und Lita"
retteten 35 Mann der Besatzung, darunter den Kommandanten,
Gesamtdetailoffizier und Maschinenvorstand, und nahmen sie
gefangen.
Das Rettungswerk wurde von zwei von Nordost bis auf 9000 m
herankommenden Schlachtschiffen, Typ Vittorio Emanuele, und einem
Kreuzer gestört. Im darauffolgenden Feuergefecht erhielt nur
Esepel" einen unbedeutenden Treffer, wobei ein Mann
schwer, zwei Mann leicht verwundet wurden. Das Feuer wurde von
Helgoland" und den Zerstörern anscheinend mit gutem
Erfolg erwidert. Nächste Distanz 8000 in. Nach kurzer Zeit waren
unsere Schiffe außer Schußdistanz. Außer den angegebenen hatte
die k. u, k. Flotte keinerlei Verluste.
(W. T. B.)
Rom, 25. Mai.
(Meldung der Agenzia Stefani.)
Das
Kriegsbulletin des Hauptquartiers meldet über die Operationen am
24. Mai in Kärnten und Friaul:
An der Grenze von Kärnten eröffnete die
österreichisch-ungarische Artillerie am 23. Mai um 7 Uhr abends
das Feuer gegen unsere Stellungen, ohne Resultate zu erzielen. Am
24. Mai feuerte unsere Artillerie auf die Stellungen der
feindlichen Artillerie. Längs der Grenze von Friaul rückten
unsere Truppen überall im feindlichen Gebiet vor, wobei sie nur
schwachem Widerstand begegneten. Wir besetzten Caporetto sowie
die Höhen zwischen Judrio und dem Isonzo mit den Ortschaften
Cormons, Versa, Cervignano und Terzo. Der Feind zog sich zurück,
indem er die Brücken zerstörte und die Häuser niederbrannte.
Unsere Torpedobootzerstörer eröffneten das Feuer gegen eine
feindliche Abteilung in Portobuso und landeten Truppen, welche 70
Österreicher gefangennahmen. Die Gefangenen wurden nach Venedig
gebracht. Unsere Verluste sind ein Mann tot, einige wenige
verwundet.
Gezeichnet Cadorna.
Graf Tisza
über den Krieg mit Italien
Budapest, 26. Mai
Im
Abgeordnetenhause führte Ministerpräsident Traf Tisza u. a.
aus: Die Ereignisse, welche sich seit der letzten Sitzung
des Hauses abgespielt haben, veranlassen mich, Aufklärungen
über die Vorgänge zu geben, welche der gegenwärtigen Lage
vorausgegangen sind. Der italienische Ministerpräsident führt
in seiner letzten Rede die jetzige feindliche Haltung Italiens
auf das von der Monarchie an Serbien gestellte Ultimatum zurück.
In dieser Rede Salandras sind drei konkrete Anfragen enthalten,
zunächst jene, daß das Ultimatum das Gleichgewicht auf dem
Balkan erschüttert habe. Nun ist es eine allgemeinbekannte
Tatsache, daß wir sowohl unserem Bundesgenossen als auch den
anderen Großmächten gegenüber die Erklärung abgegeben haben,
daß die Monarchie keinerlei territoriale Aenderungen wünscht.
Die Behauptung des italienischen Ministerpräsidenten ist daher
eine offenkundige Unwahrheit. (Stürmischer Beifall im ganzen
Hause.) Die zweite Anklage des italienischen Ministerpräsidenten
besagt, daß wir die (Einflußsphären auf dem Balkan verändert
hätten. Diese Behauptung ist ziemlich unverständlich. Wohl
bestanden gewisse Vereinbarungen bezüglich Albaniens) was aber
den ganzen Balkan betrifft, so haben wir von jeher den Standpunkt
vertreten, daß keine Teilung der Einflußsphäre möglich sei,
daß wir an dem ganzen Balkan interessiert sind, jedoch keinerlei
Hegemonie auf dem Balkan beanspruchen. Die dritte Anklage
Salandras besteht in der Behauptung, daß die Monarchie den
Vertrag verletzt habe, weil sie es verabsäumte, vorher mit
Italien ein (Einvernehmen zu treffen. Graf Tisza verweist darauf,
daß ausschließlich in Artikel VII des Dreibund-Vertrages von
einem vorhergehenden Einvernehmen mit Italien die Rede sei,
jedoch nur für den Fall einer Aenderung des Status quo auf dem
Balkan. Bis in die allerletzte Zeit habe denn auch kein einziger
italienischer Staatsmann die Behauptung aufgestellt, daß die
Monarchie durch Verabsäumung eines vorhergehenden Einvernehmens
den Vertrag verletzt hatte. Graf Tisza beruft sich hierbei auf
die Unterredungen und den Schriftenwechsel zwischen der Leitung
der auswärtigen Politik der Monarchie und der italienischen
Regierung in den auf das Ultimatum folgenden Monaten. Niemals ist
auch nur ein Gedanke aufgetaucht, als hatte Italien in dem
Vorgehen Österreich-Ungarnseine Vertragsverletzung gesehen. Alle
in Italien führenden Persönlichkeiten haben wiederholt und in
den wärmsten Worten der Bereitwilligkeit Italiens Ausdruck
gegeben, wenn es auch nicht tätig am Kriege teilnehme, doch ein
treuer Bundesgenosse zu sein. (Große Bewegung und Rufe:
Eidbrüchige.)
Der Ministerpräsident verlas sodann das Telegramm, welches der
König von Italien am 2. August an den Kaiser und König Franz
Josef gerichtet hat (große Bewegung), und fuhr fort: Der König
von Italien hätte nicht in solchem Tone sich geäußert, wenn er
geglaubt hätte, daß unsere Monarchie den Vertrag mit Italien
verletzt habe.
Graf Tisza behandelte darauf eingehend die Erörterungen, in
welchen Oesterreich-Ungarn den Standpunkt vertreten hätte, daß
der Bündnisfall für Italien gegeben sei, während Italien dies
verneinte. Er schilderte weiter einzelne Phasen der Verhandlungen
betreffend eine Kompensation, in welcher Oesterreich-Ungarn auf
Grund der Vermittelung Deutschlands schließlich den Standpunkt
akzeptierte, daß Italien Kompensationen aus den der Monarchie
angehörenden Territorien angeboten werden sollten. Es war ein
schwerer Entschluß, durch den die Monarchie als Großmacht sich
dazu verstehen mußte, Territorien, die ihr angehören, an den
Verbündeten im Interesse der Sicherstellung seiner Neutralität
abzutreten. Wir gingen jedoch davon aus, daß die
Lebensinteressen der österreichisch-ungarischen Monarchie und
Italiens identisch seien, und daß wir dieses Opfer bringen
müßten. Die Gegenvorschläge Italiens waren jedoch unannehmbar.
Wir führten die Verhandlungen in dem Glauben, daß es im 20.
Jahrhundert unmöglich wäre, daß ein sich zivilisiert nennender
Staat, der unser Bundesgenosse ist, uns, wahrend wir im Kriege
stehen, angreifen würde, um so mehr, als wir ihm ja alles
angeboten hatten, was er ernstlich wünschen konnte. Die
italienische Regierung hatte aber mit einem in der Weltgeschichte
beispiellos dastehenden Terrorismus verhindert, daß die gesunde
Vernunft in der öffentlichen Meinung zur Geltung käme.
(Stürmischer Beifall.) Die italienische Kriegserklärung spricht
vom Schutze der italienischen Interessen gegen jede Bedrohung.
(Gelächter.) Diese Behauptung verdient keine Widerlegung.
Der Ministerpräsident schloß: Wir haben jetzt nur noch
die Aufgabe, den Ereignissen ins Auge zu sehen. (Beifall.) Vor
zehn Monaten sahen wir uns einer ungeheuren Uebermacht
gegenüber. Wir haben diese Übermacht zum Stillstand gebracht,
sie zerschmettert und in siegreichen Kämpfen gebrochen.
(Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) Wenn Italien es jetzt
für richtig hält, uns um die Früchte unserer Siege bringen zu
wollen, so werden wir uns auch ihm entgegen stellen.
(Langanhaltender Beifall im ganzen Hause.) Diese Monarchie,
welche die ganze Welt durch ihre Kraft überrascht hat, wird
jetzt erst recht die ganze Welt überraschen durch ihre
Aktionskraft, Einheit und männliche Entschlossenheit.
(Stürmischer Beifall, Händeklatschen.) Die Zeit Maria Theresias
erneuert sich wieder. Ihre Gefühle und Kräfte sind in der
Nation nicht verschwunden. Das Gefühl: Moriarnur pro rege
nostro! lebt auch heute in jedem Ungarn, (Langanhaltender
Beifall.) Die ungarische Nation wird vereint mit sämtlichen
Völkern der Monarchie diesen Kampf bestehen (stürmischer
Beifall) und vereint mit unserem
mächtigen Bundesgenossen (stürmischer Beifall, Händeklatschen,
Es lebe Deutschland!) im gegenseitigen Vertrauen
diesen Kampf bis zum letzten Atemzug führen gegen alle Teufel
der Hölle (stürmischer Beifall) und dem Schicksal dem Sieg
abzwingen."
(W. T. B.)
Wien, 26. Mai
In
Tirol rückte eine feindliche Abteilung in Condino (Judicarien)
ein. Am Padonpass, nordöstlich der Marmolata, flüchteten die
Italiener bei den ersten Schüssen. An der kärntnerischen Grenze
wiesen unsere Truppen mehrere Angriffe unter bedeutenden
Verlusten der Italiener ab. Westlich des Plöcken floh der Feind
und ließ seine Waffen zurück.
Im küstenländischen Grenzgebiet haben sich bisher noch keine
Kämpfe entwickelt.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Südwestlicher Kriegsschauplatz:
In Tirol
begann der Feind an einzelnen Punkten südlich Trient unsere
Grenzwerke mit schwerer Artillerie zu beschießen. Bei Caprile im
Cordevoletal wurden zwei italienische Kompanien durch unser
Maschinengewehrfeuer vernichtet. An der kärntnerischen Grenze
nur erfolgloses feindliches Artilleriefeuer. Im Küstenlande
haben die Italiener an mehreren Stellen die Grenze
überschritten. Feindliche Abteilungen, die bis an unsere
Stellungen vorgedrungen sind, wurden zurückgeworfen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Rom, 27. Mai - Die
"Agencia Stefani" meldet:
Da die
italienische Regierung der Ansicht ist, daß einige Häfen der
albanischen Küste Österreich-Ungarn zur heimlichen
Verproviantierung seiner kleinen Schiffseinheiten dienen,
erklärte sie am 26. Mai den Blockadezustand über:
Die österreichisch-ungarische Küste von der Grenze im Norden
bis zur montenegrinischen Grenze im Süden, einschließlich aller
Inseln, Häfen und Buchten,
Rom, 27. Mai
Der König,
der den Oberbefehl über das Landheer und die Marine übernommen
hat, ist in der Nacht vom 25. zum 26. nach dem großen
Hauptquartier abgereist. Das Amtsblatt veröffentlicht einen
königlichen Erlaß, der den Prinzen Thomas von Savoyen, Herzog
von Genua, einen Onkel des Königs, zum Generalstellvertreter
während der Abwesenheit des Königs von der Hauptstadt ernennt.
Der König hat folgenden Tagesbefehl erlassen: Soldaten zu Lande
und zur See! Die feierliche Stunde der Verwirklichung der
nationalen Ansprüche hat geschlagen. Nach dem Vorbilde meines
großen Vorfahren übernehme ich heute den Oberbefehl über die
Land- und Seestreitkräfte im sicheren Vertrauen auf den Sieg,
den eure Tüchtigkeit, eure Opferfreude und eure Disziplin zu
erlangen wissen werden. Der Feind, den zu bekämpfen ihr euch
anschickt, ist kriegserprobt und eurer würdig. Begünstigt vom
Boden und durch kluge Kunstvorrichtungen wird er euch zähen
Widerstand entgegensetzen, aber euer unbezwungener Vorwärtsdrang
wird ihn sicherlich zu überwinden vermögen. Soldaten! Euer wird
der Ruhm sein, Italiens Trikolore an den heiligen Grenzen
aufzupflanzen, die die Natur unserem Vaterlande gesetzt hat. Euer
der Ruhm, endlich das Werk zu vollenden, welches unsere Väter
mit so viel Heldentum begannen. Großes Hauptquartier, 24. Mai
1915. Viktor Emanuel.
Rom, 28. Mai, 10 Uhr
abends (Meldung der Agenzia Stefani)
Großes
Hauptquartier. An der Grenze Tirols und des Trentino dauern der
Artilleriekampf zwischen unseren Befestigungen und den
feindlichen Befestigungen am Tonale auf dem Asiagoplateau fort.
Wir dehnten die Besetzung des Gebietes jenseits der Grenze gegen
Norden oberhalb der Mündung eines Baches in den Idrosee aus und
ebenso die Besetzung der Bergzone zwischen dem Idrosee und dem
Gardasee. Die Notabeln von Tezze im Suganatal und aus anderen
besetzten Gebieten stellten sich unseren Behörden vor und
brachten ihre patriotischen ergebenen Gefühle namens der
Bevölkerung zum Ausdruck. An der Carniagrenze machte unser
Vorrücken Fortschritte. Wir machten Gefangene. An der Grenze von
Friaul besetzten wir Grado, wo die Bevölkerung enthusiasmiert
ist. Während der Nacht vom 26. zum 27. Mai unternahm eines
unserer Wasserflugzeuggeschwader einen Flug über feindliches
Gebiet und warf Bomben auf die Linie Triest-Nabressina ab. Es
richtete sichtlichen Schaden an und verursachte anscheinend eine
Unterbrechung der Eisenbahn. Obwohl das Geschwader Gegenstand
heftigen Artilleriefeuers war, kehrte es wohlbehalten in unsere
Linien Zurück.
Deutschfeindliche
Pöbeltumulte in Mailand
Lugano,
28. Mai
In Mailand
ist der Mob Herr der Stadt. Überall wurden am Abend des 27. und
28. Mai deutsche und österreichische Geschäfte oder solche mit
deutschklingenden Aufschriften verwüstet, geplündert oder gar
in Brand gesteckt, deutsche Wohnungen erbrochen und Möbel, sogar
Klaviere aus den Fenstern geworfen. Plündernde Banden
durchziehen die Straßen. An ihrer Spitze marschieren
feingekleidete Herren, die eine genaue Proskriptionsliste der
Opfer in Händen halten. Ob nach dem ausdrücklichen Rezept des
"Popolo d´Italia" die Deutschen selbst auf den
Straßen "wie Hunde" niedergeschlagen wurden, ist bis
jetzt nicht bekannt. Die Plünderungen des ersten Tages hörten
um 11 Uhr abends auf. Am Abend darauf, am 28. Mai 9 Uhr, erfolgte
noch eine schlimmere Neuauflage. Der Mob, der die Stadt völlig
terrorisiert, zog ganz unbehelligt unter Führung seiner
eleganten nationalistischen Condottieri von neuem vor das Hotel
Metropole, das vollends zerstört wurde. Dann ging es nach der
Via Dante, wo "aus Versehen" das große Geschäft des
italienischen Hoflieferanten Martini geplündert wurde. Sein Los,
ihr Eigentum der vollständigen Verwüstung ausgesetzt zu sehen,
teilten achtzig bis hundert deutsche und österreichische, auch
Schweizer Geschäfte. Ja sogar das Herrenkleidergeschäft
"Prince of Wales", das der Pöbel vermutlich nicht für
ein durch die lateinische Zivilisation verbündetes, sondern für
ein deutsch-barbarisches Haus ansah, wurde völlig verheert. Ganz
ausgeplündert wurde das Seidenhaus der "Stadt Como"
des Müncheners Heymann, dann das Seidenhaus Petersen, dessen
Inhaber (o Ironie des Schicksals) zurzeit als Vertreter Italiens
auf der Weltausstellung in San Francisco weilt, und die Filiale
der chemischen Fabrik Merck in Darmstadt. Es wurden ferner
völlig zerstört das italienische Modenhaus Zuckermann, das
italienische Haushaltungsgeschäft Sigismund, das Haus der
deutschen Maschinenfirma de Fries, das österreichische
Blumengeschäft Löffler, die Bureaus der österreichischen
"Poldihütte", das Lampenlager der österreichischen
Firma Dittmar, dann die Bureaus der Firma Röchling, der
Höchster Farbwerke, das Luxusgeschäft Münsten in der
Domgalerie. Darauf zog der Mob von neuem zur Pension Rieger, wo
noch der Rest von dem, was bisher unzerstört geblieben war,
vernichtet wurde. Durch das Hinauswerfen der Möbel aus dem
fünften Stockwerk wurden zwei Individuen aus der Menge getötet.
Auch die Zehnzimmerwohnung einer deutschen Dame sowie die Wohnung
einer deutschen Lehrerin wurden völlig verwüstet, die Möbel
und das Klavier aus den Fenstern geworfen und verbrannt. Polizei
und Carabiniere sahen müßig zu, um, wie sie sagten, nicht durch
ihr Einschreiten die Wut der Menge zu erhöhen und den Pöbel gar
zum Blutvergießen zu veranlassen. Um Mitternacht wurde in
Mailand der Belagerungszustand verhängt. Trotzdem dauerte die
Meuterei des Pöbels bis drei Uhr morgens an. Die aufgebotene
Infanterie war, wie es heißt, gegen die Banden ganz machtlos, da
sie nur aus alten Landsturmleuten bestand. Erst die Kavallerie
konnte die Straßen säubern. Die Wut des Pöbels scheint auch
dadurch angefacht worden zu sein, daß, wie unverbürgt
verlautet, mehrere hundert Verwundete in Mailand ankamen. Die
Presse schweigt diese Vorgänge tot.
Wien, 29. Mai, Mittags
Den
Grenzort Ala und das Primör haben italienische Truppen erreicht.
Im übrigen hat sich an der Tiroler und Kärntner Grenze nichts
ereignet.
Im Küstenlande begannen kleinere Kämpfe. Bei Karfreit wurde ein
italienisches Bataillon zersprengt, bei Plava der Vorstoß eines
feindlichen Detachements, nördlich Görz fünf feindliche
Angriffe abgewiesen.
Gestern nacht unternahmen mehrere Marineflieger eine neue Aktion
gegen Venedig. Sie warfen unter heftigstem Gewehr- und
Geschützfeuer eine große Zahl Bomben zumeist auf das Arsenal
ab, die mehrere ausgedehnte Brände und im Fort Nicolo auch eine
Explosion hervorriefen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der Treubruch Italiens
Berlin, 29. Mai
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: ,Der
Reichskanzler hat gestern im Reichstage die durch den Abfall
Italiens vom Dreibund geschaffene Lage gekennzeichnet und die
Entwicklungen dargelegt, die dieselbe herbeigeführt haben. Der
Beitritt Italiens zu dem deutsch-österreichischen Bündnis
erfolgte bekanntlich im Jahre 1882. Der damit ins Leben gerufene
Dreibund wurde in den Iahren 1887, 1891, 1902 und 1912 erneuert.
Der Abschluß des Vertrages machte seinerzeit einer Situation der
Spannung ein Ende, die zwischen Oesterreich, Ungarn und Italien
infolge der Treibereien der italienischen Irredenta entstanden
war. Der Gedanke, der den Fürsten Bismarck dazu bewogen hat, den
Anschluß Italiens an das deutsch« österreichische Bündnis zu
fördern, war, nach seinem eigenen Ausspruch, Italien zu
verhindern, im Falle eines Krieges mit Rußland,
Oesterreich in die Beine zu beißen".
Dreiunddreißig Jahre lang hat der Dreibund es verhütet, daß,
auch wenn reale Interessensgegensätze beider Länder
aufeinanderstießen, die Beziehungen zwischen der Donaumonarchie
und Italien ernstlich gefährdet wurden. Zugleich erwies sich der
Dreibund als außerordentlich starkes Gegengewicht gegen
französisch-russische Angriffsgelüste. Freilich wirkten die aus
früherer Zeit überkommenen Gegensätze zwischen der
habsburgischen Monarchie und Italien auch unter der Decke des
Dreibundes fort. Die italienische Irredenta wurde, wie der
Nationalismus in allen Ländern, immer stärker und richtete
immer begehrlichere Blicke über die österreichische Grenze.
Dazu kamen in Italien starke Strömungen, von den Radikalen und
der vom Pariser Orient abhängigen Freimaurerei genährt, die dem
Dreibund ohne Sympathien, ja feindlich gegenüber« standen und
in einer Annäherung an das lateinische republikanische
Frankreich das Heil erblickten. Schon in das Jahr 1901 fallen
Vorgänge, die ein leises Abrücken Italiens nach der
französischen Seite erkennbar machten. Es erfolgte der Abschluß
des italienisch-französischen Mittelmeerabkommens, in dem
Frankreich und Italien Vereinbarungen über ihre gegenseitige
Politik bezüglich Tripolis und Marokko trafen, und dessen Folgen
in der Haltung Italiens auf der Algeriraskonferenz erkennbar
wurden.
Schon damals lagen begründete Anzeichen dafür vor, baß neben
diesen, sozusagen kolonialen Vereinbarungen noch Abreden zwischen
beiden Mächten getroffen wurden, die, wenn nicht mit dem
Wortlaut, so doch mit dem Geist des Dreibundes schwerlich im
Einklang standen. Symptomatisch in dieser Hinsicht waren die
großen Anstrengungen, die der italienische Minister des
Aeußern, Herr Prinetti, bei den Verhandlungen über die
Erneuerung des Dreibundes im Jahre 1902 machte, um eine
Abänderung des Vertrages herbeizuführen oder doch wenigstens
nach außen hin den Eindruck zu erwecken, als ob eine den
geänderten französisch-italienischen Beziehungen Rechnung
tragende Revision des Vertragstextes erfolgt fei. Die kaiserliche
Regierung stand damals ebenso wie bei den späteren Erneuerungen
des Vertrages vor der Frage, ob sie bei dieser Lage der Dinge auf
die Fortsetzung des Bundesverhältnisses mit Italien verzichten
oder dem Königreiche die großen Vorteile auch noch weiter
fortgewähren solle, die ihm durch das Bündnis geboten wurden.
Die Frage ist in allen Fällen aus dem Grunde bejaht worden, weil
sonst die Gefahr vorlag, daß Italien vollständig in das
gegnerische Lager übergehen und damit Österreich-Ungarndie
Rückendeckung verlieren könnte, die ihm das Bündnis
gewährleistete, solange es gehalten wurde.
Die Richtigkeit dieser Politik erwies sich, als im Jahre 1901 die
entscheidende Wendung in der englischen Politik, das heißt der
Abschluß der englisch-französischen Entente erfolgte, indem sie
trotz des vorliegenden französisch-italienischen
Mittelmeerabkommens Italien in einem Zustande der Neutralität
erhielt, die zwar, wie auf der Konferenz von Algeciras,
schwerlich eine wohlwohlende Wende war, immerhin aber Frankreich
und England verhinderte, schon damals in der marokkanischen Frage
die Note zu forcieren. Auch darf nicht übersehen werden, daß
die italienischen Staatsmänner stets vor einer hypnotischen
Furcht vor einem etwaigen Angriff der englischen Flotte auf die
italienischen Küsten erfüllt waren. Hieraus erklärt es sich,
daß in dem Maße, wie die Entfremdung zwischen Deutschland und
England zunahm, das Bestreben der italienischen Politik sich
akzentuierte, mit den Ententemächten, insbesondere auch mit
Rußland, engere Fühlung zu suchen. Die Begegnung von Racconigi
im Jahre 1908 brachte Vereinbarungen zwischen Rußland und
Italien hervor, die sich nach den der kaiserlichen Regierung
darüber vorliegenden Nachrichten auf den Balkan und andere
Fragen erstreckten.
In den folgenden Jahren hatte die kaiserliche Regierung
wiederholt die Beobachtung machen müssen, daß Interna der
Politik der Dreibundmächte auf dem Wege über Rom nach
Petersburg gelangten und zwischen der italienischen und der
russischen Diplomatie politische Fragen in einer Weise erörtert
wurden, die mit dem Geist der Loyalität, wie er zwischen
Verbündeten obwalten sollte, kaum noch in Einklang zu bringen
war. Die kaiserliche Regierung hat unter diesen Umständen schon
lange mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet, daß im Fall des
Eintritts des Italien sich der ihm obliegenden aktiven
Vertragspflichten entziehen werde, wozu die, wie in den meisten
Bündnisverträgen, so auch im Dreibundvertrage angewandte
elastische Formel, daß die Bündnispflicht nur für den Fall
eines unprovozierten Angriffs auf die Vertragsgenossen durch
andere Mächte eintrete, eine Handhabe bot.
Dieser Handhabe hat sich die italienische Regierung bedient,
indem sie beim Ausbruch des gegenwärtigen Krieges ihre
Bündnispflicht mit der Behauptung in Abrede stellte, daß der
Krieg eine Folge des aggressiven Vorgehens Oesterreich-Ungarns
gegen Serbien und damit gegen Rußland gewesen sei. Deutschland
konnte auf diese Entwicklung gefaßt sein und war daher
militärisch wie politisch darauf vorbereitet, den von Rußland
provozierten Krieg auch ohne die Unterstützung Italiens führen
zu müssen. Auch bot die Neutralität Italiens für uns insofern
gewisse Vorteile, als sie uns eine, wenn auch nur beschränkte
Möglichkeit der Einfuhr von der See her gewährte.
Nur zu bald aber sehten die Stimmungen ein, die Italien in das
Lager unserer Gegner
geführt haben. Die Elemente, die den Augenblick benutzen
wollten, wo beinahe die gesamte Streitmacht Österreich-Ungarns
gegen Rußland im Kampfe stand, um langgehegte nationale Wünsche
zu verwirklichen, begegneten bei den maßgebenden Staatsmännern
Italiens keinen, Widerstand, sie fanden dort vielmehr Ermutigung.
Mit der Zeit steigerten sich die Begehrlichkeiten.
Bald war es nicht nur das Trentino, es war der Erwerb des Landes
am Isonzo, von Istrien, Triest, Dalmatien, den eine kleine Gruppe
von Radikalen, Freimaurern und Nationalisten dem so leicht
entzündbaren italienischen Volk als Preis für den Verrat an
seinen Bundesgenossen vorhielt. Die geheime Wühlarbeit der
Entente und eine käufliche Presse tat das Ihre, um
allmählich einen Parozismus hervorzurufen, den abzukühlen die
führenden Staatsmänner, insbesondere die Minister Salandra und
Sonnino nicht geneigt waren, so sehr sie dazu auch nach Lage der
Verhältnisse imstande gewesen wären. Auf diesen beiden Männern
ruht daher die ungeheure Verantwortung, Italien die Schrecknisse
des Krieges aufgebürdet zu haben, während
und trotzdem das Land auf friedlichem Wege eine Befriedigung
seiner nationalen Aspirationen in weitgehendstem Maße erlangen
konnte. Ihnen hat Italien es zu verdanken, wenn ihm in der
Geschichte der Makel des verächtlichsten Verrats, den die Welt
je gesehen hat, unauslöschlich aufgeprägt sein wird."
(W.T.B.)
Wien, 30.
Mai.
Die
Lage ist überall ruhig.
Der
Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Wien, 31. Mai, mittags
Gestern
Vormittag wurde der Angriff eines Alpiniregiments auf einen
Abschnitt unserer Befestigungen auf dem Plateau von Lavarone
blutig abgewiesen. In der Gegend nordöstlich Paneveggio begann
eine feindliche Abteilung zu schanzen, ging aber vor dem Feuer
unserer Patrouillen sofort zurück. An der kärntnerischen Grenze
fanden kleinere für unsere Waffen erfolgreiche Kämpfe statt.
Östlich Karfreit versuchte der Feind vergeblich die Hänge des
Krn zu ersteigen. In den Geschützkampf im küstenländischen
Grenzgebiet begann unsere schwere Artillerie einzugreifen.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Rom, 31. Mai
General
Spingardi, der Kommandant des Mailänder Armeekorps und früher
Kriegsminister unter Giolitti, ist zur Disposition gestellt
worden. Der Präfekt und der Polizeipräsident von Mailand sind
strafweise ihrer Stellungen enthoben worden. Der Grund dieser
Maßnahmen ist in den Ausschreitungen der Mailänder Volksmenge
zu suchen